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Meinung: Ob Jamaika oder Ampel - die Sozialpolitik verliert

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Ob Ampel, ob Jamaika: Mit Grün-Gelb drohen die Anliegen der SPD nach hinten zu fallen, meint unser Autor.

Von Wilfried Werner

Eigentlich schien die Ausgangslage nach der Wahl klar: Die SPD hat mehr Stimmen als die Union, Grüne sind stärker als die FDP. Nach altem Lagerdenken hieße das: Klarer Auftrag an Rot-Grün, die FDP für eine Ampel zu gewinnen. Doch so funktioniert Politik nicht. Und FDP wie Grüne geben sich professionell-strategisch, halten zumindest eine Hintertür zum Jamaika-Bündnis mit der Union offen. Schon um es der SPD nicht zu leicht zu machen.

Die Grünen tun das, obwohl sie wissen, dass mindestens 80 Prozent ihrer Wählerschaft die Union in die Opposition wünscht. Es ist ein Pokerspiel, bei dem die beiden Kleinen mehr Karten in der Hand halten. Und vielleicht sogar die Prioritäten bestimmen. Die Grünen haben verdeutlicht, dass das Klimaproblem obenan steht, erst später kommt etwa die soziale Gerechtigkeit – also ein Anliegen, das in allen Umfragen vor der Wahl bei den Bürgern weit oben auf der Wunschliste stand. Doch dies muss bei einer Einigung fast zwangsläufig ins Hintertreffen geraten, sowohl bei einer Ampel, erst recht bei Jamaika.

 


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Unglaubwürdiges Druckmittel 

Die Option Rot-Grün-Rot hat das Wahlvolk unmöglich gemacht. Die SPD dachte bis zum Wahlabend, man hätte hier ein Druckmittel gegen die FDP in der Hand, um sie am Ende zu einer Ampel zu zwingen. Schnee von gestern. Nun zeigt sich der Fehler, die Karte große Koalition schon im Wahlkampf abzulegen. Die SPD hat diese Variante madig gemacht, so dass sie jetzt als Druckmittel bei Verhandlungen unglaubwürdig scheint.

Grüne und Gelbe haben nun als erste „vorsondiert“. Und suchen nach Gemeinsamkeiten. Klar ist, dass sie, die beide das Image einer Partei der Besserverdienenden haben, nicht zuerst die Sozialpolitik angehen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Grünen an der Seite der SPD für höheren Mindestlohn, für steuerliche Umverteilung von oben nach unten in den Wahlkampf zogen– Dinge, die die FDP ablehnt.

Baerbock und Habeck, die Grünen-Chefs, wollen eine Klimakoalition, und dem, der hier am meisten bietet, winkt die Kanzlerschaft, so war zu hören. Das könnte zumindest theoretisch auch die Union sein. Denn die ist stark geschwächt und muss sehr viel bieten. Und ist nicht etwa ein deutlich höherer CO2-Preis, den Grüne wie FDP im Programm haben, sogar mit der Union leichter zu realisieren als mit der SPD, die mehr Rücksicht auf die sozial Schwächeren nehmen muss? Nicht umsonst gilt ein Winfried Kretschmann eher als Jamaika-Fan.

 


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Der Einigungsdruck ist hoch

Die FDP, die ja auch nicht unehrgeizige Klimaziele hat, wird den Grünen bei diesem Megathema entgegenkommen. Für die Lindner-Partei ist wiederum Finanz- und Steuerpolitik vorrangig. Entsprechend hoch auch hier der Einigungsdruck. All das dürfte am Ende auf Kosten der Sozialpolitik gehen. Und das müsste auch die SPD verarbeiten – will sie nicht Jamaika Vorschub leisten.

Die Grünen haben sich als Partei längst auf die bürgerliche Mitte zubewegt. Und für das Opfern sozialer Fragen auf dem Umwelt-Altar gibt es ein historisches Beispiel. Schröders Hartz-Reformen wurden nach 2002 von den Grünen mit abgesegnet. SPD-Generalsekretär war damals ein gewisser Olaf Scholz.

Im Zweifel war und ist für Grüne die Öko-DNA wichtiger. Für die SPD aber, unter den Chefs Esken und Walter-Borjans ohnehin nach links gerückt, werden Vorab-Einigungen der beiden Kleinen, die das Soziale ausklammern, heikel. Mit Olaf Scholz hat man jetzt auch der Linkspartei wieder Stimmen abgejagt, scheinbar ein Erfolgskurs. Doch man hört schon die Kritiker unken: Scholz als Kanzler einer Koalition der sozialen Kälte. Was wird der erstarkte linke SPD-Flügel machen? Die Ampel mag am Ende zustande kommen, aber die Sozialfrage könnte ihr Schwachpunkt werden.

 


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