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Paketzusteller sollten vor dieser Konkurrenz keine Angst haben

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Robotik-Experte Raoul Zöllner spricht über die Erfahrungen mit der selbstfahrenden Paketbox auf dem Buga-Gelände und den Plänen für die Innenstadt.

 

Noch wenige Wochen ist die selbstfahrende Paketbox auf dem Buga-Gelände unterwegs. Was hat das Projekt an Erkenntnissen gebracht? Wie geht es weiter? Der Heilbronner Professor Raoul Zöllner gibt im Interview Einblicke in das Projekt BugaLog, das eine Paketzustellung ohne menschlichen Paketzusteller ermöglicht.

 

Herr Zöllner, wie heißt die selbstfahrende Paketbox jetzt denn eigentlich?

Raoul Zöllner: Den Namen haben wir noch nicht. Aber der Aufruf, Ideen einzuschicken, brachte viele gute Vorschläge. Die Jury wird nächste Woche entscheiden.

 

Hat die Paketbox inzwischen das erste Paket ausgeliefert?

Zöllner: Ja, das hat sie. Zuletzt wurden drei, vier Lieferungen pro Tag verschickt. Unsere Test-Teilnehmer wurden per App informiert und durften sich das Paket aus der Box holen, die vors Haus gefahren ist.

 

Und wie hat es geklappt?

Zöllner: Insgesamt gut. Manchmal ballt sich leider das Pech. Bei einem Bewohner wurde das Paket dreimal nicht ausgeliefert. Einmal war das Paket nicht drin. Einmal ist die Box nicht wie geplant gefahren, und einmal musste sie neu gestartet werden, so dass es zu spät wurde. Das ist ärgerlich, diesen Teilnehmer haben wir wohl nicht überzeugt. Aber insgesamt haben wir Sympathie-Punkte gesammelt.

 

Wo haben Sie Probleme erwartet, wo sind sie dann tatsächlich aufgetreten?

Zöllner: Es gibt da ein Sprichwort: Alles, was schief gehen kann, geht schief. Das ging bei uns so weit, dass eine Platine durchbrannte, weil wir den Luftdruck in den Reifen nicht kontrolliert hatten. Der Beinahe-Plattfuß erhöhte den Lenkwiderstand, der Motor war überlastet. Jetzt haben wir einen Wartungsplan.

 

Der Laie würde erwarten, dass die Sensoren und die Software nicht richtig funktionieren.

Zöllner: Das kam auch vor. Balken, die hier auf der Buga auf der Straße liegen, hat die Box nicht als Hindernis erkannt und ist mehrfach dagegen gefahren. Personen und größeren Hindernissen ist sie aber zuverlässig ausgewichen.

 

Das Problem der echten Paketzusteller ist, dass Adressaten nicht da sind.

Zöllner: Da ist die Paketbox im Vorteil. In der App kann man unproblematisch wählen, wann man das Paket in Empfang nehmen will. Und weil Arbeitszeiten der Paketzusteller dann nicht mehr das Problem sind, kann die Paketbox theoretisch auch um 22 Uhr vorbeikommen.

 

Raoul Zöllner ist zuversichtlich, dass die selbstfahrende Paketbox bald schon in Heilbronn unterwegs ist. Foto: Mario Berger
Raoul Zöllner ist zuversichtlich, dass die selbstfahrende Paketbox bald schon in Heilbronn unterwegs ist. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Setzen Sie sich eigentlich mit Befürchtungen auseinander, dass Paketzusteller ihren Job verlieren könnten wegen Ihrer neuen Technik?

Zöllner: Ja, kürzlich sogar aktiv hier auf der Buga. Eine Frau hat sich für die Box interessiert. Es stellte sich heraus, dass sie selbst Paketzustellerin ist. Im Gespräch wurde aber deutlich, dass sie kein Problem damit hat, wenn es sich um die letzte Meile in der Innenstadt dreht. Denn das ist das Geschäft, das auch bei den Zustellern unbeliebt ist. Das kostet nur viel Zeit und man kommt nicht voran. So lange es sich um diese Zone dreht, haben Paketzusteller keine Angst vor der Box. Wir haben auch mit DHL gesprochen, da zeigte sich ein ähnliches Bild.

 

Jetzt ist die Buga bald zu Ende, und damit auch das Testprojekt BugaLog. Wie könnte es weitergehen?

Zöllner: Hier konnten wir die Idee an der Gesellschaft spiegeln. Nachdem wir jetzt sehr viel weiter gekommen sind als ursprünglich gedacht, wollen wir natürlich nicht aufhören. Jetzt stellen wir Förderanträge. Von ihnen hängt es ab, in welchen Forschungsfeldern wir weitermachen.

 

Räumlich war der Bildungscampus im Gespräch. Was ist noch möglich?

Zöllner: Den Bildungscampus wollen wir auf jeden Fall als Testfeld nutzen. Wir werden aber auch versuchen, in die Heilbronner Innenstadt zu kommen. Da gibt es rechtliche Einschränkungen, deshalb müssen wir schauen, was möglich ist.

 

Noch muss die Paketbox beaufsichtigt werden, sobald sie sich in Bewegung setzt. Das soll sich in absehbarer Zeit ändern.
Foto: Mario Berger
Noch muss die Paketbox beaufsichtigt werden, sobald sie sich in Bewegung setzt. Das soll sich in absehbarer Zeit ändern. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Das war ja schon hier das Problem, dass die Box zwar autonom fährt, aber immer von einem "Fahrzeugführer" beaufsichtigt werden muss. Soll das so bleiben?

Zöllner: Nein. Momentan gibt es noch die Einschränkung Wiener Konvention, die besagt, dass jedes Fahrzeug seinen eigenen Führer oder Fahrer haben muss. Vonseiten der Fahrzeugindustrie gibt es Vorstöße, in abgeschlossenen Bereichen wie einem Parkhaus diese Regelung aufzuweichen. Auch für Fahrzeuge im Niedergeschwindigkeitsbereich soll sie aufgehoben werden. Da der Tüv dafür Testkandidaten braucht, könnten wir ins Spiel kommen. Wir sind im Testfeld Autonomes Fahren bereits mit dem Tüv Süd unterwegs.

 

Dann sehen wir die Gefährte also bald in der Heilbronner Innenstadt?

Zöllner: Sicher nicht vor dem nächsten Frühjahr. Es ist auf jeden Fall ein größerer Aufwand. Denn wenn wir in eine Produktivphase gehen, müssen wir viele Dienstleistungen nebenher sicherstellen, für die wir als Hochschule eigentlich gar nicht aufgestellt sind. Weil es für die beteiligten Firmen und die Kunden funktionieren muss, brauchen wir dann zum Beispiel ein Team, das die Pakete im Zweifel selbst ausfährt, das die Fahrzeuge wenn nötig abholt und irgendwo abstellt. Es wird ein größerer logistischer Aufwand.

 

Wie sieht die fernere Zukunft aus?

Zöllner: In zehn Jahren werden solche selbstfahrenden Paketboxen überall in den Innenstädten unterwegs sein, da bin ich mir sicher. Die Technik bekommt man in den Griff, weil die Fahrzeuge so langsam sind. Das Problem wird eher, wo sie dann Platz finden, wo sie parken können. Man kennt das heute ja mancherorts von den E-Rollern.

 

Wo gibt es so etwas noch?

Zöllner: In den USA ist im Februar eine Firma an den Start gegangen mit 15 Millionen Dollar Kapital. Wir haben eine Dreiviertelmillion. Die haben ein cooles Design, das auf Hype ausgelegt ist wie Tesla - weil sie Geld brauchen. Am Ende werden sie aber auf sehr ähnliche Lösungen wie wir kommen, da bin ich sicher.

 

 

Zur Person

Raoul Daniel Zöllner wuchs in Siebenbürgen in Rumänien auf. Nach Abitur und Fall des Eisernen Vorhangs 1989 studierte er Informatik in Karlsruhe, promovierte dort auch auf dem Gebiet der Robotik und KI. Anschließend forschte er ab 2006 für Siemens, bevor er zum Wintersemester 2009 als Professor an die Hochschule Heilbronn berufen wurde. Seit 2017 ist er dort auch Prorektor für Forschung, Transfer und Innovation. Er betreut vonseiten der Hochschule Heilbronn auch das Testfeld Autonomes Fahren.

Seit 2015 arbeitet Professor Raoul Zöllner gemeinsam mit den Professoren Tobias Bernecker und Nicola Marsden am Projekt BugaLog. Die Idee dafür stammt vom Verkehrsbetriebswirtschaftler Bernecker, der vorschlug, die Technik des autonomen Fahrens für das Anwendungsfeld Paketzustellung zu nutzen. 

 

 
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