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Zehren von der Substanz

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Bad Wimpfen - Schausteller auf dem Talmarkt müssen knapp kalkulieren und die Preise niedrig halten

Von Friedhelm Römer

Bad Wimpfen  - Das Wanderleben im Wohnwagen an ständig wechselnden Orten ist nicht jedermanns Sache. Und minimale Gewinnmargen schon gar nicht: Kein Wunder, dass viele Schausteller auf dem Talmarkt in Bad Wimpfen dieses Gewerbe bereits in der x-ten Generation betreiben. Die Preise, die die Kundschaft für die Fahrgeschäfte hinblättert, sind knapp kalkuliert. Ein Großteil des Gewinns schmilzt durch Personal- und Unterhaltungskosten. Den dicksten Brocken machen aber die Transportkosten aus.

300 Flüge

Ein Bungeeflug in der kleinen Doppelsitzer-Kugel "Hot Shot" kostet 15 Euro. Wie kommt der Preis zustande? "Erstens sind die Bungeeseile recht teuer, und zweitens müssen wir sie laut TÜV-Vorgaben nach 300 Flügen gegen neue austauschen, obwohl sie eigentlich doppelt so lange halten würden." 2000 Euro zahlt Josef Dölle jr. für einen Satz Seile. Dass die TÜV-Vorgaben eingehalten werden, dafür sorgt ein Zählwerk an der Kapsel. Zwar ist der Preis für ein Volksfest-Fahrgeschäft gewöhnungsbedürftig, "doch für einen Bungeeflug sind 15 Euro preiswert", erzählt der 28-Jährige, der seit zwölf Jahren dabei ist und häufiger seine Eltern vertritt. Bevor es den Euro gab, haben die Dölles 35 Mark Eintritt genommen. "Unser Geschäft läuft gut, weil wir den Preis konstant halten." Vor vier Jahren seien bundesweit noch acht dieser Anlagen unterwegs gewesen. "Heute sind wir die einzigen." Die Konkurrenz nimmt ab.

Auch Michael Courtney − er ist seit 36 Jahren im Schaustellergewerbe − hat bei der Umstellung auf den Euro nur unwesentlich aufgeschlagen und den Preis seitdem stabil gehalten. "Früher haben wir fünf Mark genommen, heute kostet eine Fahrt drei Euro." Der Münchner betreibt die Achterbahn "Feuer und Eis". "Ein Volksfest muss für die Leute erschwinglich bleiben."

Transportkosten

Eine Strecke von 100 Kilometern Fahrt bedeuten für den 52-Jährigen, der drei Zugmaschinen im Einsatz hat, 1000 Euro Transportkosten. Daher versucht er, die Entfernungen von einem zum nächsten Volksfest möglichst gering zu halten. Allein den Verschleiß beziffert Michael Courtney auf rund 25 000 Euro pro Jahr. Hinzu kommen Kosten für fünf Angestellte, Standgelder und Strom.

200 Tonnen bewegt Manfred Zehle, wenn er mit seinem Überschlagskarussell "Top Spin" durch Deutschland zieht. Drei Schwerlastzüge müssen zweimal fahren, um die sechs Lkw-Anhänger zu ziehen. Der schwerste Hänger wiegt 55 Tonnen. Für diese Lasten benötigt Zehle Streckengenehmigungen, weil viele Brücken für diese Gewichtsklassen nicht ausgelegt sind. "Unser Problem sind die Kostensteigerungen der vergangenen Jahre", sagt der 62-Jährige. Gleichzeitig ist dem Sprecher der Münchener Schausteller bewusst, "dass wir keine marktgerechten Preise nehmen können". Die Besucher würden das nicht mittragen. Auch die Zahl der Veranstaltungstage ist begrenzt. Von den 150 Tagen brechen laut Zehle 50 wegen schlechten Wetters weg. "Es bleiben 100 Tage, um Geld zu verdienen." Nüchtern stellt er fest, dass die Zahl der Fahrgeschäfte auf den Volksfesten abnimmt, die der Getränke- und Imbissbuden dagegen steigt.

3,2 Millionen D-Mark hat seine Anlage gekostet. Heute müsste man die Summe in Euro zahlen. "Aber bei diesen Eintrittspreisen können wir keine Rücklagen bilden." Daher leben die Schausteller von der Substanz. Zehle: "Wenn wir eines Tages nicht mehr da sind, ist eine ganze Branche verschwunden. Das ist wie beim Tante-Emma-Laden."

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