Plattenwald verliert die gesamte Gynäkologie
Nicht nur die Geburtshilfe, sondern die gesamte Gynäkologie soll vom Plattenwald an den Heilbronner Gesundbrunnen umziehen. Das bestätigte die Geschäftsführung der Stadt-Landkreis-Kliniken der Heilbronner Stimme.

Die Abweichung vom 2006 verabschiedeten Strukturkonzept begründet die Klinik hauptsächlich mit der Entwicklung der Patientenzahlen und Personalproblemen. Eine Schwächung des Standorts in Bad Friedrichshall befürchtet Geschäftsführer Dr. Thomas Jendges nicht. Die Entscheidung liegt bei den Gesellschaftern, also Kreistag und Heilbronner Gemeinderat. Davon hängt auch der Zeitpunkt des Umzugs ab.
Fusion
Die immer wieder kontrovers diskutierte Fusion der Geburtshilfen im Gesundbrunnen ist Bestandteil des Strukturkonzepts. Die gynäkologische Abteilung sollte allerdings mit 20 Betten im Plattenwald erhalten bleiben. Noch im September 2013 hatte die SLK der Stimme gegenüber versichert, dass die Frauenheilkunde in Bad Friedrichshall nicht zur Diskussion stehe. Warum nun der Strategiewechsel, der mit dem Bezug des Neubaus 2016 greifen soll?
"Die Patientenzahlen sind wider Erwarten gesunken", erklärt Thomas Jendges. Die derzeitige Auslastung entspreche einer Abteilung mit sieben bis acht Betten. Die ursprünglich vorgesehen 20 Betten seien nicht zu erreichen. "Aber auch das wäre zu wenig", meint der Geschäftsführer. Sinnvoll sei eine Abteilung mit mindestens 30 Betten. Bei derart geringen Fallzahlen sei die Qualität nur schwer zu gewährleisten, eine Zertifizierung unmöglich. Eine "Rumpfgynäkologie" im Plattenwald wäre, so Jendges, nicht wirtschaftlich zu betreiben. Ein Grund für die sinkenden Fallzahlen sei, dass der Anteil ambulanter Operationen ständig zunehme.
Professor Reinhard Hackenberg, Direktor der Frauenkliniken am Gesundbrunnen und im Plattenwald, führt ein weiteres Argument an: Es sei extrem mühsam, ärztlichen Nachwuchs für kleine Abteilungen zu finden. "Ein kleines Ärzteteam kann nicht alle heute erforderlichen Spezialisierungen bieten." Zudem sei die Arbeitsbelastung für das Personal höher als in größeren Abteilungen.
Pro Jahr begeben sich im Plattenwald etwa 550 Patientinnen in stationäre Behandlung. Vielen von ihnen steht künftig also eine weitere Anfahrt bevor. Ein Nachteil, den Thomas Jendges aber relativiert: "Es liegen nur zehn Kilometer zwischen den Standorten." Außerdem steht den Frauen nach der Fusion eine Wahlmöglichkeit weniger zur Verfügung.
Dr. Jürgen Mann, Sprecher der niedergelassenen Frauenärzte, sieht auf manche Patientinnen zwar eine Umstellung zukommen. "Die medizinische Versorgung wird aufrecht erhalten, da sehe ich keine Probleme", sagt der Gynäkologe auf Anfrage.
Verliert der Plattenwald an Bedeutung? Zumal der Standort neben der Geburtshilfe auch die Urologie verliert. Jendges verneint. "Das ist ein ideales Krankenhaus in mittlerer Größe." Die wichtigsten Schwerpunkte seien die Kardiologie, die Gefäßchirurgie mit Shuntzentrum*, die Orthopädie und die Gastroenterologie. Anstelle der ursprünglich geplanten 289 Betten entstehe im Plattenwald ein Krankenhaus mit rund 350 Betten. Sichtbar wird dies durch die nachträglich beschlossene Aufstockung des Neubaus.
*Shunts sind natürliche oder künstliche Verbindungen zwischen normalerweise getrennten Gefäßen. Sie kommen etwa bei der Dialyse zum Einsatz.



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