Kapitän der Lindenschule geht von Bord
Schönere Abschiedsworte kann man kaum finden: In einem Video erzählen die Förderschüler aus Neuenstadt, woran sie beim Namen Wolfgang Gerwert denken. "Er ist ein Alter", sagt eins der Kinder ganz arglos.

Schönere Abschiedsworte kann man kaum finden: In einem Video erzählen die Förderschüler aus Neuenstadt, woran sie beim Namen Wolfgang Gerwert denken. "Er ist ein Alter", sagt eins der Kinder ganz arglos. Aber was heißt das bloß in Zahlen? Der Sitznachbar grübelt: "So 38 wohl." Und sie haben noch mehr Komplimente auf Lager. "Wunderhübsch" sei ihr Schulleiter, der an diesem Donnerstagvormittag feierlich in den Ruhestand verabschiedet wird. Außerdem nett, hilfsbereit und jemand, der sie immer zum Lachen bringt.
Profil
Recht haben sie, finden die anderen Schulleiter der Kochertalgemeinde, der Bürgermeister, die Gemeinderäte und Kollegen, die bei der Feier im Foyer der Lindenschule dabei sind. Nur die Sache mit dem Alter, die stimmt nicht so ganz. 63 ist der im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein geborene Pädagoge tatsächlich. Seit 1977 ist er Lehrer an der Neuenstadter Sonderschule, von 2008 an deren Leiter. Jetzt wartet der Ruhestand - aus gesundheitlichen Gründen ein Jahr früher, als geplant. Seine Nachfolge soll mit Beginn des neuen Schuljahres offiziell bekannt gegeben werden.
"Nach fast vier Jahrzehnten im Schuldienst kann ich wohl von einem Urgestein sprechen", sagt Bürgermeister Norbert Heuser bei seiner Ansprache. Und lobt: "Ihnen ist es in dieser Zeit gelungen, unserer Förderschule ein unverwechselbares Profil zu verleihen." Dabei hatte Gerwert vor sieben Jahren sehr gewissenhaft darüber nachgedacht, ob er in die Fußstapfen von Vorgänger Volker Wintzheimer treten kann. "Schon allein wegen meines fortgeschrittenen Alters. Aber diese kleine Schule hat es verdient, eine präsente Leitung zu haben", erklärt er. Immerhin hatte er sie 2008/09 bereits kommissarisch geleitet, wie Schulamtsdirektorin Sonja Buss sich erinnert. "In Ihrer bescheidenen Art wollten Sie zuerst nicht an vorderster Front kämpfen." Sie aber sei sich sich bis heute sicher: "Idar-Oberstein hat uns einen seiner wertvollsten Edelsteine gegeben."
Gerwert hat die Entwicklung der Sonderpädagogik im Bereich Lernbehinderter von der Hilfsschule über die Sonderschule für Lernbehinderte bis zur Förderschule mitgemacht. Und bilanziert: "Egal, wie die Schule hieß, es fehlte immer an der Akzeptanz." Sein Vorsatz sei es dagegen stets gewesen, die individuellen Stärken seiner Schüler zu fördern und ihre Schwächen zu kompensieren. Mit Respekt, Sympathie aber auch der nötigen Strenge. "Das funktioniert nur, wenn das Kollegium es ähnlich sieht. Und das war so", lobt er die Kollegen.
Respektvoll
Kein Wunder, dass Lehrerin Carmen Bez ihn als Kapitän mit Verantwortungsgefühl und Kameradschaftsgeist bezeichnet. Auch, wenn die Lindenschule nicht immer ein einfaches Schiff gewesen sei. Gerwert habe den Schwimmunterricht ins Leben gerufen, die Snackbar am Laufen gehalten, Projekttage, Kooperationen mit den Kindergärten und eine tolle Zusammenarbeit mit Grund- und Stephen-Hawking-Schule gefördert. Diese Position kann Mike Massa, Leiter der Grundschule, nur unterstreichen. "Es war mir eine große Stütze zu wissen, dass ich mit dir offen und vertrauensvoll über Probleme sprechen kann", erklärt er. Dank Gerwert sei er außerdem immer auf dem aktuellsten Witze-Stand gewesen. "Vermissen werde ich auch unsere Herrenrunden morgens auf dem Flur." Da besprachen die beiden Hähne im Korb unter lauter Kolleginnen gerne, was am Tag ansteht.
"Du warst immer etwas Besonderes", lobte der geschäftsführende Schulleiter und Rektor des Eduard-Mörike-Gymnasiums, Roland Götzinger. "Respektvoll, verlässlich, immer ruhig. Es sei denn, es gab eine Niederlage im Tischtennis. Dann war es vorbei mit der Contenance."
Info: Die Lindenschule besteht aus der Förderschule mit vier Klassen und 45 Kindern sowie der Grundschule mit 230 Schülern. Dazu kommen zwei Außenklassen der Stephen-Hawking-Schule Neckargemünd. Statt eines Geschenks hatte sich Gerwert eine Spende an die "Große Hilfe für kleine Helden" gewünscht. Es musizierten der Chor der Förderschule und das Gesamtkollegium, die Tanz-AG der Grundschule machte Stimmung.




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