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Krise im VW-Konzern: Warum 2025 hohe Strafzahlungen drohen

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Die Lage im VW-Konzern bleibt weiter angespannt. Neben den bekannten Problemen könnte nun auch der schwächelnde Absatz von E-Autos für zusätzliche Kosten sorgen.


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Oliver Blume ist eher ein Mann der leisen Töne. Der Chef des VW-Konzerns neigt nicht dazu, aufbrausend zu werden. Der 56-Jährige redet aber auch nicht drumherum, sondern benennt Probleme klar und deutlich. Damit hat sich Blume zuletzt nicht nur Freunde gemacht.

Bei der VW-Betriebsversammlung in Wolfsburg vergangene Woche Dienstag wurden der Topmanager und seine Vorstandskollegen von der Belegschaft angesichts der geplanten Verschärfung des Sparkurses ausgepfiffen. Werksschließungen und Entlassungen stehen im Raum. Bei der Kernmarke VW sei die Lage „so ernst, dass man nicht einfach alles weiterlaufen lassen kann wie bisher“, sagte Blume der „Bild am Sonntag“. „In Europa werden weniger Fahrzeuge gekauft. Gleichzeitig drängen neue Wettbewerber aus Asien mit Wucht in den Markt. Der Kuchen ist kleiner geworden und wir haben mehr Gäste am Tisch“, so der Konzernchef.

Rhetorisch geht es seit vergangener Woche um alles, sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. Einen Kahlschlag indes schließt Blume, der seit mehr 30 Jahren im Konzern arbeitet, aber aus.

Ein Blick auf das Stammwerk von VW in Wolfsburg. Auch dort ist die Auslastung schlecht. Die Kosten müssen deutlich sinken.
Ein Blick auf das Stammwerk von VW in Wolfsburg. Auch dort ist die Auslastung schlecht. Die Kosten müssen deutlich sinken.  Foto: Moritz Frankenberg

VW-Werke nicht ausgelastet – Warum es bei Audi in Neckarsulm trotzdem einen Hoffnungsschimmer gibt

Die Nachfrage auf den Märkten weltweit schwächelt, der Hochlauf der Elektromobilität stockt, die Konkurrenz aus China gewinnt Marktanteile, die Kosten laufen davon. Nicht einer der 100 Standorte weltweit ist annährend gut ausgelastet. Das gilt für das riesige Stammwerk in Wolfsburg ebenso wie für das kleine Audi-Werk in Brüssel, das wohl kaum noch zu retten ist.

Hoffnungsschimmer für die Region ist, dass die Nachfrage für Verbrennermodelle derzeit wieder anzieht. Das sollte Neckarsulm mit dem neuen A5 und A7 zumindest die nächsten Jahre Stückzahlen deutlich jenseits der 200.000 Fahrzeuge bescheren. Zuletzt waren es jährlich um die 150.000. Bleiben aber die Böllinger Höfe in Heilbronn, wo nur noch in einer Schicht produziert wird. Vielerorts herrscht Unterbeschäftigung. Hannover, Emden, Dresden, Osnabrück – die Liste lässt sich lange fortschreiben. Überall fehlt es an Volumen. „Da nützen auch zusätzliche Modelle nichts, die Nachfrage ist einfach nicht mehr in dem Umfang da, wie es noch in den vergangenen fünf bis zehn Jahren der Fall war“, sagt eine Managerin aus dem Vertrieb.

Kernmarke VW ist die größte Baustelle im Konzern

Größte Baustelle im Konzern ist die Kernmarke Volkswagen. Deren Chef Thomas Schäfer will bis 2026 mindestens zehn Milliarden Euro einsparen, um die Rendite auf 6,5 Prozent anzuheben. Im ersten Halbjahr lag sie bei mickrigen 2,3 Prozent. Und selbst die Ertragsperlen Audi und Porsche bereiten den Verantwortlichen in der Konzernzentrale Kopfschmerzen. Im ersten Halbjahr ist der Gewinn eingebrochen. Allein von Audi fehlen 1,1 Milliarden Euro. Geld, dass aber quer durch alle Marken für Neuanläufe und Investitionen in die Elektromobilität benötigt wird. Intern ist klar, daraus machen Blume und Schäfer keinen Hehl: Die zehn Milliarden Euro reichen nicht, es muss zusätzlich Geld gespart werden.

Oliver Blume (links), Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG und Porsche AG und Thomas Schäfer, Markenvorstand Volkswagen, nehmen an einer Betriebsversammlung in einer Halle im VW-Werk teil.
Oliver Blume (links), Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG und Porsche AG und Thomas Schäfer, Markenvorstand Volkswagen, nehmen an einer Betriebsversammlung in einer Halle im VW-Werk teil.  Foto: dpa

CO₂-Schwellenwert sinkt deutlich: Was das für VW bedeutet

Mit ein Grund ist auch der schwächelnde Hochlauf der Elektromobilität. Das kann für den VW-Konzern teuer werden ab nächstem Jahr. Nach Vorgaben der EU sinkt der Schwellenwert für die CO₂-Flottenziele der Autohersteller von derzeit 116 Gramm pro Kilometer (g/km)  ab 2025 auf nur noch 93,6 g/km. Nach einer Auswertung der Analysten von Dataforce liegen aktuell fast alle Hersteller über dem neuen Schwellenwert. Besonders weit darüber liegt noch VW. Die Konsequenz daraus: Bei Nichteinhaltung der CO₂-Grenzwerte drohen saftige Geldstrafen, die sich für große Autohersteller wie die Wolfsburger auf Hunderte von Millionen Euro belaufen können.

Die Überschreitung in Gramm pro Kilometer wird mit dem Fahrzeugvolumen und 95 Euro multipliziert. Beispiel: Bei einer Überschreitung von fünf g/km und einem Volumen von einer Million Autos bedeutet das eine Strafe von 475 Millionen Euro.

Anteil an E-Autos muss bei VW deutlich steigen 

VW muss seinen Anteil an E-Autos am Gesamtabsatz nahezu verdoppeln, um die Grenzwerte einzuhalten. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktueller Report der Großbank UBS. 2023 kam VW demnach europaweit auf einen Elektroauto-Anteil von 13 Prozent. Um die neuen Vorgaben zu erfüllen, sei 2025 ein Anteil von 25 Prozent nötig. „Dass VW seine CO2-Ziele aus eigener Kraft schafft, ist unrealistisch. Dafür ist der Sprung viel zu groß“, sagt Patrick Hummel, Head of European Autos Research bei UBS.

Zuletzt schwächelte die Nachfrage der Volumenmodelle ID.3, ID.4 und ID.5 deutlich. Allein der ID.7, ein Stromer in Größe des Passat, kommt bei den Kunden derzeit gut an. Ein Einstiegsmodell mit dem Namen ID.2 für um die 25.000 Euro lässt noch bis Ende 2025, Anfang 2026 auf sich warten. Zuletzt hat VW die Preise für seine Modelle mit Verbrennungsmotor um knapp vier Prozent erhöht. Experten werten das zum einen als Versuch, höhere Erlöse zu erwirtschaften. Zum anderen aber auch als Indiz dafür, dass man versucht, den Absatz für E-Autos anzukurbeln.

So sind die Machtverhältnisse bei VW in Wolfsburg

Konzernchef Oliver Blume steht vor teils schier unlösbaren Aufgaben. Anders als sein Vorgänger Herbert Diess weiß der 56-Jährige nur zu gut, dass man bei Europas größtem Autobauer viele Interessen befriedigen muss. In der Tat ist die Macht in Wolfsburg eben anders verteilt, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint. Volkswagen, das war schon immer ein spezieller Autohersteller. Das liegt schon allein an den Eigentumsverhältnissen. 20 Prozent gehören dem Land Niedersachsen, die Mehrheit und damit das Sagen haben die hin und wieder zerstrittenen Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, die den Konzern über die Porsche SE kontrollieren.

VW ein Familienunternehmen? Im Prinzip ja. Nicht viele würden die Frage, wem Volkswagen eigentlich gehört, eindeutig richtig beantworten. Würde man die Arbeiter am Band in Wolfsburg befragen, würden die meisten von ihnen wie selbstverständlich sagen: „VW gehört uns.“ Die Aktionäre sind für sie weit weg. Erst recht die beiden Eigentümerfamilien. Volkswagen gehört seinen Arbeitern, so die Denke. Und das Sagen hat die IG Metall, die mächtige Gewerkschaft.

Wird Beschäftigungsgarantie für die deutschen VW-Standorte verlängert? 

„Die nächsten Monate werden ein Hauen und Stechen. Aber am Ende wird einmal mehr ein tragbarer Kompromiss herauskommen“, sagt ein ehemaliger Vorstand einer Konzernmarke. Er glaubt sogar, dass unter Umständen die Beschäftigungsgarantie für die deutschen Standorte verlängert wird. Im Gegenzug aber kleinere Standorte wie Brüssel, Osnabrück oder Dresden geschlossen werden. Zudem werden sicherlich insgesamt tausende Stellen wegfallen müssen, wenn auch sozialverträglich über Abfindungen und dergleichen. "Wir stehen fest zum Standort Deutschland, denn Volkswagen hat ganze Generationen geprägt. Wir haben Mitarbeiter, deren Großväter schon bei Volkswagen gearbeitet haben“, sagt Konzernchef Blume. „Ich will, dass auch ihre Enkel hier noch arbeiten können."

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