Stihl verlagert nicht in die Schweiz – Vorstandschef spricht von "Bürokratiewahnsinn" in Deutschland
Der Waiblinger Motorsägen- und Gartengerätehersteller Stihl gibt ein Bekenntnis zum Standort Deutschland ab, kritisiert aber die hohen Kosten. Eine Produktionsverlagerung in die Schweiz ist nicht geplant. Das Familienunternehmen investiert derzeit vor allem im Ausland.

Der Motorsägen- und Gartengerätehersteller Stihl plant keine Produktionsverlagerung in die Schweiz. Das stellte Vorstandsvorsitzender Michael Traub bei der Bilanzvorlage am Dienstag in Stuttgart klar. "Stihl ist ein deutsches Unternehmen und wird ein deutsches Unternehmen bleiben", betonte Traub. Das Waiblinger Unternehmen hatte Anfang Februar die Pläne für den Neubau eines Werks in Ludwigsburg aus Kostengründen auf Eis gelegt. Daraufhin hatte Aufsichtsratschef Nikolas Stihl mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, dass selbst ein Standort in der Schweiz günstiger wäre als in Deutschland.
Die Schweiz wäre für Stihl günstiger als Deutschland
"Wir haben nie gesagt, dass wir in die Schweiz gehen", erklärte Traub nun. Bei der eingehenden Analyse habe sich gleichwohl gezeigt, dass die Schweiz als Standort günstiger sei als Deutschland. So lägen die Lohnkosten in dem Nachbarland um 15 bis 20 Prozent unter denen hierzulande. Hinzu komme die längere Arbeitszeit in der Schweiz. Nun müsse man neu überlegen, wo das Werk für die Produktion von Führungsschienen für Kettensägen entstehen soll, sagte der Vorstandschef. Die für Ludwigsburg geplante Produktion soll vorerst in Waiblingen stattfinden. Klar sei, das Deutschland der mit Abstand teuerste Standort sei. Hinzu komme der "Bürokratiewahnsinn", der die Unternehmen belaste. "Man muss schon ein ganz schöner Patriot sein, um in Deutschland zu investieren", sagte Traub.
Stihl baut in Rumänien ein Werk für rund 700 Mitarbeiter
Daher investiert das Familienunternehmen derzeit vor allem im Ausland. Im nächsten Jahr geht ein neues, 47.000 Quadratmeter großes Werk für Akku-Geräte in Rumänien an den Start, in dem bis 2028 rund 700 Mitarbeiter tätig sein sollen. Die Produktionsstätten in den USA und in Österreich hat Stihl auf die Fertigung von Akku-Geräten umgestellt. Und auch am Stammsitz in Waiblingen werden ab Mitte dieses Jahres Akku-Geräte hergestellt, die für das Unternehmen immer wichtiger werden. Aktuell erwirtschaftet Stihl im Heimatmarkt Deutschland noch rund zehn Prozent seiner weltweiten Umsätze.
Stihl muss erstmals seit Jahren einen Umsatzrückgang hinnehmen
Im vergangenen Jahr waren diese erstmals seit Jahren rückläufig. Stihl musst einen Umsatzrückgang um 4,1 Prozent auf 5,27 Milliarden Euro hinnehmen. Traub begründete diesen Rückgang vor allem mit der Konsolidierung der gesamten Branche nach dem starken Wachstum in den Corona-Jahren. Zum Ergebnis äußern sich die Waiblinger traditionell nicht. Es hätte besser ausfallen können, aber auch schlechter, sagte der Vorstandschef auf Nachfrage.
An der grundsätzlichen strategischen Ausrichtung des Motorsägen- und Gartengeräteherstellers hält Traub fest. "Stihl befindet sich auf gutem Weg, eine Spitzenposition im Akku-Segment einzunehmen", sagte er. Im vergangenen Jahr steigerte das Unternehmen den Absatzanteil an Akku-Geräten von 20 auf 24 Prozent. Bis 2027 soll dieser Anteil auf 35 Prozent steigen, bis 2035 auf 80 Prozent. Traub betonte zugleich, dass auch die mit Verbrennungsmotor arbeitenden Geräte weiterentwickelt würden. "Die werden wir noch lange brauchen", ist er sich sicher.
Stihl beschäftigt etwas mehr Mitarbeiter in Deutschland
Das deutsche Stammhaus, die Andras Stihl AG & Co.KG, musste im vergangenen Jahr sogar einen Umsatzrückgang von 11,4 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro hinnehmen. Die Zahl der Mitarbeiter stieg hingegen leicht auf 6003 an. Davon arbeiten 4268 in Waiblingen, 254 in Ludwigsburg, 494 in Fellbach, 904 in Weinsheim und 83 in Wiechs am Randen. Weltweit beschäftigt Stihl 19.805 Mitarbeiter, das sind 3,6 Prozent weniger als im Vorjahr.
Für das laufende Jahr rechnet der Stihl-Chef erst in der zweiten Hälfte ein leichtes Wachstum
Für das laufende Jahr äußerte sich Vorstandschef Traub verhalten optimistisch. "Unter den aktuellen Rahmenbedingungen erhoffen wir uns aus heutiger Sicht für das Jahr 2024 leichtes Wachstum in der zweiten Jahreshälfte", sagte der Manager. Im Fokus stehe die Entwicklung leistungsstarker Ladelösungen für Akku-Produkte, insbesondere für das Profi-Segment. Auch will Stihl spezielle Produkte für Schwellenmärkte entwickeln, um das dortige Marktpotenzial besser auszuschöpfen. In Afrika etwa konnte das Unternehmen im vergangenen Jahr gegen den Trend ein Absatzplus verzeichnen.
Das Unternehmen Stihl
Das Unternehmen wurde 1926 von Andreas Stihl gegründet. Seit 1971 ist Stihl die meistverkaufte Motorsäge der Welt. Das Waiblinger Familienunternehmen hält weltweit rund 2800 Patente und Patentanmeldungen. Stihl verfügt über Produktionsstandorte in sieben Ländern und betreibt 44 internationale Markt- und Vertriebsgesellschaften. Die Motorsägen und Gartengeräte von Stihl sind in mehr als 160 Ländern erhältlich. Die Eigenkapitalquote liegt bei 65,9 Prozent.