Joachim Kaltmaier, Herr über die Würth-Milliarden, geht in den Ruhestand
Finanzchef Joachim Kaltmaier verlässt den Konzern mit 61 Jahren - einfach, weil es für ihn noch etwas anderes im Leben als Zahlen gibt. Finanziell hatte er trotzdem immer ein glückliches Händchen. Und die Nachfolge ist auch schon geregelt.

Die Vorstellung der Würth-Bilanz am 4. Mai wird Joachim Kaltmaiers letzter Arbeitstag sein. Dass er dann nicht die 20 Milliarden Euro Umsatz vermelden darf, dass die Würth-Gruppe diese Marke um vergleichsweise lächerliche 67 Millionen Euro oder einen guten halben Arbeitstag verpasst hat, "das schmerzt mich gar nicht", sagt Kaltmaier. Zahlen, so macht er den Eindruck, sind nicht alles in seinem Leben. Dabei hat er sich so lange vor allem um sie gekümmert.
Es war ein langer, gemeinsamer Weg
Joachim Kaltmaier wirkt entspannt, schickt aber auch gleich vorweg, er habe noch nicht viele Einzelgespräche mit Journalisten geführt. Nur einmal im Jahr hatte er einen großen Auftritt, wenn er für die versammelte Wirtschaftspresse die Konzernzahlen kommentierte - doch mit denen überraschte er ja regelmäßig positiv.
Entspannt will er nun auch in den Ruhestand gehen. Mit 61 Jahren macht Kaltmaier Schluss, aus freien Stücken, wie er betont. Seit 25 Jahren begleitet er das Unternehmen. Ab 1998 als Wirtschaftsprüfer, von 2008 an als Finanzchef in der Geschäftsführung der Gruppe.
Wäre er etwas später gewechselt, hätte er eine sogenannte Cooling-off-Phase einhalten müssen, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Aber er ist sicher: "Interessenkonflikte gab es nicht, auch weil das alles so schnell ging damals. Keine Zeit für Gefälligkeiten." Wenige Wochen hatte er zur Entscheidung, ob er wechseln will.
Diese Entscheidung sollte eine leichte werden. "Ich habe das Unternehmen gekannt und wusste, da herrscht ein guter Umgang, ein gutes Miteinander." Als Wirtschaftsprüfer habe er gesehen, wie es in anderen Betrieben zugeht. Würth sei da eine Ausnahme, bis heute. Intrigen, zumindest auf seiner Ebene, gebe es nicht.
Bei der ersten Krawatte half die neue Chefin
Für einen Finanzer kein Problem auch die Krawattenpflicht im Hause Würth. "Die trage ich ja seit meinem ersten Arbeitstag als Lehrling", erzählt Kaltmaier. An jenem Tag, als er bei der Sparkasse Esslingen anfing, sei der Vater schon bei der Arbeit gewesen, die Mutter konnte nicht helfen. "Die Zweigstellenleiterin hat mir dann gezeigt, wie man die Krawatte bindet." Seitdem genehmigt er sich nur in der Sommerhitze mal eine Ausnahme - trotz des expliziten Wunsches von Reinhold Würth. "Er ist ja auch mal im Urlaub", sagt Kaltmaier ganz ohne sichtbar schlechtes Gewissen. So viel Anarchie darf offenbar sein.
Ansonsten geht es im Leben eines Chief Financial Officers in einem auf 86 000 Mitarbeiter angewachsenen Konzern darum, keine Fehler zu machen. Die können teuer werden.
Einmal hat Kaltmaier das erlebt. Er stellte einen Vorstand in der Überzeugung ein, dass dessen Zulassung durch die Bafin reine Formsache sein würde. Er bekam sie nicht, es musste eine Abfindung gezahlt werden. "Das hat mich auch persönlich geärgert", sagt der 61-Jährige. Am Ende war es aber wohl auch besser so, schickt er hinterher. Privat kann er sich an gar kein Missgeschick erinnern. Er habe sich auch von Telekom- und Wirecard-Aktien ferngehalten, als viele andere dort ihr Glück suchten.
Keine Weltreise, keine großen Pläne
Nach der Bilanzvorstellung geht es also nach Hause nach Schwäbisch Hall, wo unter anderem ein großer Garten auf ihn wartet. Die Weltreise steht nicht an. "Wir haben noch einen schulpflichtigen Sohn", sagt Kaltmaier. Zwei weitere Kinder sind schon erwachsen.
Auf die nächsten längeren Urlaube freut er sich aber. Seine Frau war in der Reisebranche tätig und hat offenbar einige Ziele auf der Liste. Und wenn er sich mal wieder als Heimwerker betätigt, dann werden ihn die Würth-Geräte an seinen alten Arbeitgeber erinnern. Ansonsten zieht er tatsächlich einen Schlussstrich: Bis auf die Aufsichtsratsposten beim Internationalen Bankhaus Bodensee (IBB), bei Würth Finance und der Waldenburger Versicherung werde er alle Funktionen abgeben, keinen Beratervertrag annehmen. "Wenn man aufhört, dann sollte man wirklich aufhören, auch im Interesse der Nachfolger."
Immerhin die Aussicht aus seinem Büro werde er vermissen. Von hier aus sieht man schon von weitem das Wetter von Westen her anrollen. Er hätte von hier aus auch gut zuschauen können, wie das neue Verwaltungsgebäude in die Höhe wächst - ein Turm in nachhaltiger Holzbauweise mit sichtbarer Würth-Verbindungstechnik. Doch das Projekt wurde verschoben, auch wegen des finanziellen Risikos in unsicheren Zeiten. Dafür sei er jedoch nicht allein verantwortlich, "das war eine Konsensentscheidung", betont Kaltmaier. Wie es sich abzeichnet, könnte die Verschiebung sogar Geld sparen. Wieder einmal Glück gehabt.
Der Nachfolger
Nachfolger von Joachim Kaltmaier als Finanzchef (CFO) in der Konzernführung der Würth-Gruppe ist Ralf Schaich. Der 49-Jährige begann seine Karriere 1998 beim Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Arthur Andersen, war ab 2002 dann knapp zwei Jahre bei Ernst & Young (EY) in Stuttgart und damit an beiden Stationen auch Kollege von Kaltmaier.
2004 wechselte Schaich als Leiter des Konzerncontrollings zu Würth. Diese Funktion bekleidet er bis heute. "Er ist also schon länger bei Würth als ich", unterstreicht Joachim Kaltmaier. Bis 2020 war Schaich zudem Mitglied im Stiftungsvorstand und wechselte 2021 in den Stiftungsaufsichtsrat bei Würth. Das Vertrauen der Familie genießt er also bereits.