Hohenloher Unternehmen sind wichtige Lieferanten für Beatmungsgeräte
In deutschen Krankenhäusern soll die Zahl der Intensivbetten in kürzester Zeit verdoppelt werden. Damit möglichst vielen Covid-19-Patienten geholfen werden kann, braucht es aber auch Beatmungsmaschinen - und an denen mangelt es. Bei der Lösung des Problems spielen die Ingelfinger Ventilhersteller Gemü und Bürkert eine wichtige Rolle.

Ärzte in Deutschland warnen, dass die Zahl der Intensivbetten bald schon nicht mehr ausreicht. 28.000 gibt es regulär in deutschen Krankenhäusern, 3246 davon in Baden-Württemberg. Eine Verdoppelung innerhalb kürzester Zeit ist das Ziel, um möglichst vielen Covid-19-Patienten helfen zu können, die auf maschinelle Beatmung angewiesen sind. Genau an diesen Beatmungsmaschinen mangelt es allerdings.
Eine Task Force bei der Landesregierung will solche Probleme jetzt angehen. Für alle ist es ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem die zwei Ventilhersteller aus Ingelfingen eine wichtige Rolle spielen. Sie sagen: Noch funktionieren die Lieferketten. Und genau das sollte die Politik auch sicherstellen.
Großauftrag für Beatmungsgeräte
Sechs Hersteller von Beatmungsgeräten kommen aus Deutschland, zwei davon aus Baden-Württemberg. Der Marktführer, die Lübecker Firma Dräger, plante vor Monaten noch den Abbau von Arbeitsplätzen. Jetzt soll Dräger für die Bundesregierung 10.000 Beatmungsgeräte liefern. Dazu kommen Aufträge für weitere 10.000 aus dem Ausland. Kurzfristig wird das nicht zu leisten sein, bis Ende des Jahres, so schätzt die Firma, wird es dauern.
Sind Teile aus dem 3D-Drucker die Lösung?
Für Aufsehen hatte zuletzt ein Fall in Italien gesorgt, wo Ventile aus einem 3D-Drucker genutzt wurden, um Beatmungsgeräte zu reparieren. Die Initiative einer kleinen Firma machte weltweit Schlagzeilen. Doch der Hintergrund war erschreckend. Denn viele Intensivbetten konnten wegen defekter Geräte nicht genutzt werden. Das soll in Deutschland nicht passieren. Diskutiert wurde deshalb darüber, wie man freigewordene Kapazitäten etwa bei Autoherstellern kreativ nutzen könnte.
Landesregierung gründet Task Force
Um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen, hat die Landesregierung jetzt eine Task Force gegründet, in der mehrere Ministerien gemeinsam mit den beiden Landesagenturen Biopro und E-Mobil zusammenarbeiten.
Auf Stimme-Anfrage erklärt Wirtschaftsministerin Nicola Hoffmeister-Kraut (CDU): "In der aktuellen Krise kommt es gerade im medizinischen Bereich darauf an, möglichst schnell auf knapp werdende lebenswichtige Produkte reagieren können." Dabei vertraue sie den "hochinnovativen Unternehmen" der unterschiedlichsten Branchen.
Umfrage unter den Akteuren
Vor zwei Wochen wurde eine Umfrage an Vertreter der Biotech- und Medizintechnik-Branchen, aber auch an Auto- und Maschinenbauindustrie verschickt - insgesamt 80 "relevante Akteure" im Land. Nach zahlreichen Rückmeldungen ging am Donnerstag zusätzlich eine Kooperationsbörse des Landes online. Ein aus Sicht der Beteiligten sinnvoller Schritt.
Koordinierungsplattform des Landes
Unter www.gesundheitsindustrie-bw.de wurde aktuell eine Kooperationsbörse für Unternehmen und Forschungseinrichtungen sowie regionale Cluster, Landesnetzwerke und Verbände eingerichtet, die jetzt sukzessive weiter zu einer Koordinierungsplattform ausgebaut wird. Es geht darum, in Erfahrung zu bringen, was Akteure aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen an Lösungsansätzen zur Bewältigung der Corona-Krise haben. Ziel ist es, diese landesweit rechtzeitig zu koordinieren und zu vernetzen, um daraus möglichst rasch politische Handlungsfelder ableiten zu können.
Doch manch originell anmutende Idee wie ein Ventil fürs Beatmungsgerät aus dem 3D-Drucker sollte hierzulande wohl (noch) nicht nötig sein. Das zumindest versichern die Ventilhersteller Gemü und Bürkert aus Ingelfingen, die mittendrin sind in der Lieferkette für Beatmungsgeräte und andere Medizintechnik, die derzeit so gefragt ist.
Gemü und Bürkert sind noch lieferfähig
Die Ingelfinger Firma Bürkert produziert beispielsweise Mess-, Steuer- und Regelungstechnik für Beatmungsgeräte. "Wir bekommen dazu jetzt vermehrt Anfragen und Aufträge, es ist ja ein weltweites Phänomen", sagt Bürkert-Chef Heribert Rohrbeck. Seit Wochen kümmere sich Bürkert darum, die Produktion und Lieferung der Komponenten sicherzustellen.
"Aber wir sind noch nicht an der Kapazitätsgrenze", betont Rohrbeck. Deshalb sei es aus seiner Sicht hierzulande auch nicht sinnvoll, jetzt völlig fachfremde Firmen wie Autohersteller damit zu beauftragen, etwas herzustellen, für das es bereits Spezialfirmen gebe. Allenfalls sei eine Zusammenarbeit der zwei hohenlohischen Spezialisten denkbar.
Zusätzliche Sicherheit durch alternative Lieferanten
Das bestätigt auch Gemü-Sprecher Norbert Neumann. "Wir haben hier sterile Prozesse, Zertifizierungen." Das alles könne man nicht einfach umgehen. Und es sei auch kaum möglich, innerhalb von vier Wochen andernorts die Produktion von solchen Bauteilen aufzunehmen. "Wir sind derzeit voll lieferfähig", versichert Neumann. Und die Firma sei dabei, sogenannte Second Sources zu aktivieren, also alternative Lieferanten.
"Jedes Beatmungsgerät rettet Menschenleben"
Bürkert-Geschäftsführer Rohrbeck ist sich dabei bewusst: "Jedes Beatmungsgerät mehr, das jetzt noch produziert werden kann, rettet Menschenleben. Aber wir dürfen deshalb nicht hektisch werden."
Er begrüßt die Vermittlung durch die Landesregierung, mit der er im Austausch stehe. Es gelte jetzt, Abläufe zu sichern und vor allem Lieferketten nicht zu unterbrechen. Dazu müsse auch die Politik ihren Teil beitragen. Eventuell könnten Arbeitskräfte vermittelt werden. "Aber wirklich gefährden würde es die Produktion, wenn jetzt eine Ausgangssperre käme."
In den USA, wo solche Ausgangssperren teilweise in Kraft sind, hat sich die Firma deshalb als "Essential Service Provider" registrieren lassen - als Firma, die unverzichtbare Dienstleistungen erbringt. Doch unter solchen Umständen weiterzuarbeiten, sei schwierig. "Man muss den bestehenden Lieferketten die Möglichkeit geben, ihre Arbeit zu verrichten", mahnt Rohrbeck.
Kontamination vermeiden
Die Hohenloher sind nicht nur wichtige Lieferanten für Beatmungsgeräte. Gemü ist in der Pharmabranche und in der Medizintechnik stark vertreten. Die Firma betont, dass für die Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen die permanente Überwachung der Produktionsparameter essenziell ist. Denn Zellkulturen oder Wirkstoffe dürfen nicht kontaminiert werden. Die für solche Prozesse notwendigen Anlagenkomponenten sind deshalb sterilisierbar, Membran- oder Membransitzventile sind aus Edelstahl gefertigt.
"Deutschland first" ist keine Option
Bürkert ist ebenso an der Produktion von Impfstoff-Abfüllanlagen beteiligt oder auch an Maschinen, die per In-vitro-Diagnostik Tausende Covid-19-Tests pro Tag vornehmen können. Beliefert wird beispielsweise auch der Impfstoffhersteller CureVac in Tübingen, auf dem so große Hoffnungen liegen.
CureVac und sein Investor Dietmar Hopp hatten sich zuletzt gegen die Vereinnahmung durch die USA gewehrt. Präsident Donald Trump persönlich hatte versucht, sich die Impfstoffherstellung exklusiv zu sichern. In gleicher Weise erteilt Bürkert-Chef Rohrbeck Überlegungen eine Absage, die Kapazitäten seiner Firma nun für den Bedarf in Deutschland zu reservieren. "Wir sind weltweit aufgestellt. Und wir beliefern auch in Krisenzeiten unsere Kunden in der ganzen Welt. Eine Einstellung wie die des US-Präsidenten ist mit unserer Firmenkultur nicht vereinbar."
Würth Elektronik liefert Leiterplatten
Neben den Ventilherstellern Gemü und Bürkert beliefert auch Würth Elektronik die Hersteller von Beatmungsgeräten. Würth Elektronik CBT produziert dabei Leiterplatten an den Standorten Niedernhall, Rot am See und Schopfheim. "Wir sind in der Lage, Aufträge kurzfristig anzunehmen, einzusteuern, reibungslos zu produzieren und zuverlässig zu liefern", erklärt Thomas Beck, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing. Damit die Produktion weiterhin gesichert ist, seien schon vor Wochen strenge Schutzmaßnahmen und Hygienevorschriften für alle Mitarbeiter eingeleitet worden.
Bosch entwickelt Corona-Schnelltest
Der Technologiekonzern Bosch hat nach eigenen Angaben einen Coronavirus-Schnelltest unter anderem für Krankenhäuser und Arztpraxen entwickelt. Das vollautomatische Verfahren zum Nachweis von Virenerbgut soll von der Entnahme der Probe bis zum Ergebnis weniger als 2,5 Stunden brauchen, wie Bosch am Donnerstag mitteilte. Bislang beträgt die reine Testzeit laut Robert Koch-Institut (RKI) etwa vier bis fünf Stunden. Der neue Test habe auf Sars-CoV-2 eine "Genauigkeit von über 95 Prozent". Der Test erfülle die Qualitätsstandards der Weltgesundheitsorganisation WHO.
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