Stimme+
Künzelsau
Lesezeichen setzen Merken

Bloß keine IG Metall: Reinhold Würth richtet sich vor der Betriebsratswahl an seine Mitarbeiter

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Es gab wieder einmal Post vom Chef: Der 87-jährige Reinhold Würth fürchtet den wachsenden Einfluss der Gewerkschaft in seinem Unternehmen. Metaller reagieren erst einmal betont gelassen.

Kurz vor der Betriebsratswahl empfiehlt Reinhold Würth seinen Mitarbeitern in einem Brief, nicht die Vertreter der IG Metall zu wählen.
Kurz vor der Betriebsratswahl empfiehlt Reinhold Würth seinen Mitarbeitern in einem Brief, nicht die Vertreter der IG Metall zu wählen.  Foto: Marijan Murat

Reinhold Würth hat seinen Mitarbeitern kurz vor der Betriebsratswahl am 10. Mai empfohlen, nicht die Vertreter der IG Metall zu wählen. In einem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, betonte er, dass das Unternehmen über Jahrzehnte ohne die Gewerkschaft bessere Konditionen für die Belegschaft geboten habe als andere Unternehmen. Die IG Metall will am 1. Mai in Schwäbisch Hall dazu öffentlich Stellung beziehen.

Die Gewerkschaft als gewinnorientiertes Unternehmen?

"Die gute Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden und der Geschäftsleitung möchte ich auch in Zukunft aufrechterhalten wissen", schrieb Reinhold Würth (87) an die Belegschaft seiner Adolf Würth GmbH & Co. KG (AWKG). Er empfahl deshalb, die "Stimme bei der Betriebsratswahl nicht jenen Kandidaten zu geben, die für die Einnahmenbilanz einer Gewerkschaft tätig sind". Der Brief lag bei rund 7000 Mitarbeitern vergangene Woche im Briefkasten.


Mehr zum Thema

Großbaustelle: Das neue Würth-Innovationszentrum wird im dritten Quartal 2022 eingeweiht. Rund 250 hochqualifizierte Mitarbeiter finden dort Platz. Foto: Privat
Stimme+
Künzelsau
Lesezeichen setzen

Würth wächst weit über seine Ziele hinaus


Bereits einige Tage zuvor hatte AWKG-Chef Norbert Heckmann in einem ersten Schreiben erläutert, dass sich acht der neun Listen, die zur Betriebsratswahl aufgestellt wurden, an die sogenannten "Werbegrundsätze" halten wollten. "Leider wollte sich die Vorschlagsliste der IG Metall nicht darauf einlassen."

Fairen Wahlkampf bescheinigt

Ein Metaller verteidigt gegenüber der Stimme die ablehnende Haltung. Das sei ein Eingriff in die Grundrechte der Gewerkschaft. Trotzdem habe man einen äußerst fairen Wahlkampf geführt, und das sei den Kandidaten sogar von den Firmenanwälten bestätigt worden, die den Wahlkampf überwachen.


Mehr zum Thema

Der Handelskonzern Würth ist trotz der Corona-Pandemie sehr erfolgreich unterwegs. Sorgen bereiten dem Management aber die hohen Rohstoffkosten.
Foto: dpa
Stimme+
Künzelsau
Lesezeichen setzen

Mehr Geld für Würth-Beschäftigte


Heckmann betont in seinem Brief ebenso wie Reinhold Würth, wie gut die Zusammenarbeit mit dem Vertrauensrat in der Vergangenheit gewesen sei. Die Belegschaft habe davon profitiert. "Es ist wichtig, dass (...) wir unser Handeln nicht von außen bestimmen lassen."

Diesen Punkt will Uwe Bauer, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Schwäbisch Hall, auf Anfrage unserer Zeitung nicht so stehen lassen. "Das ist komplett aus der Luft gegriffen." Auch ein Würth-Betriebsrat, der anonym bleiben möchte, erklärt: "Weder Uwe Bauer noch sonst ein IG Metaller hat jemals zu uns gesagt, dass wir bei Würth etwas durchsetzen sollen."

Bauer: "Wir verkaufen das geilste Produkt der Welt"

Der implizite Vorwurf des langjährigen Firmenchefs Würth, die IG Metall sei "im Grunde auch ein Unternehmen", das sich durch Mitgliedsbeiträge finanziere, nimmt Bauer sportlich. "Natürlich finanzieren wir uns durch Beiträge, das macht uns auch unabhängig." Aber wenn man die IG Metall schon mit einem Unternehmen vergleiche, dann müsse man auch dazusagen dürfen: "Wir verkaufen das geilste Produkt auf der Welt: Gute Arbeitsbedingungen."


Mehr zum Thema

Würth-Mitarbeiter haben erstmals einen Betriebsrat gewählt. Foto: dpa
Stimme+
Künzelsau
Lesezeichen setzen

Würth steigert Umsatz auch im Corona-Jahr


Dass die Bedingungen auch bei Würth gut sind, bestreitet keiner der Gewerkschafter. Doch Bauer kann den Ausführungen von Reinhold Würth, dass bei dem Schraubenhändler sowohl Arbeitsbedingungen als auch Bezahlung immer besser gewesen seien als in den Tarifverträgen der IG Metall vorgesehen, trotzdem nicht zustimmen. "Gerade im Außendienst geht ein Teil des unternehmerischen Risikos auf die Vertriebsmitarbeiter über." Zudem gebe es keine Beschäftigungs- und Entgeltsicherung für langjährige, ältere Mitarbeiter.

Haben SAP und EBM-Papst aufhorchen lassen?

Rätselraten, was der mögliche Auslöser für die zwei Briefe gewesen sein könnte. Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt die Würth-Sprecherin Sigrid Schneider: "Es gab keine besonderen Vorkommnisse als Anlass für dieses Schreiben. Anlass ist einzig die bevorstehende Betriebsratswahl. Der Betriebsrat hat die volle Unterstützung seitens des Unternehmens."

Die Gewerkschafter vermuten allerdings, dass das gute Abschneiden der IG-Metall-Listen beim Softwarehersteller SAP in Walldorf und beim Ventilatorenhersteller EBM-Papst im benachbarten Mulfingen das Firmenoberhaupt hat aufhorchen lassen.

Ein Metaller, der für die anstehende Wahl kandidiert, betont, dass sein "Chef" natürlich das Recht habe, seine Meinung auf diesem Wege mitzuteilen. "Hier hat auch niemand vor, der Firma Würth zu schaden." Die Mitarbeitervertretung habe in der Vergangenheit kein Vetorecht gehabt und so automatisch "konfliktfrei" agiert. Dass sie plötzlich auch Stopp sagen könne, sei für manchen gewöhnungsbedürftig. Doch um diesen Lernprozess komme man nicht herum.

Liebgewonnene Traditionen

Die Adolf Würth GmbH & Co. KG (AWKG) hatte 35 Jahre lang statt eines Betriebsrats einen sogenannten Vertrauensrat. Dieses Gremium wurde von der Belegschaft gewählt, hatte aber kein Mitbestimmungsrecht wie eine nach dem Betriebsverfassungsgesetz konstituierte Mitarbeitervertretung. Die Tradition endete 2019, als der erste Betriebsrat gewählt wurde - auf Betreiben eines inzwischen ausgeschiedenen AfD-Aktivisten.

Zur guten Tradition im Unternehmen gehört auch, dass sich Reinhold Würth schriftlich und direkt an seine Mitarbeiter wendet. Taktieren ist seine Sache dabei nicht. Die "Brandbriefe", die mal auf Papier, mal per Mail kommen, sorgten in der Vergangenheit schon mehrfach für Schlagzeilen. Manchmal gibt es Lob, mal hat er auch gute Tipps für seine Verkäufer parat, manchmal lässt er aber auch "Dampf rein", wie er selbst es schon formuliert hat. Dann fordert er beispielsweise Umsatzsteigerungen von 25 Prozent und mehr von seiner Mannschaft.

In seiner aktuellen Stellungnahme zur Betriebsratswahl weist er auch auf die guten Leistungen für die Mitarbeiter hin. So habe es 2021 beispielsweise für jeden eine Corona-Prämie von 1500 Euro gegeben. Obendrein habe es noch eine Prämie von 275 Euro gegeben.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben