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E-Mobilität im Selbstversuch: Auf jede Eile folgt die Ladeweile

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Ein Elektroauto unterscheidet sich in vielen Details vom klassischen Verbrenner. Schon fürs Gasgeben braucht man eine Anleitung. Selbstversuch mit Tipps einer erfahrenen E-Mobilistin.

Anja Leipold mit einem Kaffee am Untergruppenbacher Rathausplatz: So lässt sich die Ladezeit sinnvoll nutzen.
Anja Leipold mit einem Kaffee am Untergruppenbacher Rathausplatz: So lässt sich die Ladezeit sinnvoll nutzen.  Foto: Gleichauf, Christian

Es fängt schon damit an, dass man wissen muss, welchen Stecker man als erstes herauszieht. Den am Fahrzeug oder den an der Ladesäule? Den am Fahrzeug! Dass man so etwas lernen muss, überrascht mich nicht. Schließlich dürfte auch jeder, der noch nie Verbrennerautos betankt hat, schon mit dem Festhakeln der klassischen Zapfventilautomatik überfordert sein. Doch als ich den Stecker am Auto auch noch per Schlüssel entriegeln muss, merke ich, dass man ohne fachkundige Anleitung hier nicht weit kommt.

Ihr kommt kein Verbrenner mehr in die Garage

Es ist nicht meine erste Fahrt mit einem E-Auto. Doch bisher waren die Fahrzeuge betankt, man bekam den Schlüssel in die Hand gedrückt und durfte eine Runde drehen. Doch worauf es wirklich ankommt, zeigt mir an diesem Nachmittag Anja Leipold.

Sie ist leidenschaftliche E-Mobilistin, und das nicht nur wegen ihrer beruflichen Aufgabe als Pressechefin des Heilbronner Energieversorgers Zeag. "Ich bin seit sechs Jahren elektrisch unterwegs, das ist mein dritter Zoe", sagt sie über ihren Renault. Verbrenner dürften ihr nicht mehr in die Garage kommen, denn das Fahrgefühl eines E-Autos möchte sie nicht mehr missen, mit Reichweite und Leistung ist sie inzwischen zufrieden.

Zündschloss eines Autos, das nicht mehr zündet

Ich steige in eines der Carsharing-Fahrzeuge, die die Zeag in Heilbronn und Umgebung vorhält. Normalerweise muss man sie per App reservieren und kann sie auf diesem Weg auch öffnen.

Es ist ein E-Golf, der letztlich doch ganz ähnlich funktionieren dürfte wie ein normaler Golf, schließlich ist es kein ganz neu gedachtes Auto wie der Zoe oder gar ein Tesla. Der Schlüssel kommt hier ins Zündschloss, das gar nichts mehr zünden soll. Umdrehen, Rückwärtsgang rein und - nichts.

Vorsichtig drücke ich das Gaspedal weiter durch. Nichts. Muss ich jetzt die Anleitung durchlesen? "Haben Sie den Schlüssel umgedreht?", fragt Anja Leipold. Ja, sage ich, es zeigt auch alles an auf der nur halb-digitalen Instrumententafel. Aber falsch gedacht. Ich habe nicht weit genug gedreht.

Beschleunigung wie beim Porsche

Los geht's. Wie bei den letzten Fahrten merke ich, wie gewöhnungsbedürftig die Beschleunigung auf den ersten Metern ist. Wenn die Ampel auf Grün springt, sollte der Fuß sachte eingesetzt werden, will man nicht umgehend im Kofferraum des Vordermanns zum Stehen kommen. So geht es Porsche-Fahrern wohl dauernd.

Je ungestümer man das Gaspedal behandelt, desto schneller ist wieder Laden angesagt. Wir simulieren das an diesem Nachmittag, auch wenn die Batterie noch einiges hergeben würden. Es geht schließlich ums Kennenlernen der Technik. In Untergruppenbach gibt es auf dem Rathausplatz seit Oktober eine Ladestation der Zeag, an der die Carsharing-Fahrzeuge kostenlos geladen werden können. Hier heißt es also: Anstöpseln und warten, während der Strom fließt.

Auf die richtige Einstellung kommt es an

Apropos warten: Mit einem Kaffee in der Hand kommt Anja Leipold aus der Bäckerei gegenüber. "Jetzt lernen Sie auch mal die Ladeweile kennen." Denn verbunden mit der Elektromobilität ist häufig eine andere Einteilung der Fahrt. "Wenn wir schon anhalten müssen, um die Batterien aufzufüllen, dann wollen wir auch ein schönes Plätzchen dafür finden", sagt sie. So wie hier.

Die richtige App macht es einfacher

 Foto: Gleichauf, Christian

Um die Infrastruktur optimal nutzen zu können, gibt es verschiedene digitale Helferchen. Fahrzeuge wie der Zoe haben Ladestationen in ihrer eingebauten Navigation hinterlegt. Von der EnBW gibt es die neue E-Mobility-App, die nicht nur den Weg zu 150.000 Ladepunkten weist, sondern auch gleich überprüft, wo ein Plätzchen frei ist und mit wie viel Leistung geladen werden kann. Denn hier sind die Unterschiede groß. Aber auch eine theoretisch mögliche Ladeleistung ist nie garantiert.

In der Community hat sich zudem die Plattform Goingelectric.de einen Namen gemacht. "Dort gibt es Fotos der Ladesäulen und auch von der Umgebung, so dass man weiß, wonach man suchen muss", sagt Leipold. Und das sei auch ganz hilfreich, wenn man sich ein schönes Fleckchen sucht - für die Ladeweile.

 

Vereinheitlicht

Der ADAC beklagt die vielen Abrechnungssysteme an den Ladestationen sowie die großen Preisunterschiede, unter anderem weil Anbieter nach Zeit abrechnen anstatt nach getanktem Strom. Anfangs waren die Stromtankstellen dagegen oft umsonst, erinnert sich Anja Leipold. "Dafür standen aber regelmäßig Verbrenner in den vorgesehenen Parkbuchten. Jetzt dürfen die wenigstens direkt abgeschleppt werden." Zwischenzeitlich hat sich viel getan, findet die Talheimerin. Vor wenigen Jahren habe man noch ein Bündel von Karten benötigt, um unterwegs flexibel Strom tanken zu können. Inzwischen habe sich das verbessert. Auch der Kabelsalat hat sich gelichtet, durchgesetzt hat sich hier der Stecker Typ 2. Für schnelles Laden braucht es den um zwei weitere Kontakte erweiterten CCS-Stecker. Und für die normale Steckdose bei Freunden oder zu Hause gibt es entsprechende Adapter.

 

 
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