Audi A2: Ein Auto aus Neckarsulm, das seiner Zeit voraus war
Das Aluminium-Auto Audi A2 polarisierte von Anfang an. Nach wenigen Jahren wurde die Produktion am Standort Neckarsulm bereits wieder eingestellt. Heute ist das Modell ein gefragter Gebrauchtwagen. Ein Blick zurück.
Alle Welt spricht derzeit vom Elektroauto und der deutlichen Reduzierung von CO2-Emissionen. Die immer strengeren Grenzwerte in der Europäischen Union sorgen für mächtig Unruhe in den Vorstandsetagen. Allein mit Verbrenner-Modellen ist das nicht zu schaffen. Dabei gab es doch schon ein Fahrzeug, dass nur drei Liter verbraucht, schrieb unlängst unser Leser Rainer Braun aus Heilbronn. Er erinnert an den Minivan A2 von Audi, der im Jahr 2000 auf den Markt kam.
Groß sind die Erwartungen, als der Audi A2 im Juni 2000 zu den Händlern rollt. Erfüllt hat er sie allerdings nicht. Nach nur fünf Jahren lief 2005 das letzte Exemplar des Alu-Autos vom Band. Keine Frage: Der A2 war seiner Zeit weit voraus. Unter der Bezeichnung W10 liefen im Audi-Design seit 1994 Arbeiten an einem visionären Kleinwagenprojekt, dessen Lastenheft als oberste Priorität Gewichtssenkung durch konsequenten Leichtbau vorsah.

Audi A2: Werk Neckarsulm profitierte vom Know-how in Sachen Leichtbau
Noch heute denken viele Audianer im Werk Neckarsulm an diesen einen kalten Novembertag des Jahres 1997 zurück. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht, dass der A2 im Unterland gebaut werden soll. Bis zuletzt ist das VW-Werk Mosel mit im Rennen um diese Zukunftsaufgabe. Letztlich gibt das Know-how in Sachen Leichtbau den Ausschlag für Neckarsulm.
Die Ingenieure hatten bereits bei der Aluminiumkarosserie für das Topmodell A8 ihr Können unter Beweis gestellt. Nun also der A2. Ein kleines Auto bringt zunächst große Freude in die Region.
Audi A2: Über Nacht ein drittes Standbein für Neckarsulm
Audi Neckarsulm, Mitte der 70er-Jahre auf der Kippe und auch sonst oft genug in der Diskussion, hat über Nacht ein drittes Standbein. Ein Auto mit überraschend viel Platz für vier Personen, nur 895 Kilogramm schwer. „Der A2 ist Audis Angebot für moderne Mobilität im 21. Jahrhundert“, erklärte der damalige Vorstandschef Franz-Josef Paefgen zur Markteinführung der neuen Baureihe im Jahr 2000.
Designpreise für Audi – Für manche ist der A2 aber eher ein "Brotkasten"
Es ist schon eine verflixte Geschichte: Für sein Design bekommt der A2 mehrfach die höchsten Preise und Auszeichnungen, dennoch polarisiert er die Autogemeinde wie kaum ein anderes Modell. Optisch passt er so gar nicht zum Anspruch der Marke mit den vier Ringen, sich ein sportlicheres Image zu verpassen. Als Ferdinand Piëch, damals VW-Chef, das Auto als „Brotkasten“ bezeichnete, ist sein Schicksal besiegelt.
Warum die Produktion des A2 für Audi ein Verlustgeschäft war
Technisch innovativ ist der Minivan aber ohne Frage. Die geplanten Stückzahlen von 60.000 Autos pro Jahr hat er dennoch nie erreicht. Sein bestes Jahr der kompakte Audi 2001, als der Absatz mehr als 49.000 Fahrzeuge erreicht. Der Grund für die insgesamt schwache Nachfrage: Die Kosten sind zu hoch. Die Aluminium-Technik ist teuer, die Plattform des A2 lässt sich im VW-Konzern für kein zweites Modell verwenden. Audi zieht damals die Notbremse.

Dabei ist der A2 einmalig: Nach dem Flaggschiff A8 produziert Audi als erster Hersteller ein neues Fahrzeug in Großserie komplett aus Aluminium. Bald glänzt Audi sogar mit einem Drei-Liter-Auto. Aber die Leichtbau-Technik hat eben ihren Preis. Gut 32.000 Mark kostet der A2 seinerzeit, eine Menge Geld. Profitabel ist der Wagen trotzdem nicht. Vom ersten Tag an, so schätzen Branchenkenner, macht der Hersteller pro Auto um die 2000 Euro Verlust.
Audi A2: Vom Öko- zum Lifestyleauto
Technologisch wird der A2 zwar dem Anspruch des Marken-Mottos „Vorsprung durch Technik“ gerecht, doch ansonsten ist er heute mehr denn je von den Markenwerten Audis entfernt. Manche hätten ihn lieber als W10, der internen Bezeichnung, verkauft. Als gar nichts anderes mehr hilft, wandeln die Marketingstrategen den A2 vom Öko- zum Lifestyleauto. Aber peppige Lackierungen, Werbung mit Sportlern und Promis sowie weitere Motorvarianten allein helfen nichts. Die Verluste summieren sich weiter. An der Preisschraube kann Audi nicht mehr drehen. Aus, vorbei.
Neuauflage des Audi A2 war bereits geplant
Wehmut macht sich in Neckarsulm breit, als 2005 das letzte Exemplar des A2 vom Band rollt. Fortan konzentriert sich das Werk auf die hochpreisige und renditestarken Oberklassemodelle A6 und A8. Im September 2006 stellt die VW-Tochter den Sportwagen R8 vor. Er markiert den vorläufigen Höhepunkt, die Marke auf Augenhöhe mit BMW und Mercedes zu bringen. Der Zweisitzer wird damals in Neckarsulm produziert. So ganz gibt man intern das Thema A2 nicht auf. Im Gegenteil: In den Folgejahren nimmt das Thema unter Führung des damaligen Vorstandschefs Rupert Stadler wieder Fahrt auf.
„Neue Herausforderung für Neckarsulm“, titelt die Heilbronner Stimme am 3. März 2010. Wie unsere Zeitung damals exklusiv erfährt, soll im Jahr 2014 eine Neuauflage des A2 starten – dieses Mal mit einem sportlicheren Design, erneut einer Leichtbaukarosserie, aber mit Elektroantrieb. Audi dementiert seinerzeit den Bericht der Stimme. „Eine Neuauflage des A2 ist eine Frage der Ertragschancen, denn wir müssen mit jedem Auto Geld verdienen“, sagt der damalige Audi-Chef Rupert Stadler.

Neue Karosserie des Audi A2 war schon serienreif
In der Technischen Entwicklung tüfteln die Ingenieure, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Um nicht wieder die Fehler aus der Vergangenheit zu begehen, soll die zweite Generation des A2 neben dem sportlicheren Design eine Karosserie in Mischbauweise erhalten. Ein Mix aus Aluminium, Stahl und Kunststoffen soll ebenso leicht sein wie damals, aber deutlich günstiger. Die Karosserie wird damals im Aluminium- und Leichtbauzentrum in Neckarsulm entwickelt und ist nahezu serienreif.
Audi zeigt 2011 A2-Studie mit E-Antrieb
Im September 2011 präsentiert Audi auf der Messe IAA in Frankfurt die Studie A2 Concept als Ausblick auf das Serienfahrzeug. „Mit der Technikstudie A2 Concept gibt Audi einen Ausblick auf das elektrische Fahren in den Megacitys der Zukunft. Der rein elektrisch angetriebene A2 Concept ist ein klassisches Raumkonzept – ein Premiumfahrzeug für Ballungsräume mit großzügigem Platzangebot und ruhigem Auftritt“, hieß es seinerzeit offiziell von Audi. Das Feedback des Publikums und der Presse ist sehr positiv. Am Ende kommt es aber doch anders: Die Absatzerwartungen sind zu gering, das Projekt wird gestoppt.
Audi A2 hat mittlerweile Kultstatus erreicht
Bleibt nur der Blick zurück. Seine Liebhaber hat der A2 allen Unkenrufen zum Trotz im Lauf der Jahre dennoch gefunden. Es gibt sogar einen eigenen Audi-A2-Club, der immer wieder in Neckarsulm vorbeischaut. Die Meinungen der Clubmitglieder und eine Umfrage des Magazins „Motor Klassik“ zeigen es: Der A2 hat längst Kultstatus erreicht und ist ein Klassiker. Von dem Technologievorsprung, den sich Audi mit dem Alu-Auto erarbeitet hat, haben auch andere Modelle profitiert. In fünf Jahren verließen exakt 176.377 Audi A2 die eigens für dessen Produktion errichtete Halle A14 im Werk Neckarsulm.
Audi plant vollelektrisches Einstiegsmodell
Nachdem der erste A2 gescheitert war, setzte Audi ab 2010 auf den Kleinwagen A1 als Einstiegsmodell. Seit 2018 ist die zweite Generation auf dem Markt. Einen Nachfolger wird es indes nicht geben. Gleiches gilt für das kleinste SUV Q2. Audi arbeitet derzeit an einem vollelektrischen Einstiegsmodell, das in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts am Stammsitz in Ingolstadt vom Band rollen wird. Der Wagen soll von der Größe her die Maße des heutigen A3 besitzen, etwas höhergelegt sein und mindestens 500 Kilometer Reichweite haben.