Zukunft des Rheinmetall-Standorts Neckarsulm ungewiss – Widerstand gegen Verkauf
Der Technologiekonzern Rheinmetall legt den Fokus auf das Rüstungsgeschäft. In der Region Heilbronn wären KS Huayu Alutech und Motorservice International mit rund 1540 Beschäftigten von einem Verkauf betroffen.
Der Technologiekonzern Rheinmetall treibt den Verkauf seines zivilen Geschäfts voran. Offenbar laufen gerade Verkaufsgespräche über das Joint Venture KS Huayu Alutech in Neckarsulm. Ein Branchenkenner spricht von einem „aktiven Verkaufsprozess“. KS Huayu Alutech ist ein Auftragsfertiger für Gussteile und Leichtbaukomponenten und Ingenieurdienstleister für komplexe Gussverfahren. Zu den Kunden der Neckarsulmer gehören vor allem nationale und internationale Premium- und Luxushersteller. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 1000 Mitarbeiter in Neckarsulm.
Rheinmetall: Autozulieferer haben keine Wachstumschancen
Rheinmetall weist auf Stimme-Anfrage darauf hin, dass Automobilzulieferer in Deutschland kaum mehr eine Wachstumschance hätten. „Deshalb ist die Automobilzulieferung aus strategischer Sicht kein Teil des Rheinmetall-Kerngeschäfts mehr“, so ein Konzernsprecher. Der Vorstand prüfe derzeit „neue Lösungen für die Aktivitäten der zivilen Division Power Systems“. Der Konzern erhalte seit einiger Zeit Kaufanfragen von potenziellen Interessenten und führe in einem kompetitiven Prozess Gespräche mit mehreren Bietern.

„Rheinmetall verfolgt das Ziel, den zivilen Bereich mit allen zugehörigen Standorten – dazu gehört auch das Joint Venture mit Hasco, die KS Huayu Alutech in Neckarsulm – in gute Hände zu geben und prüft daher alle Möglichkeiten mit größter Sorgfalt“, heißt es aus Düsseldorf. Dies sei auch beim Verkauf der Großkolbensparte 2022 und der Kleinkolben 2024 gelungen, betont der Sprecher. Neben KS Huayu Alutech ist Rheinmetall in der Region mit dem Ersatzeilgeschäft Motors Service International (MSI) in Neuenstadt tätig, wo rund 540 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Rheinmetall-Betriebsrat und IG Metall lehnen Verkauf des zivilen Bereichs ab
Zwar ist bei Rheinmetall die Grundsatzentscheidung gefallen, sich vom zivilen Geschäft zu trennen, um sich voll auf die boomende Verteidigungssparte zu konzentrieren. Dennoch wollen sich Betriebsrat und IG Metall damit nicht abfinden. Für die Arbeitnehmervertreter liegt die Zukunft im Zusammenhalt der beiden Bereiche und nicht im Verkauf. Das haben der Europäische Betriebsrat und der Konzernbetriebsrat von Rheinmetall in einem Anfang Juli erstellten Positionspapier deutlich gemacht. „Der Europäische Betriebsrat, der Konzernbetriebsrat sowie Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Rheinmetall AG sprechen sich geschlossen und ausdrücklich gegen einen Verkauf des zivilen Geschäftsbereichs aus“, heißt es in dem Papier.
Arbeitnehmervertreter sehen besondere Verantwortung von Rheinmetall
Die Arbeitnehmervertreter sehen Rheinmetall in einer besonderen Verantwortung der Gesellschaft und der Belegschaft gegenüber. Denn die Rekordgewinne des Unternehmens basierten fast ausschließlich auf Aufträgen staatlicher Kunden – finanziert durch Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger. „Ein Konzern, der von öffentlichen Mitteln in diesem Umfang profitiert, hat eine soziale Verantwortung“, heißt es in dem Schreiben. Die Beschäftigten hätten diesen Erfolg mit aufgebaut und verdienten Sicherheit, Perspektiven und Beteiligung.
Der zivile Bereich stehe für Zukunft, Nachhaltigkeit und friedliche industrielle Innovation. Mit seinen Lösungen zur Dekarbonisierung leiste er einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. „Diese Aktivitäten unterstreichen, dass Rheinmetall nicht allein für Rüstung steht, sondern auch als Innovationstreiber für eine lebenswerte Zukunft agiert“, heißt es in dem Papier. Ein Verkauf des zivilen Bereichs widerspreche dieser Werteorientierung von Rheinmetall fundamental.
Rheinmetall: Ziviler Bereich unterstützt bereits militärischen Bereich bei der Abarbeitung der Auftragsflut
Die Arbeitnehmervertreter verweisen darauf, dass der zivile Bereich bereits heute dazu beitrage, dass die Verteidigungssparte die Auftragsflut bewältigen könne. So unterstützen Entwickler aus dem zivilen Bereich bei der Automatisierung von Produkten und Anlagen. Dieses Know-how sei entscheidend für die Skalierbarkeit und Zukunftsfähigkeit des Konzerns. „Eine Hybridstrategie mit zwei Säulen ganz im Sinne von One Rheinmetall kann Unterauslastungen abfedern und Aufträge aus dem militärischen Bereich integrieren – dies muss aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus als Chance begriffen werden, nicht als Grund für eine Abspaltung des zivilen Geschäfts“, schreiben die Arbeitnehmervertreter.
Arbeitnehmervertreter mit klaren Forderungen an den Rheinmetall-Vorstand
In dem Schreiben formulieren sie auch ihre Forderungen an den Rheinmetall-Vorstand. Der zivile Bereich müsse als fester Bestandteil des Konzerns erhalten und strategisch weiterentwickelt werden. Die Hybridisierung müsse fortgeführt werden und die zivilen Kapazitäten müssten in sicherheitsrelevante Produktion eingebunden werden. Der Konzern müsse zudem in Produkte, Mitarbeiter und Technologien investieren und Beschäftigung, Standorte und tarifliche Standards sichern. „Wir erwarten: Verantwortung statt Veräußerung. Zukunft im Konzern – nicht auf dem freien Markt.“