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Freiwilligenprogramm zum Stellenabbau fällt R. Stahl auf die Füße 

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Um seine Personalkosten zu reduzieren und sich für die Zukunft zu rüsten, hatten Geschäftsführung und Betriebsrat von R. Stahl sich auf ein Freiwilligenprogramm verständigt. Doch das ging nach hinten los.  


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Der Explosionsschutzspezialist R. Stahl steht vor einem Stellenabbau. Um seine Kostenstruktur an die rückläufige Nachfrage anzupassen und die Profitabilität zu sichern, hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Waldenburg schon vor einigen Wochen nach eigenen Angaben entsprechende Maßnahmen eingeleitet.

Zuvor hatten sich Betriebsrat und Geschäftsführung darauf verständigt, dass der Abbau auf freiwilliger Basis stattfinden soll und glaubten, eine für alle Seiten gute Lösung gefunden zu haben.

Waldenburg: R. Stahl kämpft mit Stellenabbau – Freiwillige fehlen trotz Plan

Doch die Kalkulation der beiden Betriebsparteien geht nicht wie erhofft auf: Von den 83 Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen sollen und auf einer entsprechenden Liste stehen, möchte nur rund die Hälfte freiwillig gehen.

„Bis heute haben 43 Mitarbeiter unterschrieben“, verrät Personalleiter Holger Angrick bei einem Gespräch mit der Heilbronner Stimme. Ursprünglich, so die Hoffnung, die auch der Betriebsrat um den Vorsitzenden Klaus Erker und seine Stellvertreterin Eva Maria Beck teilt, hätte die Maßnahme bereits abgeschlossen sein sollen.

Betriebsrat beklagt: In eine Eskalation gezogen, die man nie wollte

Doch mit der Betriebsversammlung Mitte Mai, auf der die Belegschaft über die Vereinbarung unterrichtet wurde, habe sich eine Dynamik ergeben, die für Unruhe und Verunsicherung bei den Mitarbeitern sorgt. „Wir werden von innen und außen boykottiert“, sagt Erker – und spricht von falschen Informationen, die die IG Metall Schwäbisch Hall gestreut haben soll. Hatten Betriebsrat und Geschäftsführung bisher mit der Bezirksdirektion in Stuttgart gesprochen und verhandelt und auch gute Erfahrungen gemacht, mischte stattdessen nun die regionale Geschäftsstelle der IG Metall mit.

Und das in einem fragwürdigen Stil, wie selbst der Betriebsrat findet. Zur Versammlung tauchte kurzfristig ein Gewerkschafter auf, der nicht im Thema war. Zudem sei hintenrum von der IG Metall Schwäbisch Hall Stimmung gegen die Vereinbarung gemacht worden. „Ohne vorher auf den Betriebsrat zuzukommen, da hat keine Kommunikation stattgefunden“, beklagt Eva Maria Beck. Aus dem erhofften positiven Start wurde nichts, im Gegenteil: „Wir sind in eine Eskalation hineingezogen worden, die wir nicht gewollt haben“, sagt Klaus Erker. Auf Anfragen der Heilbronner Stimme hat die IG Metall nicht reagiert.

Ursprünglich wollten die Betriebsparteien die Weichen rechtzeitig stellen

Dem Betriebsratsvorsitzenden, der bereits seit 1979 bei R. Stahl arbeitet, bei den Mitarbeitern gerne von „meinen Leuten“ spricht, bricht es das Herz, wie er aus dem Krankenstand heraus emotional schildert. Angesichts des einbrechenden Auftragseingangs im eigenen Unternehmen und der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland mit massenhaft Entlassungen habe der Betriebsrat im Sinne der Mitarbeiter rechtzeitig die Weichen richtig stellen wollen, um eben betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Gemeinsam mit der Geschäftsführung. „Es ist die Zeit des Zusammenrückens. Wir sitzen im selben Boot. Lasst uns in die gleiche Richtung rudern.“

„Wir werden von innen und außen boykottiert.“

Klaus Erker

Dass das börsennotierte Unternehmen handeln musste, lag auf der Hand. Der rückläufigen Nachfrage stehen hohe Fixkosten gegenüber. „Unsere Personalkosten liegen bei weit über 40 Prozent, das ist einfach zu viel“, sagt Personalleiter Holger Angrick. An der allgemeinen Kostenstruktur habe der Explosionsschutzspezialist zuletzt viel verändert, die Materialkosten beispielsweise habe man inzwischen im Griff. Nur beim Personal hatte R. Stahl in der Vergangenheit bisher auf Restrukturierungsmaßnahmen verzichtet. „Auch weil kein Geld da war“, sagt Angrick mit Blick auf das Anfang des Jahrzehnts stark geschrumpfte Eigenkapital.

Betriebsratschef von R. Stahl sorgt sich vor knallharten Konsequenzen

Die Idee sei nun gewesen, Stellen freiwillig abzubauen. Mit entsprechendem Sozialplan und Interessenausgleich sowie der Gründung einer Transfergesellschaft. In erster Linie sollten rentennahe Mitarbeiter erreicht werden, die bei einem nur auf Sozialplan ausgerichteten Stellenabbau nicht erreicht worden wären. Stattdessen hätte es die Jüngeren getroffen, die aber will das Unternehmen für seine Zukunftsfähigkeit erhalten. „Wir wollten das beste für die Mitarbeiter rausholen und denen, die in Rente gehen wollen, einen goldenen Übergang ermöglichen“, sagt Eva Maria Beck.

Das Unternehmen bietet eine nach Alter und Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindung an, die aber bei 50.000 Euro gedeckelt ist. Man sei nicht der Daimler, sagt Personalleiter Holger Angrick mit Blick auf die begrenzten Mittel der Hohenloher. Insgesamt koste der Stellenabbau, zu der auch die Kosten für die Transfergesellschaft gehören, bis zu vier Millionen Euro. Wie es angesichts des mäßigen Erfolgs nun weitergeht, ist offen. Klar ist, dass 43 wegfallende Stellen zu wenig sind, macht Angrick deutlich. Für Klaus Erker ist klar: „Das Unternehmen muss irgendwann knallhart durchziehen, das macht mir Sorgen.“

Weltweit arbeiten 1700 Menschen für den Explosionsschutzspezialisten R. Stahl. Rund 1100 sind es am Sitz in Waldenburg, 120 im Leuchtenwerk in Weimar. 2024 hatten Gewerkschaft, Geschäftsführung und Betriebsrat einen Zukunftstarifvertrag geschlossen, um den Standort und die Beschäftigung zu sichern. Statt 35 Stunden pro Woche, arbeiten Mitarbeiter bei R. Stahl weiterhin 37 bei gleichem Gehalt. Dafür haben sie einen Urlaubstag mehr – und auch das Prämienmodell wurde ausgeweitet.

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Kommentare

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am 05.08.2025 11:32 Uhr

Wir sind in der Hotellerie-, und Gastronomiebranche und unsere Personalkosten liegen bei weit über 40 %. Ich, als Betriebsinhaber schlage da nicht zu Buche, da ich bekomme, was am Ende übrig bleibt. Da wir ohnehin im Vergleich zu dem was in anderen Branchen bezahlt werden kann an der unteren Gehaltsgrenze liegen schmerzen 40 % Sozialabgaben auf die Löhne mit Arbeitgeberanteil besonders stark. Dann gehen ca. 19 % an Umsatzsteuer sowie Gewerbesteuer und natürlich auch noch Einkommensteuer und vieles mehr ab. Trotz 5 Millionen Menschen im Bürgergeld suchen wir händeringend nach Köchen und Rezeptionsmitarbeitern. Jetzt entlassen große Unternehmen massiv Mitarbeiter die letztendlich auch nicht mehr ins System einzahlen sonder sogar Bezieher werden. Wenn nicht bald unser Sozialsystem grundlegend reformiert wird und unsere Verwaltung verschlankt und effizienter gestaltet wird geraten kleine und mittlere Unternehmen in eine Todesspirale die alles mit sich reißen wird.

Jürgen Mosthaf

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