Stimme+
Wolfsburg/Stuttgart
Lesezeichen setzen Merken

Neuer VW-Chef Oliver Blume: belastbar, bescheiden, beharrlich

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Der neue VW-Boss hat seine Fähigkeiten im Konzern in den vergangenen drei Jahrzehnten immer wieder unter Beweis gestellt. In den kommenden Monaten hat er vor allem zwei große Aufgaben zu lösen.

Mit hohen Belastungen kennt sich Oliver Blume aus. Der designierte Chef des VW-Konzerns hat zahlreiche Freizeit-Triathlons und Langstreckenläufe hinter sich, bei 21-Kilometer-Halbmarathons kommt er dem Vernehmen nach an die 90-Minuten-Marke. Die dabei erwiesene Belastbarkeit kann der 54-Jährige an der Spitze des Zehn-Marken-Konzerns mit knapp 120 Standorten und mehr als 600.000 Mitarbeitern weltweit gut gebrauchen. „Unser Laden ist kein Schnellboot, das ist oft eher ein schwerer Tanker“, sagt einer aus Wolfsburg, der schon auf vielen Top-Positionen gearbeitet hat. Viel Zeit zur Eingewöhnung werden sie dem Neuen nicht lassen. Zu groß, zu umfangreich sind die Herausforderungen und Probleme. Das nötige Netzwerk hat Oliver Blume. Seit fast 30 Jahren ist der großgewachsene, schlanke Mann im VW-Konzern tätig. Nach seinem Studium fing er 1994 als Trainee bei Audi an. Seitdem hat sich der Maschinenbau-Ingenieur kontinuierlich nach oben gearbeitet.

 Fokus auf Kunden, Marken und Produkte

Ab 1. September wird er den zweitgrößten Autokonzern der Welt führen und damit einer der mächtigsten Bosse der Branche sein. Das ist Blume zweifelsfrei bewusst, doch er wird, so sind sich Menschen aus seinem direkten Umfeld sicher, so bescheiden bleiben wie bisher. Denn bereits als Porsche-Chef trat der gebürtige Braunschweiger weder eitel noch arrogant auf. Im Gegensatz zu anderen im großen VW-Konzern rückt sich Blume nicht selbst ins Rampenlicht. Ihm geht es um die Sache, um den Erfolg fürs Unternehmen.  „Mein Fokus liegt auf den Kunden, Marken und Produkten. Der Mensch steht für mich immer im Mittelpunkt“, lässt sich Blume nach der Entscheidung am vergangenen Freitag zitieren. „Entscheidend für den Erfolg sind Teamgeist, Fairness und Leidenschaft. Das gilt für die Marken ebenso wie für den Konzern.“


Mehr zum Thema

Stimme+
Wolfsburg/Stuttgart
Lesezeichen setzen

Diess geht, Blume kommt: Weichenstellung an der Spitze im VW-Konzern


 Teamplayer statt Einzelkämpfer

Oliver Blume ist, das bestätigen viele Topmanager bei Porsche, ein Teamplayer, kein Einzelkämpfer. Bei den Familien Porsche und Piëch, die über die Porsche SE den Konzern steuern, kommt das gut an. Blume ist einer der auch mal im Hintergrund bleibt, aber immer dann Stärke zeigt, wenn es darauf ankommt. Er gilt als Leader einer neuen Generation: Einer, der zuhört und sich danach eine Meinung bildet. Einer, der vermittelt, aber am Ende mit Nachdruck entscheidet, wenn es sein muss. Früh hat Blume, zunächst kritisch von den Eignerfamilien beäugt, den Sportwagenbauer Porsche in Richtung Elektromobilität getrimmt.  Doch der Plan ging auf. Der Elektro-Sportwagen Taycan wurde zu einem der meistverkauften Porsche-Modelle in Europa.

 Software hat oberste Priorität

Längst ist das Unternehmen Porsche, das Blume als VW-Boss weiterhin in Personalunion führen wird, einer der profitabelsten Autobauer der Welt. Neben Audi jene Marke, die am meisten Geld in die Kassen spült. Das mag angesichts der begehrenswerten und teuren Fahrzeuge aus Zuffenhausen vergleichsweise einfach erscheinen im Hinblick darauf, was Blume nun erwartet. Denn die Führung des Konzerns mit seinen zehn Marken ist ein anderes Level. Nun kommt wieder Blumes Belastbarkeit und Beharrlichkeit ins Spiel. Beides wird der 54-Jährige brauchen, wenn er die größte Baustelle des VW-Konzerns beseitigen will: die Entwicklung der eigenen Software für künftige Modelle. Letztlich der Grund, warum sein Vorgänger Herbert Diess seinen Platz räumen musste. Bei der Software-Tochter Cariad geht nichts voran.


Mehr zum Thema

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Mainz
Lesezeichen setzen

Hat FDP-Chef Lindner dem Porsche-Chef Insider-Informationen zugesteckt?


 Tech- statt Autounternehmen

Verzögerte Produktionsanläufe und Software-Probleme haben viel Geld gekostet. Milliardensummen. Wie der VW-Konzern jetzt mit der Software in die Zukunft geht, wird spannend. „Man kann davon ausgehen, dass der neue VW-CEO Blume eine Neuausrichtung der Software und damit auch von Cariad umsetzen wird“, sagt der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) in Duisburg. „Das größte Thema der Autoindustrie, „Software Defined Car“, ist für die konventionellen Autobauer eine Riesenherausforderung.“ Das zeige auch die Ablösung von VW-Chef Diess. Autobauer würden künftig Tech-Unternehmen wie Google, Apple, Microsoft agieren - oder sie werden abhängig von den Software-Schwergewichten.


Mehr zum Thema

Ein geschmückter Porsche Targa, das Hochzeitsfahrzeug von FDP-Finanzminister Christian Lindner und seiner Frau.
Berlin
Lesezeichen setzen

FDP weist Porschegate-Vorwürfe zurück


Börsengang akribisch vorbereitet

Oliver Blume wird sich daran messen lassen müssen, ob es ihm gelingt, das Ruder beim Thema Software herumzureißen. Das zweite große Projekt hat er zusammen mit Porsche-Finanzvorstand Lutz Meschke seit mehr als einem Jahr generalstabsmäßig vorbereitet: den Börsengang von Porsche. Er soll wohl im vierten Quartal erfolgen. Die Zahlen, die Blume und Meschke vergangene Woche präsentiert haben, sind jedenfalls beeindruckend. Für das laufende Jahr wird eine Umsatzrendite von 17 bis 18 Prozent angepeilt. Das entspräche bei einem angestrebten Wachstum von 33 auf 38 bis 39 Milliarden Euro Umsatz einem operativen Ergebnis für 2022 von rund sieben Milliarden Euro. 2021 waren es vier Milliarden Euro. Mittelfristig stehen 20 Prozent operative Rendite vor Zinsen und Steuern auf dem Plan.

Diskussionen mit der Familie

Das alles soll einhergehen mit dem Ziel, bis 2030 mindestens 80 Prozent E-Autos zu verkaufen und komplett CO2-neutral zu produzieren. Blumes Klimaschutzversprechen stehen nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern mitunter in der eigenen Familie auf dem Prüfstand: Seine Frau und die beiden schon fast erwachsenen Töchter diskutieren dem Vernehmen nach immer wieder darüber, für welche Werte ein Autobauer heutzutage zu stehen habe. Auch das helfe, geerdet zu bleiben.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben