Trotz Boom in der Caravaning-Branche: Gründe für Herzog-Insolvenz in Kirchheim
Die Nachfrage nach Reisemobilen ist in Deutschland weiterhin hoch. Doch Hersteller und Händler leiden unter Überkapazitäten. Das hat auch der Campingspezialist Herzog aus Kirchheim am Neckar zu spüren bekommen.
Die Nachricht von der Insolvenz des renommierten Campingspezialisten Herzog aus Kirchheim am Neckar sorgt in der Region und in der Branche für Aufmerksamkeit. Wie kann ein alteingesessenes, erfahrenes Unternehmen in eine solche Schieflage geraten, während der Camping-Boom in Deutschland weitergeht? Ein genauerer Blick auf die Caravaning-Branche zeigt aber, dass es dort durchaus Probleme gibt, die Herstellern und Händlern zu schaffen machen.
Trotz Boom in der Caravaning-Branche: Kirchheimer Campingspezialist Herzog insolvent
Der Boom der Branche hält seit vielen Jahren an. Seit 2015 liegt das Wachstum bei den Neuzulassungen von Reisemobilen in Deutschland stets im zweistelligen Bereich. Das Jahr 2024 wird nach Angaben des Deutschen Caravaning Handels-Verbandes (DCHV) wohl das zweitbeste Jahr der Branchengeschichte werden.
Von Januar bis November 2024 gab es demnach ein Plus von 10,3 Prozent auf 71.600 neu zugelassene Reisemobile in Deutschland. Und im April 2025 wurde in Deutschland nach Angaben des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD) erstmals mehr als eine Million Reisemobile in Deutschland registriert. Für den CIVD ein klarer Beleg dafür, dass sich diese Reiseform in Deutschland nachhaltig etabliert hat.
Hohe Produktion sorgt für Überkapazitäten: Herzog bekommt Folgen zu spüren
Aufgrund des anhaltenden Booms haben die Hersteller nach der Corona-Pandemie die Produktion deutlich hochgefahren. Während die Produktion während der Pandemie aufgrund von Lieferketten- und Materialproblemen zurückgefahren worden war, kam es nun laut DCHV zu einem „überzogenen Nachholeffekt in der Produktion, der die Höfe der Caravaning-Fachhändler füllte“.
Für die Kunden hatte dies den positiven Effekt, dass sie mit günstigeren Preisen und verkürzten Lieferzeiten rechnen konnten. Für die Hersteller und Händler war das Überangebot dagegen mit sinkenden Gewinnen verbunden. „Für die Händler ist der hohe Fahrzeugbestand eine Herausforderung“, schreibt der Verband.
Caravaning-Verband: Insolvenzen wie bei Herzog sind eher die Ausnahme
Dennoch seien Schieflage wie jetzt bei Herzog eher die Ausnahme. „Von 430 Mitgliedsbetrieben des DCHV mussten nur sechs im vergangenen Jahr die Segel streichen“, sagt Verbands-Geschäftsführerin Ariane Finzel. Das sei kaum mehr als die übliche Fluktuation.
„Die traditionellen familiengeführten Caravaning-Fachhändler sind mehrheitlich robust genug, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Sie sind mit mehreren Fahrzeugmarken und den Geschäftssparten Verkauf, Vermietung, Service und Zubehörhandel breit aufgestellt und können von der weiterhin hohen Nachfrage profitieren“, sagt Finzel.
Insolvenz in Kirchheim am Neckar: Wie Campingspezialist Herzog in Schieflage geriet
Das alles trifft auch auf Herzog zu. Das Kirchheimer Unternehmen, das in vierter Generation von Erich Eugen Herzog geführt wird, produziert Vorzelte für Wohnmobile und Wohnwagen und gilt hier als einer der europäischen Marktführer. Daneben bietet Herzog ein umfangreiches Sortiment an Trekking-, Outdoor- und Freizeit-Artikeln an. Zusätzlich verkauft und vermietet das Unternehmen Wohnmobile und Wohnwagen bekannter Marken wie Fendt, Knaus oder Weinsberg. Abgerundet wird das Angebot von umfangreichen Service- und Reparaturleistungen in der eigenen Werkstatt.
Dass Herzog dennoch Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen musste, erklärt Erich Eugen Herzog mit einer „Kombination aus den wirtschaftlichen Folgewirkungen der Corona-Pandemie sowie den Preissteigerungen und Umsatzrückgängen in Folge der geopolitischen Verwerfungen“. Diese Verwerfungen hätten zu enormen Preissteigerungen beim Einkauf der Materialien geführt. Zum anderen habe man die Zurückhaltung der Kunden bei Neuinvestitionen zu spüren bekommen, sagt der Geschäftsführer.
Herzog-Schieflage: Geschäftsführer und Insolvenzverwalter sind optimistisch
Herzog ist wie der vorläufige Insolvenzverwalter Holger Blümle von der Kanzlei Schultz & Braun aber guter Dinge, dass der Kirchheimer Traditionsbetrieb mit rund 60 Mitarbeitern eine gute Zukunftsperspektive hat. Die Gespräche mit potenziellen Investoren sind bereits angelaufen, die Rückmeldungen seien durchweg positiv, teilt Blümle mit. Dennoch will er noch mit weiteren Interessenten Gespräche führen, um die beste Lösung für das Unternehmen zu finden. „Wir sind überzeugt davon, dass wir uns mit dem nun eingeschlagenen Weg neu und zukunftsfähig aufstellen können“, gibt sich Herzog optimistisch.
Derweil läuft der Geschäftsbetrieb in Kirchheim normal weiter. Die Löhne und Gehälter der 60 Mitarbeiter sind über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert. Bis dahin dürfte sich abzeichnen, wohin die Reise für den Campingspezialisten geht.
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