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Sind die Deutschen wirklich immer häufiger krank? Studie klärt auf

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Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim hat in einer Studie untersucht, warum die Deutschen seit 2022 länger und häufiger krank sind – und findet gleich mehrere Gründe. 


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Eine Erkältungswelle rollt über Deutschland hinweg: Rund 6,9 Millionen Menschen litten zuletzt an Atemwegserkrankungen

Die Deutschen sind häufiger und länger krank, die Zahl der krankheitsbedingten Fehlzeiten steigt seit 2022. Das sagt zumindest eine neue Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Forscher haben unter anderem untersucht, welche Erklärungen es für diese Entwicklung gibt.

Eine einheitliche und repräsentative Datenbasis, die die Fehlzeiten vollständig erfasst, gibt es in Deutschland nicht, erklären die Autoren Nicolas R. Ziebarth und Stefan Pichler. Berichte würden vor allem auf Daten einzelner Krankenkassen beruhen, die häufig unvollständig seien.

Studie des ZEW: Mehr Fehltage durch Krankheit wegen "monetärer Anreize"?

In Deutschland bekommen Arbeitnehmer, die krank werden, sechs Wochen lang ihren Lohn in voller Höhe weitergezahlt. Gründe für das deutsche Lohnfortzahlungssystem sehen Ziebarth und Pichler in der Geschichte: Deutschland führte als erstes Land die gesetzliche Lohnfortzahlung ein, Arbeitskämpfe 1956/57 führten zur Einführung des Systems in seiner jetzigen Form, das hinter Luxemburg als das "großzügigste weltweit" bezeichnet wird. In Schweden gilt eine Lohnfortzahlung von 80 Prozent für zwei Wochen, ähnlich sei es in anderen europäischen Ländern. 

"Führt eine großzügigere Lohnfortzahlung zu mehr Fehltagen? Ja. Eine reichhaltige ökonomische Literatur hat eindeutig einen signifikanten und kausalen Zusammenhang zwischen der Großzügigkeit der Lohnfortzahlung und der Zahl der Fehltage belegt", schreiben die Autoren. Das liege daran, dass Menschen sich insbesondere bei leichten Erkrankungen von "monetären Anreizen" leiten lassen. 

Fehltage durch Krankheit: ZEW-Studie zeigt erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern

Eine niedrigere Lohnfortzahlung würde zwar vermutlich zu weniger Fehlzeiten führen, gleichzeitig würden dann aber auch mehr Menschen krank zur Arbeit gehen. Das erhöhe das Risiko, Langzeitschäden davonzutragen und Kollegen anzustecken.

Bei den Fehlzeiten stellen die Autoren auf Grundlage des Gesundheitsreports der Techniker Krankenkasse außerdem fest, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt: Die meisten Fehltage gibt es in Mecklenburg-Vorpommern, die wenigsten in Baden-Württemberg. Die Studie betont mehrfach die lückenhafte Datenlage. Deshalb kann die Annahme, hohe Lohnfortzahlungen würden in direktem Zusammenhang mit hohen Krankheitstagen stehen, nicht klar bestätigt werden.

Auskurieren oder weiterarbeiten? Eine Studie empfiehlt, auch bei Krankheit unter bestimmten Voraussetzungen weiterarbeiten zu dürfen.
Auskurieren oder weiterarbeiten? Eine Studie empfiehlt, auch bei Krankheit unter bestimmten Voraussetzungen weiterarbeiten zu dürfen.  Foto: Philip Dulian

Anstieg der Krankheits-Fehltage seit 2022: Mögliche Gründe für die Entwicklung

"Es ist davon auszugehen, dass der Großteil des Anstiegs auf eine bessere statistische Datenerfassung zurückzuführen ist", so die Studie. Die Einführung der elektronischen Krankschreibung hätte die Datenlage deutlich verbessert. Deshalb sei es wahrscheinlich, dass "die wahren Fehlzeiten" vor 2022 schlecht erfasst worden seien. Die Krankheitstage könnten folglich also auch deshalb gestiegen sein, weil sie seit 2022 besser erfasst werden.

Für den Anstieg der Fehltage sieht die Studie verschiedene Erklärungsansätze, der erste ist die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung seit 2020. Allerdings halten die Autoren fest, dass sie nur aufgrund der Entwicklung der Fehltage von 2020 bis 2023 einen Zusammenhang zwischen telefonischer Krankschreibung und Fehltagen sehen, es gebe keine "mikrodatenbasierte statistische Untersuchungen", die einen direkten Kausalzusammenhang zeigen würden.

Laut den Autoren spielen Covid-19 und Long-Covid für die Entwicklung der Fehltage keine zentrale Rolle. Allerdings halten sie es für möglich, dass Arbeitnehmer sich seit der Pandemie anders verhalten, das heißt: Sie sind vorsichtiger und lassen sich bei Infektionen schneller krankschreiben. Das sei aus gesundheitspolitischer Sicht begrüßenswert, führe aber zu höheren Lohnkosten. Deshalb sollte durch "vertrauensvolle Gespräche" die Möglichkeit für Homeoffice oder das Tragen einer Maske bei Krankheit überlegt werden. Wenn Arbeitnehmer dazu bereit sind, könnten sich die Autoren eine "Anwesenheitsprämie" vorstellen.

Kritik an telefonischer Krankschreibung – "Teilzeitkrankschreibung" als Lösung?

Die Autoren kritisierendie telefonische Krankschreibung, die Krankenkassen und Ärzte verteidigen, und betonen, es gebe mehr Nachteile als Vorteile. Derselben Ansicht sind Arbeitgeberverbände, Hausärzte dagegen sprechen sich für die Krankschreibung per Telefon aus. Außerdem empfiehlt die Studie, über eine "Teilzeitkrankschreibung" nachzudenken.

Dafür hat sich nun auch der Ärztepräsident Klaus Reinhardt gegenüber den Zeitungen der "Funke Mediengruppe" ausgesprochen. In Zeiten von Digitalisierung und einem Wandel der Arbeitswelt sollte es die Möglichkeit geben, sollte es hier "mehr Flexibilität geben". Der DGB stellt sich vehement dagegen, die Idee sei "schlicht absurd", sagte Vorstandsmitglied Anja Piel gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. 

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