Verkehrsminister Hermann kritisiert Luxusstrategie von Mercedes
Warum hält es Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) für falsch, dass Mercedes-Benz künftig vor allem mit Luxuskarossen Geld verdienen will? Und warum befürchtet Hermann, dass Einsparungen zulasten des Klimaschutzes gehen könnten?

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will den ÖPNV ausbauen und fordert ein Sondervermögen für den Klimaschutz und die Bahn. Wenig übrig hat er für die neue Firmenstrategie von Mercedes-Benz.
Im neuen Doppelhaushalt sollen die Ressorts Hunderte Millionen Euro einsparen. Wo werden Sie einsparen?
Winfried Hermann: Klar ist, dass Sparen angesagt ist. Wir müssen aber nicht nur finanziell sparen, sondern auch CO2 einsparen. Wenn wir die Verkehrswende ernsthaft weiterverfolgen und CO2 einsparen wollen, dann geht dies nur mit einer Reihe von Vorhaben, die kostenträchtig sind − von der Elektrifizierung des Automobilverkehrs bis hin zum Ausbau des ÖPNV. Es darf am Ende nicht so sein, dass wir einen ordentlichen Haushalt haben, aber beim Klimaschutz versagen.
Wegen Corona und des Krieges wurden viele Milliarden Euro ausgegeben. Sind ähnliche Investitionen auch für den Klimaschutz nötig?
Hermann: Für die 100 Milliarden Euro teure Modernisierung der Bundeswehr wurde ja ein Sondervermögen eingeführt, damit die Schuldenbremse umgangen werden kann. Ein solches Sondervermögen bräuchten wir auch für den Klimaschutz oder für die Sanierung der Deutschen Bahn. Wenn wir bis 2030 im Vergleich zu 2010 doppelt so viele Fahrgäste im ÖPNV haben wollen, dann geht das nicht mit der gleichen Zahl an Bahnen und Bussen. Der Ausbau des Angebots erfordert erhebliche Mittel.
Zum Neun-Euro-Ticket. Sie kritisieren die Finanzierung. Warum?
Hermann: Der Bund fördert mit 2,5 Milliarden Euro ein Sonderangebot auf Zeit. Aber nach den drei Monaten stehen wir vor den gleichen Finanzierungsproblemen. Ich habe alles dafür getan, dass die Regionalisierungsmittel erhöht werden. Das sind die Mittel, welche der Bund den Ländern nach dem Grundgesetz zur Finanzierung des ÖPNV, vor allem auf der Schiene, zuweist. Daraus wurde leider nichts. Die Länder haben einstimmig und eindringlich 1,5 Milliarden Euro als Ausgleich für die drastischen Kostensteigerungen gefordert. Am Ende gab es nicht mal 750 Millionen, die als Kompromiss anvisiert waren. Alleine in Baden-Württemberg müssen wir aber in den kommenden Jahren Millionensummen im dreistelligen Bereich aufbringen, um die steigenden Energie- und Personalkosten auszugleichen, ohne das Angebot in den kommenden Jahren reduzieren zu müssen. Von Verbesserungen des Angebots ganz zu schweigen.
Das Ticket soll Massen anlocken. Reichen die Kapazitäten dafür aus?
Hermann: Wir haben ein leistungsfähiges System in Ballungsräumen. In manchen ländlichen Räumen gibt es gute Angebote, in anderen nicht. Wer ein Sonderangebot wie das Neun-Euro-Ticket macht, kann danach sicher feststellen, wie viel ÖPNV man eigentlich bräuchte, um all die Menschen zu transportieren. Daher könnte das Neun-Euro-Ticket für die Politik zur Lehrstunde werden. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass das alles 2,5 Milliarden Euro kostet − und dass mehrere Verkehrsverbünde gerade dabei sind, angesichts der steigenden Energie- und Personalkosten danach ihre Preise zu erhöhen, um ihr Angebot auch ohne steigende staatliche Zuwendungen noch zu finanzieren. Das wird leider nach dreimonatigen Sonderpreisen so kommen, was den ÖPNV wieder zurückwerfen wird.
In Heilbronn hat die Bahn versprochen, dass ab 2028 ein Intercity halten soll. Der kommt nun nicht. Was denken Sie darüber?
Hermann: Mit der Neubaustrecke Mannheim-Stuttgart fahren seit 30 Jahren viele Züge an Heilbronn vorbei. Ich halte es für einen Riesenfehler, dass die Achse Heilbronn- Würzburg vom Fernverkehr ausgespart worden ist. Im Zuge der Realisierung des Deutschlandtaktes wird Heilbronn einen IC-Halt bekommen. Dafür ist die Bahn zuständig, da ist das Land nur der Bittsteller.
Zur Automobilbranche: Mercedes will vor allem im Luxussegment wachsen. Wie bewerten Sie das?
Hermann: Das hat mich ziemlich überrascht. Ich halte diese Strategie für einen Fehler, das wird auch zu Akzeptanzproblemen führen, wenn man nur noch für Reiche und Superreiche Autos baut. Ich kann zwar nachvollziehen, dass man Luxuskarossen verkauft, um eine Rendite zu erzielen. Wenn man aber nur noch Luxuswagen verkauft, dann verlässt man den Massenmarkt. Autos aus dem Luxussegment kommen in der Regel nur als Dienstwagen oder auch für Best- und Gutverdienende in Frage. Ich hatte eigentlich gedacht, Mercedes hat begriffen, dass man mehr diversifizieren muss − auch im Hinblick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Öffnet diese Strategie alle Türen für günstigere Autos aus China?
Hermann: Die Mercedes-Strategie ist die Einladung für asiatische Fahrzeuge für den europäischen Markt. Die meisten Autos aus Korea, China und Japan sind kostengünstiger als die der deutschen Hersteller, bieten aber mittlerweile einen ähnlichen Standard.



Stimme.de