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Zahl der Wengerter hat sich in 20 Jahren halbiert – Wein-Anbau lohnt sich oft nicht mehr

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Für viele Wengerter lohnt sich der Weinbau nicht mehr, etliche kündigen derzeit Pachtverträge. Es drohen viele Brachen. Das verändert die Landschaft – und die Branche.

Wie hier am Wartberg oberhalb des Sattels in Heilbronn geben immer mehr Wengerter Rebflächen auf, vor allem in Steillagen.
Wie hier am Wartberg oberhalb des Sattels in Heilbronn geben immer mehr Wengerter Rebflächen auf, vor allem in Steillagen.  Foto: Seidel, Ralf

Der Weinbau in Württemberg steckt in einer tiefen Krise, manche sagen, in der tiefsten der Nachkriegszeit. Der Präsident des Weinbauverbands, Hermann Hohl, schätzt, dass innerhalb von zwei, drei Jahren 2000 Hektar Rebfläche von 11.151 stillgelegt werden. Betroffen seien vor allem landschaftsprägende Steillagen, von denen es in der Region mehr gibt als anderswo. Hier rentiert sich der Anbau nicht mehr, weil der Weinpreis zu niedrig ist und der Arbeitsaufwand zu hoch.

Die Zahl der Wengerter ist nach aktuellen Angaben der Weinbaukartei Weinsberg 2023 erneut gesunken: um 290 gegenüber 2022. Sie hat sich innerhalb von 20 Jahren auf 6876 halbiert. Prominentestes Beispiel: Der Sonnenhof in Vaihingen, lange das größte Privatweingut Württembergs, hat vor wenigen Tagen seine Schließung angekündigt.


Schieflage im Weinbau: Viele Pachtverträge werden gekündigt

"Bisher war das eher ein schleichender Prozess, oft im Zuge des Generationenwechsels", erklärt Peter Albrecht als Vize-Präsident des in Weinsberg angesiedelten Weinbauverbands. Die Flächen von kleineren Betrieben seien lange meist von größeren übernommen worden. Doch aktuell würden auffallend viele Kollegen ihre Pachtverträge kündigen. Nachfolger seien kaum zu finden. Die Pachtpreise gingen mancherorts gegen Null.

Als Hauptproblem nennt Thomas Zeeh, der mit seiner Firma WinzerService in Neckarwestheim eine Rebflächenbörse betreibt, rückläufige Wein-Verkaufszahlen bei gleichzeitig steigenden Betriebskosten. "Regelrecht explodiert" seien vor allem die Kosten für Leergut, Dünger, Pflanzenschutzmittel und teils fürs Personal. Saisonarbeitskräfte seien teurer, Fachkräfte wie fast überall inzwischen kaum noch zu finden.

Durch den hohen Kostendruck und die sinkenden Verkaufszahlen sind in Genossenschaften die Traubengelder in den Keller gerutscht, also die Erlöse für die einzelnen Mitglieder: von durchschnittlich 12.500 Euro pro Hektar vor zehn Jahren auf teils in etwa die Hälfte. So rentiert sich der Weinbau kaum noch.

Die Zeit des Aufschwungs ist längst vorbei

Lange schien es in Deutschlands viertgrößtem von 13 Anbaugebieten nur aufwärts zu gehen: dank treuer und konsumfreudiger Kunden, dank starker Genossenschaften und innovationsfreudiger Weingüter, dank des hohen Anteils an gefragten Rotweinen und nicht zuletzt dank Fusionen und Flurneuordnungen, die die Arbeit rationeller gemacht haben. Doch innerhalb weniger Jahre hat sich das Blatt gewendet.

Aktuelle Zahlen zum deutschen Weinmarkt

Der Weinverkauf ist stark rückläufig. Hierzulande tranken die Menschen 2022 und 2023 im Schnitt jeweils eine Flasche weniger als im Jahr davor. Laut Deutschem Weininstitut (DWI) liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch jetzt bei 19,2 Liter.

DWI-Chefin Monika Reule führt dies auf den "demographischen Wandel" und ein "gewandeltes Konsumverhalten" zurück. Sprich: Viele jüngere Menschen, aber auch Deutsche mit muslimischen Wurzeln, verzichten grundsätzlich auf Alkohol, jene aus gesundheitlichen, andere aus religiösen Gründen.


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Billig-Importe nach Deutschland legen zu

Wirtschaftskrise, Sparzwänge und eine gewisse Verunsicherung durch Kriege dämpfen die Konsumfreude zusätzlich. So ist der Weinabsatz deutscher Winzer 2023 gegenüber 2022 um zehn Prozent gesunken.

Über den Lebensmitteleinzelhandel (LEH), in dem die Württemberger Genossenschaften den Großteil ihrer Weine verkaufen, um 16 Prozent. Gleichzeitig haben Billig-Importe kaum verloren. So ist der Anteil an Auslandsweinen am deutschen Weinmarkt um zwei auf 59 Prozent gestiegen.

Vor allem im Lebensmittelhandel ist der Weinverkauf rückläufig

Laut aktueller Umfrage der Hochschule Geisenheim unter 391 deutschen Winzern sank deren Absatz 2023 im Schnitt um zehn Prozent, der Umsatz um fünf Prozent, wegen Preiserhöhungen. Besonders starke Einbrüche gab es im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) mit einem Minus von 16 Prozent beim Absatz und zehn beim Umsatz. Dies trifft vor allem größere Kellereien und Genossenschaften, die den Großteil ihrer Weine über den LEH verkaufen. Im Fachhandel und im Direktverkauf sank der Absatz um sechs Prozent. Nur die Gastronomie blieb stabil.

Alarmierend: In allen Kanälen registrierte die Studie im Dezember, also zum wichtigen Weihnachtsgeschäft, einen Rückgang im Absatz und im Umsatz. "Das Weihnachtsgeschäft mit deutschem Wein ist im LEH fast komplett ausgefallen", heißt es.

 

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