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Mannheimer Forscher wollen herausfinden, ob E-Reisebusse wirtschaftlich sind

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Lastwagen, Stadtbusse und Reisebusse stoßen rund sechs Prozent der Treibhausgase in der EU aus. Deshalb plant die EU-Kommission strengere Grenzwerte. Gunter Glenk von der Uni Mannheim soll erforschen, wie wettbewerbsfähig elektrische Reisebusse sind. Im Interview erklärt er, was die Ausgangslage ist.

Auf einem Parkplatz stehen mehrere Omnibusse.
Auf einem Parkplatz stehen mehrere Omnibusse.  Foto: Frank Mächler/dpa

Die EU-Kommission will ab 2030 neue Grenzwerte für Reisebusse und Lastwagen festlegen. Bis 2040 sollen sie 90 Prozent weniger CO2-Emissionen ausstoßen als heute. Bisher sind elektrische Reisebusse jedoch eine Seltenheit. Forscher der Uni Mannheim sollen deshalb herausfinden, wie Elektro-Reisebusse wirtschaftlich eingesetzt werden könnten. Das Projekt "Electrified Coach" (ELCH), an dem Universitäten, Daimler Buses und Flixbus beteiligt sind, wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Gunter Glenk erklärt, worum es geht.


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Die Firma Van Hool hat einen E-Bus quer durch die USA geschickt. Dennoch erforschen Sie, ob E-Reisebusse wirtschaftlich sind. Warum?

Gunter Glenk: Über die Wirtschaftlichkeit von emissionsfreien Reisebussen ist wenig bekannt. Es gibt einzelne Testfahrzeuge, aber keine umfassende Analyse. Ziel des ELCH-Projektes ist es, verschiedene Anwendungsfälle für elektrische Reisebusse zu charakterisieren. Damit wird die Studie deutlich umfassender als einzelne Testfahrten.

 

Was sind die Knackpunkte bei der Entwicklung von E-Reisebussen?

Glenk: Reisebusse werden sehr unterschiedlich eingesetzt. Es gibt Nah- und Fernverkehr, Ausflugsverkehr, einzelne Reisen. In jedem dieser Fälle sind die Anforderungen an die Fahrzeuge, Temperatur, Topografie und Gewicht andere. Auch die Möglichkeit, auf der Strecke zu laden und wie schnell aufgeladen werden kann, spielt eine entscheidende Rolle. All das beeinflusst die Wettbewerbsfähigkeit von elektrischen Reisebussen im Vergleich zu konventionellen Bussen.

 

Welche Nachteile haben E-Busse?

Gunter Glenk vom MISES-Institut der Universität Mannheim.
Foto: Anna Logue
Gunter Glenk vom MISES-Institut der Universität Mannheim. Foto: Anna Logue  Foto: Anna Logue

Glenk: Die größten Nachteile von Elektrofahrzeugen sind natürlich die geringere Reichweite und die längere Ladedauer. Das Auftanken eines Dieselbusses dauert nicht länger als einige Minuten, das Laden eines Elektrobusses deutlich länger. Auch die Temperatur spielt eine Rolle. Man kennt das von Handys: Im Hochsommer oder bei Kälte fährt die Kapazität runter. Beim Thema Topografie könnten Elektro-Reisebusse im Vorteil sein. Wenn es hügelig ist, erzeugen sie beim Bergabfahren Energie durch Rekuperation. Andererseits sind sie schwerer, wenn sie den Berg hochfahren.

 

Welche Ergebnisse sind absehbar?

Glenk: Die Batterie ist ein entscheidender Kostentreiber. Möglicherweise könnten größere Batterien für Elektroreisebusse sinnvoll sein. Damit wird der Bus aber teurer, wenn man ihn kauft. Auf die Betriebskosten hat das dagegen nur geringe Auswirkungen. Deshalb ist es wichtig, herauszuarbeiten, wie der Bus genutzt wird. Bei konventionellen Reisebussen war das bisher kein Thema, weil ihre Reichweite nicht limitiert ist. Bei E-Bussen wird man die Reichweite eines Busses auf den Anwendungsfall abstimmen wollen.

 

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Glenk: Wenn ein Bus etwa im Schulverkehr eingesetzt wird, ist er auf festen Linien unterwegs. Die Strecken sind planbar und er kann in regelmäßigen Abständen geladen werden. In solchen Fällen lässt sich vermuten, dass eine kleinere Batterie, die häufiger geladen wird, sinnvoller ist. Im Fernlinienverkehr, wenn Strecke gemacht werden muss, möchte man möglicherweise eine größere Batterie an Bord haben. Ziel unseres Forschungsprojektes ist es, diese Entscheidung zu quantifizieren.

 

Was ändert sich bei Diesel-Bussen, etwa durch höhere CO2-Preise?

Glenk: Wir schauen uns natürlich an, wie sich die Stellung konventioneller Busse verändern wird. Es gibt bereits einen CO2-Preis auf Benzin und Diesel, der in den kommenden Jahren steigen wird. Möglicherweise werden mancherorts CO2-basierte Mautpreise eingeführt werden. Vermutlich wird sich die Wettbewerbsfähigkeit konventioneller Reisebusse eher verschlechtern.

 

Warum forschen Sie an Elektrobussen, wenn man Wasserstoff fast so schnell wie Diesel tanken könnte?

Glenk: Es liegt natürlich nahe, auch wasserstoffbetriebene Fahrzeuge oder Fahrzeuge mit einer Kombination aus Batterie und Wasserstoff zu untersuchen. Das wäre quasi wie ein Plugin-Hybrid, bei dem man kein Dieselaggregat sondern eine Wasserstoffbrennstoffzelle dazuschaltet, um die Reichweite zu steigern.

 

Daimler will ab 2030 emissionsfreie Reisebusse anbieten. E-Autos gibt es schon heute zuhauf. Wieso dauert es bei Bussen so lange?

Glenk: Im gesamten Transportbereich reichen die Kapazitäten derzeit nicht aus, um die Nachfrage für Elektrofahrzeuge zu decken. Es könnten viel mehr E-Autos verkauft werden, als bisher geliefert werden. Zudem ist der Anteil der CO2-Emissionen, die Reisebusse verursachen, relativ gering. Womöglich liegt der Fokus deswegen auf anderen Fahrzeugklassen. Bei Stadtbussen ist das übrigens anders: Schon mehr als die Hälfte der weltweit neu gekauften Stadtbusse ist batterie-elektrisch. Auch in deutschen Städten sieht man solche Fahrzeuge immer häufiger.

 

Reiseunternehmen müssen irgendwann entscheiden, einen alten Bus weiterzufahren oder sich einen neuen E-Bus zu kaufen.

Glenk: Das ist eine wichtige Entscheidung. Die Auslastung spielt bei elektrischen Bussen eine zentrale Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit, sowohl innerhalb eines Jahres, aber auch über die gesamte Lebenszeit. Das ist so wichtig, weil E-Fahrzeuge meist teurer in der Anschaffung aber viel günstiger im Betrieb sind. Deshalb ist es auch spannend, einzelne Fahrzeuge und ganze Flotten zu vergleichen.

 

Inwiefern?

Glenk: Vereinfacht gesagt: Wenn von zehn Bussen die Hälfte den ganzen Tag unterwegs ist und die andere Hälfte seltener, kann es sinnvoll sein, die häufig eingesetzten Fahrzeuge durch Elektrobusse zu ersetzen, weil sie im Betrieb günstiger sind. Bei denen, die seltener unterwegs sind, könnte es sich derzeit lohnen zu warten, weil der Anschaffungspreis noch höher ist und die Ersparnis bei den Betriebskosten weniger ins Gewicht fällt.

 

Angenommen, es gäbe eine bahnbrechende Entwicklung, die die Ergebnisse Ihrer Forschung verändern könnte. Welche wäre das?

Glenk: Statt großer Durchbrüche werden vermutlich viele schrittweise Verbesserungen dazu führen, dass die Kosten für Elektrofahrzeuge sinken und die Technologie besser wird. Man konnte das bei vielen Technologien beobachten, etwa bei Solaranlagen. Die ersten Anlagen in den 80er-Jahren waren noch sehr teuer, heute sind die Kosten sehr viel geringer. Solche Lernprozesse folgen typischerweise einer exponentiellen Funktion. Es wird oft unterschätzt, wie schnell diese Lernprozesse ihre Wirkung zeigen.


Zur Person

Prof. Dr. Gunther Glenk ist Juniorprofessor am Mannheim Institute for Sustainable Energy Studies (MISES) der Universität Mannheim. Er forscht und lehrt im Bereich der Wirtschaftswissenschaften zu klimafreundlichen Geschäftsmodellen und Technologien.

 

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