Dautel setzt Chardonnay die Krone auf

Wie die weltweit bekannteste Weißweinsorte über bürokratische Hürden nach Württemberg kam.

Christian und Ernst Dautel bei der Verkostung ihrer Chardonnay-Weine der Jahrgänge 1989 bis 2021. Fotos: exclusive-design/stock.adobe.com, Kilian Krauth, DWI

Es fühlt sich an wie Weihnachten. Und es sieht auch fast so aus. Ernst und Christian Dautel stehen mit einigen Weinenthusiasten an einer langen Tafel, auf der 30 Flaschen ihres Bönnigheimer Weinguts aufgereiht sind, 30 Flaschen Chardonnay. 2021 bis 1989. Nur wenige Jahrgänge aus der Schatzkammer fehlen. Sie sind vergriffen. Die Flaschen stehen da wie Kerzen auf einem Altar, Vater und Sohn Dautel wie zwei Groẞmeister, ihre Gäste wie eine (Fan-) Gemeinde. Tatsächlich fühlen sich zwei der zwölf zu einer Art Predigt berufen. Salbungsvolle Worte wie historisch“, „phänomenal“, „einmalig“ fallen.

Klassiker

Einer schwärmt vom straffen 2021er Niedernberg, der nach Bergkräutern dufte, nach feinen Birnen, Zitrus und Hefe, mit anregender Säure und filigraner Struktur, die wohl vom Muschelkalk, aber auch vom kühlen Jahrgang herrühre. Der andere favorisiert eher die opulenteren Klassiker vom Sonnenberg, gewachsen auf Schilfsandstein und Gipskeuper zeigten sie eher florale Noten mit Salzigkeit und einem anregenden Geschmack von gelben, reifen Früchten. Eleganz pur. High End.

Die Gruppe aus Fachjournalisten, Freunden und Mitarbeitern des Weinguts hat etwas einmaliges hinter sich: Eine Vertikalprobe, also eine chronologische Probe mit Weinen derselben Sorte aus verschiedenen Jahrgängen, mit Chardonnay. Noch vor 40 Jahren wäre dies ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Denn die mit 200000 Hektar am meisten verbreitete Weißweinsorte weltweit, durfte bis in die 1990er Jahre in Deutschland nicht angebaut werden. „Ein Unding“, wie Ernst Dautel, Jahrgang 1946, sagt. Deshalb habe er 1985 wohl als erster Winzer in Deutschland beim Regierungspräsidium Stuttgart eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Doch im ersten Anlauf wurde sie abgelehnt, mit dem Verweis, es gebe hierzulande doch schon genügend regionale und neu gezüchtete Weißweinsorten. Dautel ließ nicht locker. „Beim zweiten Anlauf bekam ich grünes Licht für den Versuchsanbau, pflanzte 1988 die ersten Reben und gewann 1989 den Jungfernertrag, mit ein, zwei Träubchen am Stock.“ Viel höher ist der Ertrag bis heute nicht. Klasse statt Masse.

„Inspiriert durch große Vorbilder wie Alois Lageder in Südtirol, Angelo Gaja im Piemont oder Louis Michel in Chablis suchte ich einfach den internationalen Vergleich, quasi als Standortbestimmung.“ So nimmt es nicht Wunder, dass seine Chardonnay-Mission Hand in Hand mit der Entdeckung des kleinen Holzfasses, des Barriques lief, wo Dautel ab 1986 in der Württemberger Studiengruppe Hades und im Deutschen Barriqueweinforum zu den Pionieren zählte.

Rebell und Rasta

Der heute 77-jährige gebürtige Meimsheimer galt von jeher als Vordenker, teils auch als Rebell. Er begnügte sich nicht mit der Winzerlehre oder dem „Techniker“ an der Weinbauschule Weinsberg, sondern studierte an der Hochschule Geisenheim Weinbau und Oenologie. 1978 sorgte Ernst Dautel für Aufsehen, weil er aus der örtlichen Genossenschaft austrat und mit seiner Frau Hannelore den Sprung in die Selbstvermarktung wagte. Der Aufstieg in den Eliteclub des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) war bald die logische Folge. Nicht nur, aber auch mit seinen Chardonnays, hat Dautel weit über Württemberg hinaus den Ruf der Region gestärkt. „Bei einer Messe in Kanada sind sie mal in Scharen an meinen Stand gekommen und haben sich gewundert, dass so etwas außerhalb des Burgund überhaupt möglich ist.“
Als eine seiner größten Leistungen aber bezeichnet es der knitze Schwabe, dass er seine Leidenschaft für Wein und sein Qualitätsstreben an den Sohn vererbt habe. Christian, Jahrgang 1985, hat wie der Vater in Geisenheim studiert, danach bei Top-Adressen im Burgenland, Burgund und Bordeaux - in Südafrika, Australien und USA den Horizont geweitet. 2013 übernahm er die Leitung des Familienguts mit heute 19 Hektar Rebfläche zwischen Bönnigheim, Besigheim, Oberstenfeld und Cleebronn. 

Christian fällt nicht nur durch seine Rasta-Locken auf, sondern auch durch seine feinen Weine - und durch zahlreiche Auszeichnungen. Während das Weingut selbst schon lange als Weltklasse gehandelt wird, wurde der Junior 2023 gleich von drei Führern, Eichelmann, Vinum und Falstaff, zum Winzer des Jahres gekürt.
Doch Familie Dautel will sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Mit dem aktuellen Kellerneubau steht auf dem Aussiedlerhof der nächste Entwicklungsschritt an. Er soll sich durch Optimierungen im Produktionsablauf auch nochmals in der Weinqualität zeigen. „Wir haben neue Möglichkeiten in Bezug auf schonenden Umgang mit Most und Wein, dazu mehr Platz für eine noch längere Reifung der Weine,“ sagt der ambitionierte Junior.

Perspektiven

Nicht zuletzt soll nebenbei auch der „Erlebnis- und Genussfaktor“ für die Kundschaft gesteigert werden. Den gut platzierten Neubau krönen die Dautels durch einen großzügigen Gastro-Bereich mit Glasfront, Loggia - und Blick auf den nahen Michaelsberg in Cleebronn. Großes Kino. Schöne Aussichten. Glänzende Perspektiven. Württemberg von seiner besten und schönsten Seite.

Von Kilian Krauth

Das Bönnigheimer Weingut Dautel ist Weltklasse. Senior Ernst hat einst den Chardonnay ins Land gebracht, Junior Christian macht ihn immer feiner. Die Weinstimme hat fast alle Jahrgänge probiert.