AUDI Solche Momente gibt es in der Autobranche nur ganz selten. Momente, in denen Ikonen ins Scheinwerferlicht gerückt werden. So war es 1998, als Audi die erste Generation des TT vorgestellt hat. Oder 2006, als der R8 aus Neckarsulm seine Weltpremiere feierte und die Marke auf Augenhöhe mit BMW und Mercedes unterwegs war. 2021 markiert in der Geschichte des Unternehmens einen weiteren Meilenstein. Audis neue Ikone fährt elektrisch. Wir sind mit dem Topmodell RS E-Tron GT (ab 140 000 Euro) zu Testfahrten gestartet.
Hingucker
GT steht bei dem lokal emissionsfreien Wagen für Gran Turismo. Der Begriff stammt aus dem Italienischen. Gemeint ist damit ein sportliches Auto, mit dem man mitunter lange Strecken zurücklegt. Ein Reisewagen sozusagen. Das E-Auto aus Heilbronn ist eines, nach dem sich die Menschen umdrehen. Denn auch optisch ist der RS E-Tron GT ein Auto, wie es ihn so noch nie zuvor gab von Audi. Große Räder, kurze Überhänge, langer Radstand, schlanke Kabine. Auffällig sind die Scheinwerfer (optional mit Laserlicht) und der Diffusor am knackigen Heck. Dynamische Linien hat Marc Lichte dem 4,99 Meter langen, 1,96 Meter breiten und 1,41 Meter hohen Extrem-Stromer mit auf den Weg gegeben. „Das schönste Auto, das ich je gezeichnet habe“, sagt der Designchef. Auf die optische Eigenständigkeit sind sie stolz bei Audi, wo sich der E-Tron GT technisch rund 60 Prozent mit dem Taycan der Konzernmarke Porsche teilt.

Im von uns getesteten RS-Topmodell sorgt je ein Elektromotor an Vorder- und Hinterachse für eine Leistung von 440 kW/498 PS. Im sogenannten Overboost – also bei maximaler Leistung – sind es kurzzeitig sogar 475 kW/646 PS. Egal, was man zuvor schon einmal bewegt hat – die Beschleunigung ist mit nichts zu vergleichen. Damit ist aber nicht die Zeit von 3,3 Sekunden gemeint, die der E-Tron GT aus dem Stand auf Tempo 100 benötigt. Es ist die schiere Kraft, mit der die flache Flunder aus dem Stand losmarschiert. Kein Turboloch, keine Verzögerung, nichts. 830 Newtonmeter Drehmoment stehen spontan bereit.
Eine kurvige Landstraße, vorne knickt die Straße langgezogen nach rechts ab. Einlenken, im selben Lenkwinkel bleiben. Wie an der Schnur gezogen durchfährt der Stromer die Kurve. Allradantrieb, Allradlenkung und der tiefe Schwerpunkt machen es möglich. Die Straße wird welliger, hier und da tun sich mächtige Unebenheiten auf, die der Wagen sorgfältig glattbügelt. Die Dreikammer-Luftfederung sorgt für einen Komfort, den man so nicht erwartet hätte. Der Stromer aus Heilbronn beherrscht Dynamik ebenso wie Komfort. So lässt es sich ganz entspannt auf lange Touren gehen.
360 Kilometer
Apropos lange Touren. Wie weit man mit dem RS E-Tron GT mit vollem Akku kommt, hängt ganz von der Fahrweise ab. Eine ausreichend große Batterie bringt er mit einer Kapazität von 93 kWh jedenfalls mit. Klar: Wer die vorhandene Leistung nützt, kommt nicht in die Nähe der vom Werk angegebenen 488 Kilometer. Dinge wie die geschlossene Front und der verkleidete Unterboden steigern die Effizienz. Im Test sind wir auf rund 360 Kilometer gekommen (Stromverbrauch im Test: 22,4 kWh pro 100 Kilometer).
Wer einen Schnelllader auf seiner Strecke nutzt, kommt in der Tat schnell weiter. Zum Beispiel an Ionity-Säulen entlang der Autobahn kann man den Wagen mit bis zu 270 kW laden. Nach etwas über fünf Minuten hat er wieder Strom für rund 100 Kilometer Strecke im Akku. Kurz ein Espresso und weiter. Alexander Schnell