Von unserem Redakteur
Martin Peter
Zeit ist für Fadi Al Abi ein knappes Gut. Seit seiner Ankunft in Deutschland vor zehn Jahren folgen die Tage des inzwischen 30-Jährigen einem festen Plan – sein Leben einem Ziel. Um aber seine Geschichte zu erzählen, nimmt sich der gebürtige Syrer, der seit fünf Jahren auch den deutschen Pass hat, für einen Kaffee Zeit. Seine Jacke behält er die ganze Zeit an. Er opfert seine Pause zwischen dem einen und dem nächsten Job. Es ist ihm wichtig. Seine Geschichte soll anderen Mut machen. „Ich möchte andere Menschen motivieren“, sagt er.
Karriere bei Läpple
Schon vor zwei Jahren, als die Heilbronner Stimme Al Abi ein erstes Mal getroffen hat, ist er ein Musterbeispiel für gelungene Integration in den Arbeitsmarkt, hat 2023 beim Heilbronner Autozulieferer Läpple eine beeindruckende Karriere begonnen. Sich mit Ehrgeiz, Fleiß und Unterstützung des Unternehmens hochgearbeitet. Und er war noch lange nicht fertig. „Damals hatte ich gerade meinen Meister angefangen“, erinnert sich Al Abi. Inzwischen hat er den Industriemeister Metall in der Tasche. Auch das war ihm nicht genug.
Als Dozent tätig
Während der Meisterschule am Zentrum für Weiterbildung habe er immer mal wieder Kollegen geholfen, gemerkt, dass ihm das gut liegt. „Wenn ich etwas verstanden habe, kann ich es gut erklären“, sagt Al Abi. So kam ihm der Gedanke, sein Wissen weiterzugeben. „Ich habe mich dann als Dozent beworben.“ Seit zwei Jahren doziert er über CNC Technik, bildet andere zum Meister aus - das bringt ihm Respekt und Dank und bestärkt ihn auf seinem Weg noch mehr.
Eigenes Buch
In seiner Dozentenrolle hat der 30-Jährige ein Übungsheft für das Fach „Berücksichtigung naturwissenschaftlicher und technischer Gesetzmäßigkeiten“ herausgebracht, gibt zudem Nachhilfe in ganz unterschiedlichen Fächern. Sein persönlichstes Meisterstück aber hat Fadi Al Abi erst in diesem Sommer gemacht, erzählt seine Geschichte auf 76 Seiten in dem Buch „Vom Geflüchteten zum Ausbilder – zehn Jahre in Deutschland, mein Weg“. Entstanden ist es in den vergangenen Wochen. „Die Idee kam mir im Juni im Urlaub auf Rhodos“, sagt der Autor.
Flucht aus Syrien
Auf der griechischen Urlaubsinsel war er schon einmal. Damals, vor zehn Jahren, als er mit seinem Vater auf der Flucht von Syrien nach Deutschland 28 Tage lang von einem Land zum nächsten geschleust wurde. Auf Symi hätte die Tortur ein jähes Ende nehmen können: Von einem Boot abgesetzt, saß die Flüchtlingsgruppe zwei Tage lang ohne Wasser und ohne Schatten fest. Nicht in der Lage, über steiles Gelände zu fliehen. „Ich habe in den Augen der Menschen gesehen, wie die Seele weggegangen ist, weil sie am Verdursten waren“, sagt Al Abi.
Wendepunkt
Dass er und sein Vater die Tortur überstanden haben, sei ein Wendepunkt für ihn gewesen. „Gott hat mir eine zweite Chance gegeben, also wollte ich was draus machen.“ In Deutschland folgte für den damals 20-Jährigen ein zweites einschneidendes Erlebnis: Sein Vater musste mit Schmerzen ins Krankenhaus. „Ich konnte den Ärzten aber nicht erklären, dass ihm der Bauch wehtat“. Es war der Punkt, an dem er schmerzlich realisierte, dass er ohne die Sprache im Land nicht weiterkommt. „Ich habe dann eine Lern-App installiert.“ Täglich büffelt er fortan Deutsch, findet in Ravensburg, wo er zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft unterkommt, die richtige Unterstützung.
Geographiestudium
Lernen kann Fadi Al Abi, in Syrien hat er Geographie studiert. Weil er aber zwischendurch auch arbeiten und Geld verdienen musste, habe er nur sechs Monate im Jahr studiert. Die Prüfungen - bis zu 14 Stück - habe er dennoch alle abgelegt und das teils erfolgreicher als seine Kommilitonen, die sechs Monate mehr Zeit dafür hatten. Ehrgeiz und Fleiß treiben ihn auch in Deutschland an. „Ich wollte schnell mein eigenes Geld verdienen.“ Das gelingt ihm bereits ein Jahr nach der Flucht, als er bei Läpple eine Ausbildung beginnt.
Sein Beispiel soll anderen Mut machen, zeigen: In Deutschland ist vieles möglich. „Aber es passiert nichts durch sitzen und abwarten“, sagt Fadi Al Abi. Er selbst bildet sich bereits zur Elektrofachkraft fort. Deutschland ist seine Heimat geworden. Mit Blick auf die Möglichkeiten und die Hilfe auf seinem Weg sagt er: „Ich danke Deutschland für alles, von Herzen.“
Großes Vorbild
Für seine kleinen Geschwister, die mit der Mutter nach Heilbronn nachgekommen sind, ist der große Bruder natürlich ein Vorbild. „Die sind aber besser als ich, werden hoffentlich noch mehr erreichen“, sagt Fadi Al Abi. Im Vergleich zu ihm durchlaufen seine Geschwister das deutsche Schulsystem. Seine Schwester und ein Bruder machen bald Abitur, der andere Bruder hat sich für eine Ausbildung entschieden.
Buch
Seine persönlichen Erfahrungen haben Fadi Al Abi inspiriert, ein Buch über seine Geschichte zu schreiben. „Vom Geflüchteten zum Ausbilder 10 Jahre in Deutschland, mein Weg“ gibt es als Taschenbuch für 14,99 Euro im Onlinehandel.