Hollenbach: Rampensau in Sachen Mouschd und Cider

Familie Böhm trägt mit ihrer Mosterei zum Erhalt der Streuobstwiesen bei - Traditionelle Herstellung der Produkte mit alten Geräten.

Bei Cider wird er zur „Rampensau“: Manfred Böhm schenkt bei Tastings nicht nur aus, sondern hat auch einiges zu erzählen. Foto: Juergen Koch

Auch wenn er sich als „zuweilen etwas chaotisch, beim Handwerk perfektionistisch und sonst eher introvertiert“ beschreibt: Wenn’s um Streuobst, Mouschd und Cider geht, wird Manfred Böhm „zur Rampensau“. Mouschd hat er beim Opa kennengelernt. Besonders gemocht hat er ihn nicht, weil „viel zu sauer“. Um so mehr hat er Cider, den bittersüß sprudelnden Apfelwein, 2017 in Irland lieben gelernt. Seither lassen ihn zwei Dinge nicht mehr los: „Was machen die anders?“ Und: „Das müsste doch auch im Jagsttal gehen.“ Gerade, weil die Böhms seit Generationen rund um Mulfingen-Zaisenhausen knapp fünf Hektar Streuobstwiesen hegen und pflegen.

Kulturgut Nach Jahren fern der Heimat sind die Böhms 2017 ins Jagsttal gezogen. „Ich wollte unbedingt zurück. Hohenlohe ist meine Heimat, da fühle ich mich zu Hause“, outet sich Böhm als Hardcore-Hohenloher. Eng verknüpft damit sind für ihn die Streuobstwiesen. Er liebt „die alten Sorten, die Kulturlandschaft und die Arbeit im Rhythmus der Natur“. Auch, weil er „mit jedem Apfel Geschichten und Geschichte in der Hand“ hat und an die Familientradition anknüpfen kann. Hohenlohe ohne Streuobstwiesen? „Undenkbar und traurig, weil etwas fehlen würde.“ Auch deshalb sieht er es als „große Herausforderung, zum Erhalt dieses Kulturguts beizutragen“.

Fragt man nach dem Mehrwert von Streuobstwiesen, wirft er mit Stichworten nur so um sich – von „Hotspot der Biodiversität“ über „riesiger Genetik-Schatz“ bis zum prägenden Faktor der Kulturlandschaft. Nicht zu vergessen: Geschmack und Aromen-Reichtum der alten Obstsorten, von denen „Mainstream-Obst“ nur träumen könne.

Um ihre Streuobstwiesen zu erhalten, haben die Böhms nach einer Möglichkeit gesucht, sie wirtschaftlich betreiben zu können.

Leidenschaft Denn bei langjährigen Marktpreisen von unter zehn Cent pro Kilo Obst, war der Verkauf völlig unrentabel. Was lag da näher, als an Böhms Cider-Leidenschaft anzuknüpfen und zu beweisen, dass sich ein Jagsttäler in Sachen Cider weder vor Iren, noch Engländern verstecken muss? Nicht zuletzt wollte Böhm das negative Image des traditionellen Hohenloher Mouschds aufpolieren.

So hat er 2017 seinen ersten Cider-Versuch gestartet („Katastrophe“), blieb trotz Fehlstart dran, sprang ins kalte Wasser und gründete 2018 das Familienunternehmen Cider-Werkstatt. Der Name ist Programm. Wie in einer Werkstatt wird hier getüftelt und bodenständige Handarbeit abgeliefert. Das nötige Wissen? Hat er sich selbst angeeignet, aber auch „viel experimentiert“. Der Erfolg blieb mit seinen auch international prämierten Produkten nicht aus.

Mittlerweile spielt Manfred Böhm virtuos auf der Mouschd- und Cider-Klaviatur. Sein aktuelles Portfolio listet aus dem „eher trockenen Jahrgang 2023“, der vor allem wegen 80 Prozent Frostschäden ein „schlechtes Obstjahr“ brachte, sechs Cider, vom reinsortigen Goldparmäne-Cider bis zum Rot- und Ochsental-Cider. Dazu drei Sorten Mouschd, Birnen-Perrys und ein mit französischer Eiche ausgebauter Apfelwein. 2023 hat er insgesamt 4400 Liter Cider, Mouschd, Saft, Glüh-Cider und Punsch erzeugt, davon rund 2000 Liter Cider.

Harmonie Ob Mouschd oder Cider, Böhms Herz hängt an beiden. „Cider ist die Leidenschaft, das Filigrane und eher etwas wie Kunsthandwerk.


Most ist bodenständiger.“ Oder: „Most ist still, hat kaum Zucker, weil er durchgegoren ist, Cider hat Kohlensäure und immer etwas Restsüße.“

Um dem „traditionell extrem sauren“ Mouschd ein neues Image zu verpassen, interpretiert ihn Böhm jedoch mehr Richtung Cider: gefälliger, süßer und milder. Mit seinen Cidern setzt er dem Most die Krone auf. Deren Qualität entstehe vor allem „auf der Streuobstwiese“. Guter Cider aus Tafelobst? „Klares Nein.“ Wie beim Wein könne man „im Keller nichts mehr retten“.

Das Geheimnis eines guten Ciders beschreibt Böhm als „3- D-Effekt“, der durch ein „harmonisches Verhältnis von Zucker, Säure und Bitterstoffen“ entstehe. Vor allem letztere sorgten „für Komplexität und geschmackliche Tiefe.“ Deshalb legt er großen Wert auf die richtige Mischung der Obstsorten und kombiniert „saure Mostäpfel mit bittersüßen Cideräpfeln“.

Vielfalt Ganz wichtig ist ihm, den unterschiedlichen Geschmack seiner Lagen herauszuarbeiten. Insgesamt stehen rund 300 Hochstämme mit über 80 verschiedenen Birnen- und Apfelsorten auf allen Böhmschen Wiesen, der Großteil davon bio-zertifiziert. Jede Wiese hat ihre eigene Sorten-Vielfalt. „Am Honigbrunnen dominieren sauere Hohenloher Mostäpfel, am Müllersberg viele der seltenen bittersüßen Cidersorten.“

Ausbau Jeder Cider, jeder Mouschd wäre mindestens eine eigene Geschichte wert. Aber auch deren zeitintensive, traditionelle Herstellung mit alten Gerätschaften von der Rätzmühle bis zur Korbpresse, mit viel Handarbeit und „langsamen Ausbau im kühlen Keller“. Die und vieles mehr teilt Manfred Böhm gerne und wortreich mit anderen. Zum Beispiel bei Tastings oder beim offenen Cider-Keller. Da zündet er dann gerne mal den Turbo, wird zur Rampensau und lässt mit leuchtenden Augen seine Most- und Cider-Message vom Stapel.

Und macht die Rechnung auf, dass von 100 Kilo Äpfeln 40 Liter Cider bleiben, in einem Viertele Cider also gut drei Äpfel stecken. Sein Fazit: „Bei so viel Handarbeit und so wenig Ertrag ist das alles andere als effektiv, geschmacklich aber ein Volltreffer und ein guter Weg, unsere Streuobstwiesen zu erhalten.“ Erhalten durch Austrinken, könnte man sagen. Mit welchem Genuss das verbunden ist, wird beim ein oder anderen Probiererle schnell klar. Juergen Koch