Apotheken in Flein und Brackenheim: Mit Geduld und E-Gitarre

Michal Najder hat in seinen Apotheken regelmäßig Notdienst. Der Notdienst soll die Versorgung in Notfällen rund um die Uhr sicherstellen.

„Es schenkt große Zufriedenheit, Menschen helfen zu können“, sagt Apotheker Michal Najder. Fotos: Sapara/dpa

Manchmal kommt es dick: An Heiligabend 2022 hatten Michal Najder und seine Frau Kasia in beiden ihrer Apotheken Notdienst: Flein und Brackenheim – zwei unterschiedliche Notdienstkreise, wodurch solch ein Fall eintreten kann. „Die Termine werden von der Apothekerkammer zugeteilt“, sagt Michal Najder. 

Auch in dieser Nacht hat der approbierte Apotheker Notdienst. Dieses Mal in Flein. Etwa alle 20 Tage sei das der Fall – es komme immer darauf an, wie viele Apotheken es im Notdienstkreis gebe.

Es brennt Licht Nachts um 1 Uhr ist die Apotheke hell erleuchtet. Am Eingang weist die elektronische Tafel darauf hin: Hier ist heute geöffnet. Oder vielmehr: Es ist jemand da. Nur für den Redaktionstermin sperrt Michal Najder die eigentlich verschlossene Tür auf. Nicht selten bekomme er in Notdienstnächten Anrufe, ob er geöffnet habe. „Ich sage dann immer: Nein, aber ich bin da.“

Der Notdienst ist nicht eingerichtet, um spätabendliche Einkaufsbummel zu ermöglichen, sondern um in Notfällen rund um die Uhr eine Versorgung zu gewährleisten. Dafür bezahlen Kunden einen Nachtzuschlag von 2,50 Euro. Klingelt jemand, läuft der Kontakt über eine Briefkasten-ähnliche Klappe. Über sie werden Medikamente ausgegeben, über sie wird auch bezahlt. Eine sichere Variante. Wobei Najder betont: Unangenehme Situationen habe er nachts noch nie erlebt. 

Viele Engpässe Die Anfragen seien oft trivial. Nacht-Kunden kauften etwa häufig Nasensprays. Auch mal Inkontinenzprodukte wie Windeln. Manchmal aber kämen sie auch mit „Pille-danach“- Wunsch oder mit Antibiotika-Rezepten. „In den vergangenen Monaten musste ich oft erklären, dass wir das Antibiotikum leider nicht da haben, es keine Alternativen gibt und ich nicht weiß, wer es haben könnte“, sagt Najder. Das sei belastend – nicht helfen zu können. Jeden Tag telefoniere das Team mit Großhändlern und sei froh um alles, was es doch herbeischaffen könne. Das wiederum bewirke, dass die Kunden sehr dankbar sind, sagt er. „Heute Nacht musste ich zum Glück noch niemanden abweisen.“ 

Zeit für Büro-Arbeit Najder sitzt an seinem Schreibtisch im gemütlichen Büro im hinteren Bereich der Apotheke. Auf dem Boden steht eine Verstärkerbox. Weil ...? Er grinst. „Ab und zu spiele ich E-Gitarre. Aber dann höre ich die Notklingel nicht.“

Ein Scherz. Aber das mit der Gitarre stimmt. Denn die Dienste können, gerade an Sonn- und Feiertagen, lang sein. Dann erledigt Najder Büro-Arbeit, kümmert sich um Papierkram, genehmigt Urlaubsanträge. Meist bis 23 oder 24 Uhr. Das ist in etwa die Zeit, bis zu der Patienten kommen. „Drei, vier, fünf, mehr sind es meist nicht.“ Mitten in der Nacht klingeln Tür oder Telefon selten.

Wahrnehmung Dass er seinen Job schätzt, spürt man, wenn der 37-Jährige erzählt. Sehr ruhig, sehr klar, sehr empathisch. „Es schenkt große Zufriedenheit, Menschen helfen zu können.“ Und er sagt auch: „So eine Beratung wie in Deutschland gibt es sonst nirgends.“ Aber Qualität kostet. Und so hatte auch er sich im Juni dem Apotheker-Protesttag angeschlossen. „Wir brauchen Wahrnehmung und Anerkennung.“ Die Vorstellung vom vergoldeten Apothekerberuf entspreche schon lange nicht mehr der Realität. „Ich möchte mein Team ordentlich bezahlen. Das wird immer schwieriger.“

Doch Najder sieht nach vorne. Und er sieht die Menschen – Mitarbeiter wie Kunden. Auch, als um 1.40 Uhr das Telefon klingelt. Geduldig spricht er mit einer Mutter, die Babynahrung sucht und der er zu seinem großen Bedauern sagen muss: „Wir führen leider keine.“

Babynahrung, erzählt Najder anschließend, werde höchstens ein Mal im Jahr nachgefragt, und sie laufe schnell ab. Deshalb hätten sie keine vorrätig. 

Etwas Schlaf Es ist 2 Uhr. Und jetzt? „Lege ich mich hin“, sagt Najder und lacht. Im Büro steht ein ausklappbarer Sessel – für etwas Nachtschlaf. Denn der nächste Tag wird ein normaler Arbeitstag. Ist das belastend? „Belastend ist, an Wochenenden oder Feiertagen nicht bei der Familie zu sein“, sagt Najder, der mit seiner Frau Kasia zwei Kinder hat. „Dann macht die Familie einen Ausflug, und du kannst nicht mit.“ Aber er sagt auch ganz klar: „Das ist der Beruf. Es gehört dazu.“

Ein paar Tage später klingelt das Telefon. Dieses Mal bei der Redakteurin. Es sei eine Sache, einem Kunden ein Nein geben zu müssen, weil etwas nicht lieferbar sei, sagt Michal Najder. Aber ein Nein auszusprechen, nur weil ein Produkt betriebswirtschaftlich nicht ins Sortiment passe, das wiederum passe nicht zum Verständnis seines Jobs. Der Anruf der Mutter sei ihm nachgegangen. Ein kleines Depot an Babynahrung sei nun vorrätig. Redakteurin Stefanie Sapara