Stimme+
Hochrisikospiel
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Alarmstufe Rot in Stuttgart? Polizei bereitet riesigen Einsatz vor VfB-Spiel vor

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Die Polizei bereitet in Stuttgart einen riesigen Einsatz vor: Am Donnerstag wird der VfB auf Maccabi Tel Aviv treffen. Fragen und Antworten rund um Sorgen vor antisemitischen Ausschreitungen bis hin zu Anschlagsgefahren im Überblick.

Von Theodor Westermann

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

Am Donnerstag, 11. Dezember treffen sich die Mannschaften des VfB Stuttgart und von Maccabi Tel Aviv in Stuttgart zum Spiel (18.45 Uhr, MHP-Arena) in der Europa League. Wegen des Nahostkonflikts ist das Spiel hochgradig politisch belastet, birgt zahlreiche Konfliktstoffe bis hin zu antisemitischen Ausschreitungen oder potenziellen terroristischen Gefahrenlagen. Dies veranlasst die Polizeiführung, in Stuttgart einen massiven Einsatz zu planen, vergleichbar mit dem Polizeieinsatz während der EM-Spieltage 2024 in der Landeshauptstadt.

Generell sind die Sicherheitsvorkehrungen bei Auftritten israelischer Sportler in Europa inzwischen groß, deshalb hat die Polizei auch das weitere Spiel von Maccabi Tel Aviv gegen den SC Freiburg am 22. Januar 2026 bereits im Blick. Unser Korrespondent Theo Westermann beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum ist das VfB-Spiel in Stuttgart am 11. Dezember so von der Politik überlagert?

Seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 und dem anschließenden Gazakrieg kommt es quer durch Europa zu antiisraelischen und antisemitischen Ausschreitungen, Anschlägen und Übergriffen durch Hamas-Sympathisanten, die weit über demokratischen Protest hinausgehen. Vor allem unter Migranten mit palästinensischer oder arabischer Herkunft sieht die Polizei ein teils unkalkulierbares Risikopotential, auch konkret in der Landeshauptstadt. Bisher blieben die Proteste im Südwesten in Sachen Nahostkonflikt weitgehend friedlich.  In Baden-Württemberg gibt es klare Bekenntnisse aus Landesregierung wie den politischen Lagern, dass jüdisches Leben völlig ungefährdet stattfinden muss. Der Verein Maccabi Tel Aviv rechnet bis zu 2000 aus Israel anreisenden Anhängern und rund 1000 weiteren Fans. Diese werden, wie es Fangruppen zu eigen ist, lautstark und gut erkennbar in der Stadt präsent sein. Dadurch könnte es zu ungeahnten Konfrontationen kommen. 

Welche Abwägung muss die Polizei bei ihrem Einsatz mit Blick auf mögliche Proteste treffen?

Hier betont der Einsatzleiter, Stuttgarts Polizeivizepräsident Carsten Höfler, gegenüber unserer Redaktion ganz klar: „Wir schützen jüdisches Leben, wir verhindern antisemitische Übergriffe und wirken jeder Form der Gewalt mit Nachdruck entgegen. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit steht dabei nicht in Frage.“ Man werde antisemitischen Straftaten keinen Raum geben und überall dort entschlossen eingreifen, wo es notwendig ist. 

Was für Erkenntnisse gibt es im Vorfeld?

Bisher gibt es keinerlei konkrete Hinweise auf einen geplanten Anschlag, betont die Polizei. Sie ist im ständigen Kontakt mit dem Verfassungsschutz und weiteren Sicherheitsbehörden und hat einen genauen Blick auf die propalästinensische Szene.  Es gebe aber eine hohe abstrakte Gefährdungslage, so Höfler.

Was für eine Rolle spielen die Vorgänge von Amsterdam?

International sorgte die Gewalt rund um das Europa-League-Fußballspiel von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv für Entsetzen. Im November 2024 hatten propalästinensische Demonstranten laut Amsterdams Polizei gezielt israelische Fans angegriffen und bis zu 30 verletzt. Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog bezeichnete die Angriffe meist propalästinensischer Jugendlicher auf israelische Fußballfans in Amsterdam als „ein antisemitisches Pogrom“. In der Kritik der Amsterdamer Stadtverwaltung stand damals aber auch das Verhalten einzelner Maccabi-Hooligans.

Was genau plant die Polizei und wie nutzt sie dabei die Erkenntnisse der EM?

Die Polizei plant einen rund zweieinhalb Tage währenden Einsatz rund um den Spieltag. In der Spitze werden bis zu 2000 Beamte präsent sein. Die Landespolizei wird dabei durch die Polizei aus anderen Bundesländern unterstützt. Alles, was die Polizei hat, wird in Stuttgart sein, von Hubschraubern, über Drohnenabwehr bis zu Spezialkräften. Viele Szenarien hat die Polizei bereits bei der EM 2024 in Stuttgart geübt, inklusive möglicher Amoklagen im Stadion. Deshalb betont Höfler: „Wir bereiten uns auf ein breites Spektrum von Einsatzlagen vor, bis hin zu terroristischen Einsätzen. Unsere Einsatzkräfte sind modern ausgestattet und in der Lage, entschlossen zu handeln. Wir setzen auf bewährte Standards wie bei der UEFA Euro 2024.“ 

War ein Spiel ohne Anhänger des Vereins Maccabi Tel Aviv eine Option?

Nein. Beim Europa-League-Spiel von Aston Villa gegen Maccabi Tel Aviv in Birmingham am 6. November 2025 durften die Anhänger des israelischen Vereins, exakt gesagt die sogenannten „Auswärtsfans“, aus Sicherheitsgründen das Stadion nicht besuchen. Für einen Ausschluss der israelischen Fans in Stuttgart sieht die Polizei aber keinerlei Anlass.  Auch der VfB hat im Vorfeld betont, dass ein Ausschluss für den Verein nicht in Frage komme.

Was empfiehlt die Polizei den Fans?

Gerechnet wird mit einer ausverkauften MHP-Arena, 2900 Karten sind für die Gäste reserviert.  Polizei wie VfB haben die Sicherheitsvorkehrungen am Stadion deutlich verschärft, es kommen erstmals Metalldetektoren zum Einsatz beim Einlass. All dies wird mehr Zeit benötigen, die Polizei rät also den Fußballfans zur frühzeitigen Anreise und bittet die Stuttgarter um Verständnis wegen möglicher Verkehrsbehinderungen.

Wie blickt Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung, auf das Spiel?

Er sehe „aus unterschiedlichen Gründen mit Sorge auf den 11. Dezember, teilt er unserer Redaktion mit.  „Seit Monaten warne ich davor, dass der offene Antisemitismus sich radikalisiert.“  Er denke dabei vor allem an die organisierte Hetzjagd auf israelische Menschen in Amsterdam im November 2024.  Sorge machten ihm auch zurückliegende Ereignisse und die hohe Emotionalität rund um den Fußball.  Genau deshalb habe er frühzeitig den Kontakt zum Innenministerium, dem VfB und den jüdischen Gemeinden gesucht. Man stehe seit Wochen im engen Austausch, er habe großes Vertrauen in alle Verantwortlichen. Blume weiter: „Die Polizei Stuttgart und der VfB Stuttgart sind weit über das übliche Maß hinaus engagiert, blicken sehr genau auf alle Feinheiten und Komplexitäten der Situation und leben eine hohe demokratische Verantwortung. Damit nicht die Sorge, sondern die Spielfreude im Mittelpunkt stehen kann.“

Kommentare öffnen
Nach oben  Nach oben