VfB Stuttgart setzt im DFB-Pokalfinale auf die Erfahrung aus großen Spielen
Im Endspiel des DFB-Pokal zeichnet sich beim VfB Stuttgart ein Stiller-Comeback ab. Außenseiter Arminia Bielefeld will nicht nur auf Werbe-Plakaten frech sein.
Atakan Karazor nahm etwas schüchtern Augenkontakt auf mit dem funkelnden Ding, das da am Freitagabend dicht vor ihm stand. Nur anschauen, nicht anfassen, lautete beim Fototermin rund 24 Stunden vor dem DFB-Pokalfinale des VfB Stuttgart gegen Drittligist Arminia Bielefeld am Samstag (20 Uhr, live im TV und Stream) das Motto. So gegen 22 Uhr, 22.15 Uhr möchte der Kapitän des VfB Stuttgart den 5,7 Kilogramm schweren DFB-Pokal, auf dem die Sieger eingraviert sind, gerne in den Nachthimmel von Berlin wuchten, später dann auch einen Schluck daraus nehmen.
VfB–Hoffnung: Stiller jongliert mit dem Ball
Die beste Final-Nachricht aus Stuttgarter Sicht: Angelo Stiller jonglierte beim Abschlusstraining mit dem Ball, lachte im Kreisspiel im leeren Olympiastadion mit Deniz Undav, Nick Woltemade, Jamie Leweling und Atakan Karazor. Das schaute gut aus mit einem Comeback, obwohl ja erst vor zwölf Tagen zwei Bänder in Stillers-Knöchel gerissen waren. Haut das hin mit der Punktlandung fürs größte VfB-Spiel des Jahres?
Trainer Sebastian Hoeneß ließ sich nicht in die Karten schauen, ein bisschen Pokern gehört ja auch dazu vor großen Spielen wie diesem. „Aktuell sieht es positiv aus. Wir sind guter Hoffnung“, sagte der VfB-Trainer. Ob es für die Startelf reiche, das werde man erst nach dem Anschwitzen entscheiden, so Hoeneß. Atakan Karazor, als Kapitän im Mittelfeld der Nebenmann von Stiller, setzt ganz auf eine Rückkehr des deutschen Nationalspielers. „Wenn ich mit Ange auf dem Platz stehe, dann macht er mich und die Mannschaft einfach besser“, sagt der 28-Jährige.
Als ein Film mit all den Stuttgarter Pokaltoren dieser Saison zur Einstimmung aufs Finale zu Beginn der Pressekonferenz über die Bildschirme flimmert, da umklammerte Karazor ganz fest die Wasserflasche in seiner Hand und lächelte. „Es sind besondere Momente wie diese, die zu so einem einzigartigen Moment wie morgen führen“, sprach er mit Blick aufs Finale gegen den frischgebackenen Drittligameister. Ob er da im Kopf hatte, diesen funkelnden Pott in die Höhe zu recken? Ganz Fußball-Deutschland (Ostwestfalen ausgeklammert) rechnet damit. Eine Stuttgarter Niederlage wäre die größte Finalschmach der DFB-Pokalgeschichte.
VfB-Erfahrungen aus Madrid und Turin sollen helfen
„Die Favoritenrolle ist für mich irrelevant“, findet Sebastian Hoeneß. Wie groß ist der VfB-Vorteil, nicht auf die Bielefelder Alm zu müssen, wo vier Erstligisten scheiterten? „Wir wären nicht gut beraten, wenn wir jetzt denken würden, dass da eine andere Wucht als auf der Alm auf uns zukommt“, findet der 43-Jährige.
Am Donnerstagabend schauten die Stuttgarter zusammen die Erstligarelegation im TV. Hoeneß erinnerte sogleich daran, dass vor nicht einmal zwei Jahren der VfB in zwei großen Spielen gegen den Hamburger SV bestehen musste. Ja, dieses VfB-Team ist auch unter Hoeneß schon durch so manches Stahlbad gegangen. Diese Erfahrung soll zu einem Vorteil auf der größten nationalen Fußballbühne werden. „Wir haben Spiele gegen sehr, sehr große Gegner Europas gemacht, natürlich helfen dir solche Momente“, ist sich Atakan Karazor mit Blick auf das Finale sicher.

Die Bielefelder hingegen müssen am Samstagabend zeigen, dass sie über genauso viel Spielwitz verfügen wie über großflächigen Wortwitz. Der ist derzeit in Berlin überall nachzulesen, weil er von gefühlt jeder Plakatwand in Berlin grüßt. Württemberg geht baden, ist da zu lesen, wenn man am Olympiastadion aus der S-Bahn steigt. Oder: „Europa League, wir kommen. Bielefeld grüßt die besten Fans der Welt.“ Ein Werbe-Gag des Bielefelder Stadt-Marketings, der aufgeht. Sympathisch und frech. „Wir wollen keinen schönen Ausflug machen, sondern den Pokal in der Hand halten“, sprach Mitch Kniat, der Ober-Armine mit den starken Oberarmen.
Launige Sprüche vom Bielefelder Trainer
Spaßig und locker präsentierte sich der Außenseiter gestern auch bei der medialen Fragerunde. So seien sie halt auch als Mannschaft, findet der Trainer. „Das sind die entscheidenden Faktoren, dass du nicht nur am Staunen bist in so einem Finale“, sagte Trainer Mitch Kniat. Der Tattoo-Fan erzählte, wie sich 65-Jährige in Bielefeld für den Finaleinzug und den damit verbundenen schönsten Tag in ihrem Leben bedanken würden. Das Motto dieser Tage laute: „Ich kündige, ich verzichte fürs Finale auf Urlaub. Da war alles dabei“, erzählte der 39-Jährige. Und überhaupt: „In Bielefeld arbeitet seit einer Woche keiner. Es sind alle hier.“


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