Offenbarungseid der Neckarsulmer Frauen im Lipperland
Der Abwärtsstrudel bei der Sport-Union dreht sich immer schneller. Die Bundesliga-Handballerinnen verlieren nach einer ganz schwachen Leistung in Blomberg mit 20:34.

Mit versteinerter Miene stand Tanja Logvin da und sollte, die Hände in die Hüften gestemmt, vor dem Hallenmikrofon Auskunft darüber geben, warum ihre Mannschaft erneut eine herbe Niederlage hatte hinnehmen müssen. Mehr als das Offensichtliche noch einmal in Worte zu fassen, blieb allerdings auch der Trainerin der Sport-Union Neckarsulm nicht übrig: "Ich bin natürlich enttäuscht; es war heftig zum Anschauen. Mit solchen Leistungen im Angriff können wir keine Spiele gewinnen."
Es gelingt so gut wie nichts
Das 20:34 (9:16) bei der HSG Blomberg-Lippe war am Sonntagnachmittag nicht weniger als ein Offenbarungseid. Den Neckarsulmerinnen gelang in Ostwestfalen so gut wie nichts. Im Angriff wechselten sich über weite Strecken verworfene Bälle mit unerklärlichen technischen Fehlern ab, in der Abwehr lautete das Motto - passend zum dritten Advent - "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit". Es war ein rundum desolater Auftritt der Sport-Union.
Bis auf die weiterhin verletzte Sophie Lütke stand Tanja Logvin in der Nelkenstadt ihr kompletter Kader zur Verfügung. Vieles wirkte jedoch wie Stückwerk. Nach 13 Minuten hatten die Neckarsulmerinnen magere zwei Tore erzielt. Ob sich aus dieser Tatsache ein schwacher Beginn oder angesichts des Halbzeitstandes von 9:16 eine offensive Steigerung herauslesen ließ, lag wohl im Auge des Betrachters.
Melanie Veith ist im HSG-Tor kaum zu überwinden
Die 6:0-Abwehr der Gäste war löchrig, Nina Engel und Tija Gomilar Zickero bekamen die Lücken auf ihrer rechten Seite zu Beginn nicht geschlossen, was Malina Michalczik und Alexia Hauf unerwartet viele Freiräume bot. Ein kurzweiliges 5:1-Experiment mit Fatos Kücükyildiz oder Munia Smits an der Spitze half ebenfalls nicht. Ganz anders sah es bei den Gastgeberinnen aus. Stefanie Kaiser und Laetitia Quist formten einen lange Zeit nicht zu überwindenden Innenblock, der sogar weitestgehend ohne Fouls und Zeitstrafen auskam.
Überragend präsentierte sich dahinter Torhüterin Melanie Veith, die vor dem Wochenende ihren Vertrag vorzeitig verlängert hatte. Über 40 Prozent aller Würfe wehrte die 30-Jährige ab, Sarah Wachter und Valentyna Salamakha kamen auf 24 respektive 18 Prozent. Bereits zur Pause lag die Sport-Union mit 9:16 zurück.
Auch nach der Pause wird es nicht besser
Nach dem Seitenwechsel wurde es kaum besser. Zwar standen Luisa Schulze - die wie Daphne Gautschi zunächst auf der Bank gesessen hatte - und Sharon Nooitmeer im defensiven Zentrum etwas sicherer, aber eben nicht unüberwindbar, was angesichts des Acht-Tore-Rückstandes für eine Aufholjagd nötig gewesen wäre. Als Blomberg-Lippe nach der Pause die exzellente Chancenverwertung einfach fortsetzen konnte und eine Viertelstunde vor Schluss erstmals mit zehn Toren in Führung lag, machte sich HSG-Trainer Steffen Birkner daran, erste Spielerinnen zu schonen.
Doch nicht einmal in dieser Phase verstand es die Sport-Union, zumindest noch ein wenig Ergebniskosmetik zu betreiben. Stattdessen landete eine Handvoll Pässe aus der Zentrale im Zuschauerblock anstatt auf Rechtsaußen. Die Verunsicherung der Mannschaft war zu diesem Zeitpunkt längst mehr als offensichtlich.
Trotz? Verzweiflung? Überzeugung?
Technische Fehler en masse verdeutlichten, dass dem Team inzwischen jegliche Selbstverständlichkeit im eigenen Spiel abhanden gekommen ist. Auch die letzten personellen Lichtblicke der Vorwochen konnten sich am Sonntag dem Abwärtsstrudel nicht mehr entziehen. Als Zuschauer wusste man nicht, ob man Ergänzungsspielerinnen wie Laila Ihlefeld und Amber Verbraeken für ihre Kurz-Einsätze in der Schlussphase beglückwünschen oder bemitleiden sollte.
Wie man aus der immer unangenehmeren Bredouille wieder herauskommen möchte? "Uns wird niemand helfen, wir müssen uns selber helfen", sagte Tanja Logvin. Ob diese Feststellung aus Trotz und einer "Jetzt-erst-Recht-Mentalität", aus tiefster Überzeugung oder der puren Verzweiflung entsprang, das ließ sich am Sonntag nicht ergründen. Wie so vieles, was die Sport-Union Neckarsulm in der Sporthalle an der Ulmenallee gezeigt hatte.
Sport-Union Neckarsulm: Salamakha (2 Paraden), Wachter (8 Paraden), Polácková - Gomilar Zickero (2 Tore), Engel (3), Gorshenina (1), Nooitmeer (1), Bruggeman (3), Johannsen (1); Ihlefeldt, Verbraeken, Kücükyildiz (2), Gautschi (3/2), Schulze (2), Smits (2), Moser.
Erfolgreichste Werferinnen HSG Blomberg-Lippe: Malina Michalczik (6 Tore), Mia Ziercke (6/5).
Schiedsrichter: Matthias Klinke/Sebastian Klinke.
Siebenmeter: HSG Blomberg-Lippe: 5/5; Sport-Union: 2/2.
Zeitstrafen: 2/5.
Zuschauer: 679.


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