Bei der olympischen Schieß-Disziplin 3 x 20 gibt es eine festgelegte Reihenfolge, in welcher Anschlagsart auf 50 Meter geschossen wird: Kniend – liegend – stehend. Liegend gilt als einfachste Stellung, da sie die stabilste Lage bietet. Stehend hingegen gilt als schwierigste Disziplin, weil der Körper am unruhigsten ist. „Seit ich angefangen habe zu schießen, ist kniend schon immer meine Lieblingsdisziplin“, sagt die Güglingerin Nele Stark. „Habe ich da schon mal einen guten Start, läuft es auch liegend einfacher. Aber auf internationaler Ebene sind die Schützinnen in allen drei Anschlägen super stark.“
Perfektion nicht nur am Stand: Güglingerin Nele Stark hat sich für die WM in Kairo qualifiziert
Bei der Weltmeisterschaft mit Luftgewehr und Kleinkaliber in Kairo möchte Nele Stark aus Güglingen ins Finale. Intensiv bereitet sie sich vor, auch bei einem Lehrgang mit Frankreichs Schützen.

Training mit der Konkurrenz ist nicht in jeder Sportart Usus. Gemeinsam Wettbewerbe simulieren, zusammen Ausgleichssport betreiben. Sich austauschen. „Wir haben mehr Spaß gehabt“, sagt Nele Stark über den intensiven Vorbereitungslehrgang mit Frankreichs Schützen. „Das ist auch für die Trainer ganz cool, die bekommen neue Ideen.“ Eine Woche lang mitunter mal andere Reize setzen, die Monotonie im Training unterbrechen und interessante Menschen kennenlernen – all das sind wertvolle Teile im Leistungssport-Alltagspuzzle. „Außerdem sind die Franzosen schon stark“, sagt die Kleinkaliberschützin des SSV Güglingen, „daher ist die Vorbereitung auf die WM wirklich perfekt gewesen.“ Ganz abgesehen, dass sich die 22-Jährige noch nie so konzentriert auf eine internationale Meisterschaft eingestimmt hat.
Nele Stark mit deutscher Nationalmannschaft bei Luftgewehr- und Kleinkaliber-WM
An diesem Mittwoch startet das Projekt Saisonhöhepunkt. Von Frankfurt aus fliegt Nele Stark mit der deutschen Nationalmannschaft zu den Weltmeisterschaften mit dem Luftgewehr und dem Kleinkaliber nach Kairo. Es ist ihre erste WM bei den Aktiven. Sich gleich in ihrer Premierensaison qualifiziert zu haben, ist mehr als eine reife Leistung.
Bereits bei EM erfolgreich: Nele Stark aus Güglingen in Kairo bei Schieß-WM
Schon bei den Europameisterschaften im französischen Châteauroux Ende Juli hat die Sachbearbeiterin bei Schunk in Lauffen gezeigt, dass sie nicht fremdelt. Vielmehr hat Nele Stark eindrucksvoll bewiesen, dass sie mit den Besten mithält. EM-Gold mit der Mannschaft ist der schönste Beleg. Dass sie teamintern alles andere als ein Anhängsel ist, hat das Mitglied des Eliteteams der Sporthilfe Unterland zudem mit Platz neun und 589 Ringen in der Einzelwertung des olympischen Dreistellungskampfes gezeigt. Für den Einzug ins Finale hat der Zabergäuerin nur ein Innenzehner gefehlt.
Nun die WM. Die internationale Anlage kennt Nele Stark bereits, 2022 ist sie schon einmal dort gewesen. Auch auf die ewige Warterei am Flughafen haben Bundestrainer Wolfram Waibel und Carsten Hees das Team eingestellt. Da hilft nur entspannt bleiben, die Einreise mit Waffen bringt nun mal enorm viel Papierkram mit sich.
Güglingerin bei Luftgewehr- und Kleinkaliber-WM in Ägypten
Zeit, sich auf ihre Kleinkaliber-Disziplin, den Dreistellungskampf 3 x 20 einzustimmen, bleibt dennoch ausreichend. Am 11. November startet die sogenannte Elimination, tags darauf folgen die Qualifikation – und im Idealfall noch das Finale der besten Acht. Nele Stark ist nicht zögerlich, benennt ihr Ziel klar: „Als Erstes möchte ich meine Technik so umsetzen, wie ich mir das vorgenommen habe. Und da ich bei der EM das Finale knapp verpasst habe, strebe ich das nun bei der WM an“, sagt sie. „Klar ist das Level dort nochmal ein anderes, weil auch die sehr starken Chinesen und Inder dabei sind. Aber es wäre schon cool, wenn ich das erreichen würde.“ Auch die deutsche Mannschaft sieht Nele Stark „vorne mit dabei“. Schon wegen der Olympia-Elften Anna Janßen. Die 24-Jährige ist auch vor drei Jahren Mannschafts-Weltmeisterin geworden – in Kairo. Das deutsche Trio komplettiert Lea Ruppel.
Die Weltelite rückt jedoch ständig enger zusammen, die Präzision der Athletinnen ermöglicht unglaubliche Ergebnisse. Bei einem Maximum von 200 Ringe in jedem der insgesamt drei Anschläge, sagt Nele Stark. „Wenn ich liegend 197 schieße, bin ich nicht zufrieden, kniend ist es ab 196 auch schon eher schlecht. Selbst stehend sollte man 195 aufwärts haben.“ In Abhängigkeit der (Wind-)Bedingungen am Stand braucht es in Summe bei einer Weltmeisterschaft mindestens 590 Ringe, um im Finale zu stehen. Nuancen entscheiden, wie die Europameisterschaft gezeigt hat.
Trotz Flugangst nach Kairo: Nele Stark freut sich auf Weltmeisterschaft
Millimeter-Menschen Sind Schützen im Alltag denn auch Millimeter-Menschen? Nele Stark lacht: „Also ich bin eine davon, denn ich bin auch außerhalb des Schießens sehr perfektionistisch und pingelig.“ Anders ergibt die Doppelbelastung Job und Leistungssport auch keine erfolgreiche Symbiose. Um beiden Säulen weiter gerecht zu werden, reduziert Nele Stark ihre Arbeitszeit nochmals ein wenig. Sie ist in diesem Jahr viel gereist – und schon jetzt ist klar, dass es so bleiben wird.
Selbst nach dem Saisonhöhepunkt in Ägypten steht weder ein Urlaub an, noch eine Reduzierung des Trainings. Schließlich ist die Luftgewehr-Bundesliga bereits im Gang und Nele Stark tritt dort für den SSV Kronau an. Ihr Heimatverein bleibt aber der SSV Güglingen.Im Hier und Jetzt zählt die WM. Trotz ihrer Flugangst freut sich Nele Stark auf Kairo – allein wegen der wärmeren Temperaturen.

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