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Bei der Handball-WM steht Bundestrainer Prokop im Fokus

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Die EM 2018 war das erste große Turnier für Christian Prokop als Bundestrainer, das Verhältnis zwischen ihm und der Mannschaft war gestört. Heute beginnt die Handball-WM in Deutschland und Dänemark. Das Turnier wird zeigen, ob Trainer und Spieler inzwischen miteinander können.

Von Stephan Sonntag
Die Verbissenheit ist bei Christian Prokop (2.v.l.) gewichen. Mittlerweile sieht man den Bundestrainer im Kreise seiner Spieler häufig lächeln.
Foto: dpa
Die Verbissenheit ist bei Christian Prokop (2.v.l.) gewichen. Mittlerweile sieht man den Bundestrainer im Kreise seiner Spieler häufig lächeln. Foto: dpa  Foto: Danny Gohlke

Vor dem Eröffungsspiel eines großen Turniers bleiben immer offene Fragen. Für die deutsche Handball-Nationalmannschaft lauten die beispielsweise, ob mit einem Zweitliga-Spielmacher wie Martin Strobel eine WM gewonnen werden kann, oder ob die Mannschaft dem besonderen Druck eines Heimturniers gewachsen ist.

Über allem schwebt aber die eine entscheidende Frage: Ist das Binnenverhältnis zwischen Trainer und Mannschaft wirklich repariert? Ist da im vergangenen Jahr tatsächlich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut worden, das auch in extremen Stress- und Drucksituationen - die im Turnierverlauf zweifellos kommen werden - stabil bleibt?

Prokop: Ich wollte nur meine Spielphilosophie durchdrücken

Offen zu Tage traten die Differenzen zwischen Christian Prokop und seinen Führungsspielern bei der EM 2018 in Kroatien. Der Bundestrainer hat nach seinem ersten großen Turnier Fehler eingestanden. "Ich wollte nur meine Spielphilosophie durchdrücken - und dies in sehr kurzer Zeit. Das hat dazu geführt, dass ich Teile der Mannschaft verloren habe", sagte der 40-Jährige kürzlich der "Welt".

Der Konflikt wurde den Zuschauern bis ins heimische Wohnzimmer getragen. In den Auszeiten schienen die Spieler nicht immer zuzuhören, ignorierten zum Teil taktische Anweisungen und spielten völlig andere Spielzüge als angesagt. Ein offener Eklat. Betrachtet man die Länderspiele seitdem und besonders die jüngsten Tests vor dem WM-Start hat sich in dieser Hinsicht viel verändert.

Die Ansprachen sind klarer und knapper geworden

Prokops Ansprachen sind knapper und klarer. In der Regel steigt er mit einem Signalwort ein. Entweder "hinten" - verbunden mit Hinweisen zum Defensivspiel - oder "vorne" - für taktische Anweisungen im Angriff. Sein Tonfall ist ruhig und gelöst, die totale Anspannung ist gewichen. Da ist sogar immer mal wieder ein Lächeln auf seinen Lippen zu sehen.

Die Spieler dürfen Rückfragen stellen, die präzise beantwortet werden. Der nächste Spielzug darf auch mal von Spielerseite angesagt werden. Eine erste Hürde hat das reparierte Vertrauensverhältnis bereits genommen. Die Nicht-Nominierung von Tobias Reichmann für den endgültigen 16er Kader hat für keinerlei Unruhe gesorgt. Als Prokop vor einem Jahr Finn Lemke aus dem EM-Kader gestrichen hatte, war das der Anfang vom Ende.

Kommunikation war ein wesentliches Problem

Das Thema Kommunikation hatte Prokop zu Recht als ein wesentliches Problem erkannt und Maßnahmen ergriffen. "Ich tausche mich jetzt regelmäßiger vor allen mit den Führungsspielern aus, ob das nun ein taktischer Abgleich ist oder ein Stimmungsfeedback. Das habe ich intensiviert, nachdem ich solche Gespräche zuvor unterschätzt und viel zu selten geführt hatte", räumte er in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur ein. Kommunikation funktioniert freilich nur, wenn der Sprecher auch Zuhörer findet.

Weiterlesen: Was Ex-DHB-Präsident  Bernhard Bauer der deutschen Mannschaft zutraut

Die Spieler stehen nicht weniger in der Pflicht, sich dem gemeinsamen großen Ziel unterzuordnen, wie der Trainer. "Die Spieler müssen sich auch an die eigene Nase fassen", sagte Heiner Brand im Gespräch mit der Heilbronner Stimme. Der Weltmeistercoach von 2007 ist überzeugt: "Christian Prokop hat Fehler gemacht und Lehrgeld bezahlt. Ich bin mir aber sicher, dass er diese Fehler korrigiert hat."

Ähnlich wie Brand sieht es auch ARD-Handballexperte Dominik Klein: "Das gemeinsame Ziel muss über allem stehen. Da müssen Einzelinteressen untergeordnet werden. Geschlossenheit muss der größte Erfolgsfaktor werden."

Ex-Bundestrainer Brand warnt vor großem Druck

Klar ist auch: Wird die Heim-WM kein Erfolg, spielt die Mannschaft keinen mitreißenden Handball, verpasst das anvisierte Halbfinale und treten wieder interne Konflikte auf, dann dürften die Mechanismen des Geschäfts greifen. "Der Bundestrainer steht unter großem öffentlichem Druck und weiß, dass bei einem weiteren Misserfolg noch größere Diskussionen aufkommen werden", sagt Brand.

Obwohl der 66-Jährige beinahe ein Vierteljahrhundert als Handballtrainer tätig war, 14 Jahre davon als Bundestrainer, gibt er zu: "So eine Situation wie Christian Prokop nach der EM, dass ein Misserfolg so sehr an meiner Person festgemacht wurde, habe ich nicht erlebt."

Es bleibt in jedem Fall ein gewisses Restrisiko.

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