Rüdiger Rehm bei Vitesse Arnheim – so arbeitet der Heilbronner Fußballtrainer
Der Heilbronner Fußballtrainer Rüdiger Rehm gewährt Einblick ins Trainingszentrum von Vitesse Arnheim. Warum er auf Ordnung setzt und Sprachunterricht nimmt.
Unerkannt durch die neue Heimat kommt Rüdiger Rehm nicht weit. „Hey, Coach“, ruft es in der Innenstadt von Arnheim immer wieder. Ein freundliches Winken hier, ein nach oben gestreckter Daumen inklusive Fan-Lächeln dort.
„Einfach so abends anonym ein Bier trinken, das geht nicht. Dafür hat der Fußball hier einen zu großen Stellenwert“, sagt Rüdiger Rehm. Der aus Heilbronn stammende Fußballlehrer ist seit vergangenem Sommer Trainer beim Traditionsverein Vitesse Arnheim.

Rüdiger Rehm wird in Arnheim schnell erkannt – Anonymität ist hier kaum möglich
Ortswechsel: Am Stadtrand der 170.000-Einwohner-Stadt, unweit der deutschen Grenze, liegt das Trainingszentrum von Vitesse. Umgeben von Einrichtungen des niederländischen Sportbundes. Rehm gewährt hier exklusive Einblicke in das Herz seines Vereins. Die Türen in der 2013 gebauten Anlage öffnen sich per Fingerscanner. Die Profis haben frei an diesem Tag. Rehm ist seit wenigen Tagen 47 Jahre alt, deshalb hat er Kuchen für seine Chefs im oberen Stockwerk gekauft. „Das kennen die hier gar nicht, dass man deshalb was mitbringt“, sagt er.
Das Fitnessstudio, das auch die Jugendspieler mitbenutzen dürfen, ist zentraler Ort der Anlage. Den Gang, vorbei an Eisbecken und Sauna, hin zur Mannschaftkabine, säumen die schönsten Fan-Choreografien der vergangenen Jahre. „Wenn die Disziplin in der Kabine nicht vorhanden ist, dann ist sie auch auf dem Feld nicht da“, sagt Rehm, dem an diesem Nachmittag die leichte Unordnung in der Kabine missfällt, weil hier und da Kleidungsstücke auf dem Boden liegen. „Muss ich noch mal ansprechen“, sagt er.
Im Trainerzimmer hängt eine eigene Tabelle - ohne Punktabzug
Im Trainerzimmer hängt ein Ausdruck der aktuellen Tabelle der zweiten Liga an der Wand. Hier steht Vitesse Arnheim nicht auf dem letzten Platz wie im tatsächlichen Klassement, sondern im oberen Mittelfeld, weil auf diesem Ranking der Zwölf-Punkte-Abzug wegen Lizenzverstößen nicht berücksichtigt ist. Immerhin: Als Proficlub kann Vitesse gar nicht absteigen, was mit ein Grund für die bisher so starke Saison ist. „In Deutschland wäre so ein großer Punktabzug ein viel zu schwerer Rucksack“, sagt Rüdiger Rehm.
Die auf den letzten Drücker zusammengestellte Mannschaft – mit dem geringsten Marktwert der Liga – hält sportlich prima mit, hat genauso viele Spiele gewonnen wie verloren. Der Zuschauerschnitt ist mit rund 18.000 aktuell höher als zuletzt in der Eredivisie. Im Frühjahr 2022 gastierte die AS Rom noch zum Achtelfinale der Conference League im GelreDome mit seinem verschließbaren Dach. Lange sah es nun im Juli und August danach aus, als ob dort ohne Zweitliga-Lizenz der Fußball nie mehr rollen würde. Und nun? „Wir entwickeln eine Mannschaft, die im nächsten Jahr zu den Top-Teams der zweiten Liga zählen kann. Fünf Jahre zweite Liga, das geht in diesem großen Verein nicht“, sagt Rehm über sein Ziel: „Ich fordere die erste Liga in zwei, drei Jahren von mir ein.“

Sprachkurse für mehr Integration – Respekt durch Niederländisch
Drei, vier erfahrene und zuletzt vertragslose deutsche Drittliga-Akteure bilden die Korsettstangen eines Teams mit vielen Eigengewächsen, das innerhalb von 32 Wochen (inklusive Winterpause) bis Ende April 38 Ligaspiele zu bestreiten hat. Ein knüppelhartes Programm.
Auf dem Tisch im Trainerbüro liegen Arbeitsblätter zum Niederländisch lernen. Seit sechs Wochen gibt es einmal die Woche Sprachunterricht für Rehm und Co-Trainer Timm Fahrion. „Mein Ziel ist es, diese Saison mal noch nach Spielschluss ein Interview auf Niederländisch zu geben. Das hat für mich etwas mit Respekt zu tun“, sagt Rehm, der immer wieder ins Englische wechselt, sobald Niederländer mit im Raum sind. „Ich denke auch schon auf Englisch“, sagt Rehm und erzählt, dass er bei einem Heimatbesuch in Heilbronn neulich verwirrte Blicke kassierte, weil er als Schiedsrichter eines Trainingsspiels bei den Alten Herren der Laube „continue, continue“, statt „weiter, weiter“, brüllte.
Rehm war lange im Hotel, weil unklar war, wie es weitergeht
Der sportliche Erfolg tut Arnheim gut, aber auch seinem Trainer. Erst recht, weil Rehms Trainer-Jobs zuletzt beim FC Ingolstadt und bei Waldhof Mannheim in der 3. Liga in Deutschland mangels Erfolg ein arg jähes Ende fanden. „Das macht etwas mit einem Menschen“, sagt er über den Erfolgs-Hype rund um Vitesse, das auf dem Sterbebett lag, nun aber wieder quicklebendig ist. Nach vier Monaten im Hotel und in einer Ferienanlage aufgrund der Lizenzunsicherheit hat Rehm vor den Toren der Stadt in Oosterbeek eine Wohnung gefunden. „Das ist das Flein von Arnheim“, sagt Rehm. Mit dem Zafvino in der Innenstadt existiert auch ein Lieblingsrestaurant.
In seinem Büro zeigt er auf ein Regal. Dort stand schon die große Kiste mit den gepackten Sachen, ehe es Anfang September dann doch noch im allerletzten Moment die Zweitliga-Lizenz gab und das Abenteuer Arnheim nicht endete, bevor es so richtig beginnen konnte. Am Tag vor der finalen juristischen Lizenz-Entscheidung fuhr Rüdiger Rehm nachmittags im Auto eine Stunde ans Meer. Allein sein. Vitamin Sea tanken. Das brachte Glück. „Das Meer hat gesagt, ich will dich hier noch länger sehen“, sagt Rehm und grinst.
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