Trainer Rüdiger Rehm spricht über die verrücktesten Wochen in seinem Trainerleben
Wie der Heilbronner Trainer einen besonders emotionalen Abend mit dem niederländischen Traditionsverein Vitesse Arnheim erlebt hat.

Immer wieder weg, aber am Ende dann doch da und bestens gelaunt. Die vergangenen Wochen sind für Rüdiger Rehm ein bisschen so verlaufen, wie das Telefonat am Montagabend, als sich der Fußballtrainer auf dem Weg zurück in die Niederlande befindet. Nur, dass sich für seinen Arbeitgeber Vitesse Arnheim keins der vielen Funklöcher auf der deutschen ICE-Strecke gen Niederlande auftat, sondern ein Loch, das ihn beinahe verschluckte. Vor Saisonbeginn übernahm der Heilbronner Fußballlehrer das Traineramt beim niederländischen Traditionsclub. Der bekam Anfang August die Lizenz entzogen. Es folgten Wochen voller Ungewissheit. „Meine Hoffnung war immer sehr groß. Ich habe nie den Grund gesehen, warum du einem Verein dieser Größe, mit diesem sozialen Engagement den Hahn abdrehst“, sagt Rüdiger Rehm. Aber Zweifel am gemeinsamen Happy End, die hatte natürlich auch der Ex-Zweitligaprofi.
Mehr Trainer als Spieler auf dem Trainingsplatz
Die erste Elf flüchtete nach zuvor vielversprechenden Testspielen (unter anderem mit einer 3:0-Führung beim 1. FC Köln), der Trainerstab blieb. Teilweise standen mehr Trainer als Profis auf dem Trainingsplatz, berichtet Rehm von kuriosen Übungseinheiten.
Unter anderem weil einer der lokalen Investoren nicht offenlegen wollte, woher sein Kapital stammte, gab es keine Spiellizenz. Die erhielt Vitesse erst vor einem ordentlichen Gericht Anfang September zurück, als der Transfermarkt geschlossen, die Liga-Konkurrenz bereits vier Spiele absolviert hatte. Vitesse verfügte nun über eine Spiellizenz, aber kein Team. Was wenige Tage vorm ersten Pflichtspiel folgte, klingt mehr nach TV-Show als nach Realität. Rehm und Co. luden 25 vertragslose Spieler ein, die sich im Elf gegen Elf gegenüberstanden. Sechs davon erhielten einen Vertrag. Rehm kam sich beim Casting ein bisschen vor wie Dieter Bohlen, wie er lachend sagt. Nur, dass bei „Vitesse sucht den Superkicker“ echte Profis vorspielten.
Am Tag vorm ersten Saisonspiel (0:4 bei Jong AZ) wurden weitere Spieler verpflichtet, die teilweise während des Abschlusstrainings in der Vereinszentrale schnell noch ihre Verträge unterschrieben. „Bei der ersten Partie haben manche Jungs die Namen ihrer Teamkollegen noch gar nicht gekannt“, erzählt Rehm. Ebenso kurios: „Wir haben erst zwei Mal alle zusammen trainiert, aber wir haben schon drei Ligaspiele absolviert“, sagte Rehm am Montagabend.
Ein besonderer Tag mit besonderem Rahmen
Vier Punkte aus drei Spielen in der niederländischen Keuken Kampioen Divisie holte die Last-Minute-Truppe durch ein spätes 1:1 in Waalwijk und dem 3:1-Heimsieg gegen Helmond Sport am vergangenen Samstag, der nicht nur im Zeichen des ersten Heimspiels, sondern auch ganz im Gedenken an die Schlacht um Arnheim vor 81 Jahren im Zweiten Weltkrieg stand. „Dass an diesem Tag das erste Heimspiel von Vitesse stattfindet, nachdem wir alle tot waren, das hat gepasst“, sagt Rüdiger Rehm über einen sehr emotionalen Abend vor ausverkauftem Haus.
24 000 Zuschauer sorgten für eine ganz spezielle Atmosphäre. Rehms Mannschaft trug ihren Teil bei, machte aus einem 0:1-Rückstand (plus pariertem Elfmeter) einen Sieg für die ganze Region. „So ein Abend zu erleben, das ist eine Belohnung für uns alle. Das war außergewöhnlich“, sagt Rehm. Am Sonntagabend daheim auf der Couch hat er sich die Handyvideos angeschaut, die seine Kumpels vor Ort gedreht hatten. „Während des Spiels bist du so im Tunnel, da kriegst du das Drumherum gar nicht mit“, sagt er.
Für Arnheim so wichtig wie der VfB für Stuttgart
Dabei geht es den Vitesse-Fans gar nicht so sehr um Siege und mehr als Rang 20 (bedingt durch den Zwölf-Punkte-Abzug), sondern einfach um den Fortbestand einer 133-jährigen Vereinsgeschichte. „Für diese Region ist Vitesse das, was der VfB Stuttgart für das Unterland ist“, sagt Rehm: „Wenn der VfB von der Bildfläche verschwinden würde, wäre das für viele ein Einschnitt in ihrem Leben.“ Vitesse ist und bleibt da, auch weil Profiteams in den Niederlanden nicht sportlich aus der zweiten Liga absteigen können.
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