Hohenloherin Lisa Karl im Dienst für Fußball-Bundesligist SC Freiburg
Die gebürtige Hohenloherin Lisa Karl ist Defensivkraft beim SC Freiburg, dessen Fußballerinnen in der Bundesliga auf Rang sechs stehen. Im Gespräch über Herausforderungen, Ziele und Wünsche, geführt im Heimatort Westernhausen, wo sie erstmals auf dem Platz stand.

Auf dem Sportplatz des SV Westernhausen ist es windig. Lisa Karl trägt einen Steppmantel. Hier hat sie das Fußballspielen gelernt. Bereits mit 15 Jahren zog sie aber ins Sport-Internat nach Freiburg. Dort schaffte sie es beim SC bis in die Bundesliga-Mannschaft. Wenn es der Fußball und ihr Beruf als Polizistin zulassen, kommt sie gern auf Heimatbesuch ins Jagsttal.
Routiniert und doch begeistert spricht die in Bad Mergentheim geborene Lisa Karl über ihren letzten Treffer. "Eine Mitspielerin hat den Ball in den Sechzehner geflankt. Der Ball ist aufgesprungen, ich habe ihn mit dem Oberschenkel angenommen und mit dem linken Fuß ins Tor geschossen", sagt die 26 Jahre alte Außenverteidigerin. "Vielleicht nicht das schönste Tor - aber drin." Gerne würde sie auch am Sonntag einen Treffer erzielen - wenn es im DFB-Pokal-Halbfinale (Anpfiff 18.30 Uhr) zu RB Leipzig geht.
Als Jugendliche bricht Lisa Karl nach Freiburg auf
Bei einem Sichtungsturnier für die U 15-Nationalmannschaft sei ein U 17-Trainer des Sport-Clubs auf sie aufmerksam geworden. Zu dieser Zeit war Karl für die U 17 des TSV Crailsheim aktiv. 2012, mit 15 Jahren, zieht sie ins Sportinternat nach Freiburg. Richtiges Heimweh als Jugendliche hatte sie nicht, da sie sich schnell einlebte und wohlfühlte. "Aber nach den ersten Weihnachtsferien zu Hause war es zuerst etwas schwer, wieder zurückzugehen." Doch einmal zurück im südlichsten Zipfel des Landes, dreht sich wieder alles um den Sport. "Mit 15 ist früh - aber so kam es mir da gar nicht vor. Ich hab an Fußball gedacht und das war eben ein guter Schritt für mich", sagt Karl. Über die Jugendmannschaft sei sie "langsam in den Bundesliga-Kader der ersten Mannschaft gerückt".
In privater Straßenkleidung bekommt man Lisa Karl selten zu Gesicht
Gelegenheiten, die Fußballerin in zivil zu sehen, sind rar. "Ich fahre meist zur Arbeit, habe Uniform an, dann trage ich kurz private Kleidung, bevor ich mich wieder für das Training umziehe", sagt die Polizeihauptmeisterin. Den Wechsel von Dienstmütze zu kurzen Hosen mag sie. "Ja, das ist ein Beruf, den ich immer schon machen wollte. Beides stand tatsächlich in meinem Freunde-Buch: Fußballerin und Polizistin." Es ist eine Arbeit, "die mir Spaß macht und vielfältig ist", auch sei es ein vertrautes Team-Gefüge, sagt Karl - wie auf dem Platz. Die Kombination zeigt Karl im Juni 2022, als sie mit der deutschen Polizeiauswahl den Europameistertitel in Trondheim holt.
Ist Lisa Karl als Abwehrspielerin dann Ordnungshüterin im doppelten Sinne? "Auf die Polizei bezogen stimmt es ja schon", sagt sie. Natürlich sei sie Verteidigerin, doch beim Fußball gehe es eher um Disziplin.

Und die hat Lisa Karl besonders beweisen müssen. Gleich zwei Mal kämpfte sie sich nach Verletzungen wieder zurück. Zunächst 2014, als sie das erste Mal die höchste Liga betrat. "Am Wochenende hatte ich mein Bundesliga-Debüt und bin da-nach zur U17-Weltmeisterschaft nach Costa Rica - da habe ich mir Kreuzband und Meniskus gerissen." Die zweite Ruptur traf Karl 2016 mit der Nationalelf bei der U19-EM. "Das war noch bitterer, weil der Weg zurück noch schwerer war." Doch: "Wenn man ein Ziel hat, und es einem Spaß macht, dann kriegt man das mit Disziplin, Ehrgeiz und der richtigen Einstellung geschafft. Und ich hatte immer Zielpunkte, an denen ich mich festhalten konnte."
Die Außenverteidigerin hegt Sympathie für die Landschaft Südbadens
Der südbadische Wohnort zählt dazu. "Ich wollte auch nicht in einer reinen Großstadt leben", sagt Karl, die 2013 auch Hohenloher Sportlerin des Jahres geworden ist, "vielleicht, weil ich selbst vom Land komme. Rund um Freiburg ist es auch ein bisschen ländlicher". Die Seen und die Dreisam hat sie gern. "Auch der Winter ist toll, mit Bergen und Schnee." Und Wintersport? "Nur Schlittenfahren, bei der Knieverletzung will ich lieber nichts riskieren. Vielleicht nach der Karriere."
Apropos Karriere, was steht bei der Polizei noch an? Lisa Karl reizt eine Kommissarslaufbahn und Arbeit für die Kripo. Auch aus handfesten Gründen. "Ohne die Polizei könnte ich kaum etwas auf die Seite legen. Und ich habe nach dem Fußball ein festes Standbein." Bei Männern sei es anders, die "müssen sich über ihre finanzielle Situation keine Gedanken machen".
Der Blick auf hochklassigen Fußball - von Frauen gespielt - müsse sich ändern, meint Lisa Karl
Ihr und anderen Spielerinnen gehe es nicht darum, genau "die Gehälter wie Männer zu kriegen. Wir wollen, dass man als Frau vom Fußball leben kann und dass das als normaler Job angesehen wird". Mit Blick auf den Aufwand sollten Bundesliga-Spielerinnen nicht nebenbei noch einen Job haben müssen, ist Karl überzeugt. Equal Pay: das Stichwort hat den Fußball erreicht. Immerhin, so Karl, "die Sichtbarkeit ist deutlich gestiegen - auch durch die EM letztes Jahr".
Und an welche Meilensteine denkt sie? "Realistisch ist jetzt das Finale des DFB-Pokals", sagt Karl. Im Halbfinale geht es zum Zweitligisten RB Leipzig. "Im Pokal ist alles möglich, während die Meisterschaft weit weg ist." Außerdem wäre Karls Wunsch "international zu spielen". Falls sich der aktuelle Tabellensechste qualifiziert - auf welchen Gegner hätte Karl in der Champions League Lust? "Ich weiß nicht, ob Lust das richtige Wort ist", sagt Karl und lacht. "Aber Barcelona wäre ganz cool, am besten im Camp Nou."
Kein Wechseleifer
Häufige Vereinswechsel und Durchlauferhitzer-Denken ist Lisa Karls Sache nicht. "Ich hatte nie das Gefühl, einen anderen Schritt gehen zu müssen, um mich weiterzuentwickeln." Habe sie sich erst eingewöhnt, könne sie ihre besten Leistungen erbringen, ist sie überzeugt. Guten Halt gibt ihr Freiburg. Seit mehr als zehn Jahren sei das ihre "zweite oder neue Heimat geworden", wie Karl sagt. Der Sport-Club sei familiär, stehe immer hinter ihr und sie habe sich ein solides privates Umfeld aufgebaut.