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Fußball-Schiris im Unterland statuieren ein Exempel

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Spiele von Eintracht Beilstein, Blau-Weiß Heilbronn und 1. FC Lauffen werden bis zur Winterpause nicht mehr besetzt. Die Partien sind somit alle abgesagt. Es ist die Reaktion der Unparteiischen auf körperliche Attacken und verbale Beleidigungen.

Die Tore auf dem Sportgelände von Blau-Weiß Heilbronn können abgebaut werden. Sie werden vor Beginn der Rückrunde nicht mehr benötigt, zumindest nicht für den offiziellen Spielbetrieb.
Foto: Andreas Veigel
Die Tore auf dem Sportgelände von Blau-Weiß Heilbronn können abgebaut werden. Sie werden vor Beginn der Rückrunde nicht mehr benötigt, zumindest nicht für den offiziellen Spielbetrieb. Foto: Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Genug ist genug. "Das Maß ist übervoll. Jeder einzelne Vorfall ist einer zuviel", bezieht Marco Gegner, Schiedsrichter-Obmann der Gruppe Heilbronn und im Fußballbezirk Unterland, klar Stellung. Schiedsrichter sind hart im Nehmen, müssen von Spieltag zu Spieltag beleidigende oder verhöhnende Kommentare aus Reihen der Zuschauer über sich ergehen lassen. Doch in dieser Saison ist es jetzt bereits zum dritten Mal zu nicht mehr hinnehmbaren Auswüchsen gegen Unparteiische gekommen, durch Spieler von TGV Eintracht Beilstein, Blau-Weiß Heilbronn und 1. FC Lauffen II.

Für Marco Gegner und Sascha Wirth (Obmann Kocher-Jagst) ist eine rote Linie überschritten worden, auch weil zwei der drei betroffenen Schiedsrichter auch Tage nach den Geschehnissen diese noch nicht verarbeitet haben und nicht absehbar ist, ob sie überhaupt noch Spiele zukünftig pfeifen werden. "Wir hatten am Montag eine zweistündige Videokonferenz mit Vertretern des Württembergischen Fußballverbands, dem Verbandsschiedsrichter-Ausschuss und weiteren Personen, in der alle Handlungs-Optionen beraten wurden", macht Gegner deutlich. Es werden klare Zeichen gesetzt.

 


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Heim- und Auswärtsspiele sind betroffen

"Im Jahr 2021 werden keine Spiele mehr mit Beteiligung dieser drei Mannschaften durch Schiedsrichter besetzt", verkündet Gegner. Hiervon sind Heim- und Auswärtsspiele sowie im Fall des 1. FC Lauffen nicht nur die Partien der zweiten, sondern auch die der ersten Mannschaft betroffen. "Geprüft wird, ob die Spiele im folgenden Jahr unter einer entsprechenden Aufsicht nachgeholt werden. Für die aufkommenden Kosten müsste dann der entsprechende Verein aufkommen. Dies liegt jedoch nicht in meinem Wirkungsbereich" sagt Gegner.

"Unsere Vorgehensweise soll eine Signalwirkung für alle Vereine haben, auch dahin, dass wir bei weiteren derartigen Vorfällen zu noch härteren Mitteln greifen werden", kündigt Gegner an. Weitgreifendere Möglichkeiten könnten das Absetzten von Schiedsrichtern bei ganzen Spieltagen sein, sodass Vereine mit Punktabzügen bestraft oder in letzter Konsequenz ganz vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden.

"Ich hätte die betroffenen Vereine gerne vor der Spielabsetzung informiert, jedoch lief dies aufgrund der Einbindung von vielen verschiedenen Parteien nicht wie gewünscht", entschuldigt sich Gegner. Einige der betroffenen Vereine haben den Kontakt zu Marco Gegner und seinen Ausschussmitgliedern gesucht. "Dabei war für uns erschreckend, dass die Entscheidungen zwar Akzeptanz zu finden scheinen, jedoch die Geschehnisse stellenweise als normale Bagatelle erklärt wurden", berichtet Gegner. "Für uns ist diese Entscheidung ein klares Signal gegen jegliche Form von Gewalt, Diskriminierung oder Aggressionen sowie Beleidigungen gegenüber Unparteischischen, welche diesen Job ehrenamtlich ausüben. Wir, die Schiedsrichtergruppen Heilbronn und Kocher/Jagst, stehen zu einhundert Prozent hinter dieser Entscheidung."


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Zum Teil pfeifen Schiedsrichter zwei Spiele am Tag, damit der Spielbetrieb aufrecht erhalten werden kann. "Solche Vorfälle führen umso mehr zu einem noch größeren Schiedsrichter-Mangel"" warnt Marco Gegner.

Unverständnis bei den Betroffenen

Überrascht und zum Teil mit Unverständnis beziehen die Vertreter der drei abgestraften Vereine Stellung. "Ich halte diese Vorgehensweise nicht für gerechtfertigt und für völlig überzogen", sagt Tihomir Tominac, Vorstand von Blau-Weiß Heilbronn. Der Vorfall, der seine Mannschaft betrifft, sei nicht so dramatisch gewesen, wie es dargestellt wurde. "Natürlich war das nicht in Ordnung. Der Spieler ist gesperrt worden und das nehmen wir auch so an. Warum jetzt die ganze Mannschaft und der Verein noch bestraft wird, verstehe ich nicht."

Ähnlich äußert sich Ayhan Özer. Der Vorstand des 1. FC Lauffen, fühlt seine beiden Mannschaften ebenso zu unrecht an den Pranger gestellt, für das Fehlverhalten einer einzelnen Person. "Der Spieler, der den Schiedsrichter beleidigt hat, da sorge ich dafür, dass dieser bei uns nicht mehr spielt", sagt Özer, der den Spielabbruch in Schwaigern für "übertrieben" hält und nicht weiß, wie solche Ausraster zu verhindern sind. "Ich kann im Vorfeld nicht sagen, den Spieler sortiere ich jetzt aus, weil man vermutet, er könnte den Schiedsrichter beleidigen." Özer stellt sich zudem die Frage, warum auch die erste Mannschaft abgestraft wird, die mit dem ganzen Vorfall nichts zu tun hat.

"Wir haben davon nur Kenntnis genommen, da wir festgestellt haben, dass unsere Spiele gestrichen worden waren", hätte sich Wolfgang Behr, Vorstand TGV Eintracht Beilstein, vorab eine Stellungnahme von offizieller Seite gewünscht. "Da ich keine Begründung in schriftlicher Form vorliegen habe, kann ich mich dazu auch nicht äußern."

Völlig unverschuldet werden indirekt die nächsten Gegner der drei Vereine mitbestraft. "Ob das der richtige Weg ist, sei dahingestellt. Ich kann den Unmut bei uns verstehen, da wir ja an allem unbeteiligt sind, aber man muss sich auch mal in die Situation der Schiedsrichter hinein versetzten", sagt der Ellhofener Abteilungsleiter Alexander Hemmer, dessen Team am Sonntag gegen Blau-Weiß gespielt hätte, nun aber in einem vorgezogen Spiel den VfL Eberstadt erwartet, dessen Begegnung gegen Sülzbach wegen eines Corona-Falls beim SVS nicht stattfindet.


Die Vorfälle im Unterland der letzten Wochen

TGV Eintracht Beilstein: Im Achtelfinal-Pokalspiel gegen die SG Bad Wimpfen war es kurz davor, dass der Schiedsrichter durch einen vom Platz gestellten TGV-Spieler körperlich angegangen wurde. "Ein anderer Spieler hat sich dazwischen gestellt, so dass dieser und nicht der Schiedsrichter geschubst wurde. Zudem wurde der Schiedsrichter von dem Spieler, nachdem dieser das Spielfeld verlassen hatte, noch beleidigt" erzählt Schiedsrichter-Obmann Marco Gegner. Der vom Platz gestellte Beilsteiner hat dann außerhalb des Spielfelds permanent weiter provoziert und wurde mehrmals ermahnt. Da der Schiedsrichter im Kabinentrakt und in der Kabine vom Heimtrainer belagert wurde, begleiteten ihn die Ordner im Kabinentrakt bis zu seiner Abfahrt. Der Beilsteiner Spieler wurde vom Sportgericht bis zum 14. Mai 2022 gesperrt und der Trainer zudem mit einer Geldstraße belegt.

Blau-Weiß Heilbronn: Am 17. Oktober wurde das Spiel zwischen dem SC Abstatt und Blau-Weiß Heilbronn abgebrochen, nachdem der Schiedsrichter kurz vor Spielende vom Torhüter der Heilbronner tätlich angegangen worden war und dafür die Rote Karte sah. Der Spieler wurde bis zum 5. Juni 2022 gesperrt.

1. FC Lauffen: Die Begegnung des FSV Schwaigern III gegen den 1. FC Lauffen II wurde vom Unparteiischen abgebrochen, nachdem ein vom Platz gestellter FCL-Spieler den Schiedsrichter rassistisch beleidigte. "Es ist unter anderem das Wort Nazi gefallen", bestätigt Obmann Marco Gegner, der mit dem betroffenen Schiedsrichter in Kontakt stand. Auch sei der Schiedsrichter von dem Spieler bis zur Kabine verfolgt worden. Der Spieler wurde von Schwaigerner Seite zurückgehalten, zudem wurde die Polizei gerufen. tok


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Kommentare

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Marco Fackler am 11.11.2021 18:39 Uhr

Leider beobachtet man diese Vorgänge immer öfter auf Sportplätzen. Insofern auch unter dem Blickwinkel des Schiedsrichterschwunds eine harte aber nachvollziehbare Entscheidung der Schiedsrichter. Es ist zu hoffen, dass dieses Exempel manchen teilweise grottenschlechten Kickern, die selbst ein Fehler nach dem anderen produzieren, aber den Schiedsrichter bei jedem kleinen Fehler zur Rechenschaft ziehen wollen, zum Umdenken bewegt. Ohne Schiedsrichter kein Fußball, das wird jetzt hoffentlich jeden bewusst

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