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Digital Shift: Wie Audi Mitarbeiter zu IT-Spezialisten weiterbildet

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Beim Qualifizierungsprogramm "Digital Shift" werden Audianer aus der Fertigung zu IT-Spezialisten weitergebildet. Pascal Butz war im Karosseriebau beschäftigt, als er von der außergewöhnlichen Chance erfuhr, künftig in einem ganz anderen Bereich zu arbeiten. Bald ist er SAP-Spezialist.

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IT-Leiter Ivan Jukic, Digital-Shift-Teilnehmer Pascal Butz und Personalleiterin Stefanie Ulrich im Neckarsulmer Audi-Forum.
IT-Leiter Ivan Jukic, Digital-Shift-Teilnehmer Pascal Butz und Personalleiterin Stefanie Ulrich im Neckarsulmer Audi-Forum.  Foto: Gleichauf, Christian

Als sich der Heilbronner Pascal Butz vor gut zehn Jahren um eine Ausbildungsstelle bei Audi bewarb, da war der "Elektroniker für Automatisierungstechnik" seiner Meinung nach "am nächsten dran" an dem, was ihn eigentlich schon damals interessierte. Seine Affinität zu Programmiertechnik und IT-Themen hat ihm nun eine Tür zu einer neuen Welt bei Audi geöffnet. Zusammen mit elf Mitstreitern hat er den "Digital Shift" bei Audi Neckarsulm mitgemacht.

Weiterbildung ist eine Selbstverständlichkeit

Bis zu 80 Millionen Euro gibt Audi am Standort jedes Jahr für Weiterbildungsmaßnahmen aus. Zusammen mit Ingolstadt wurden im Jahr 2020 mehr als 10 000 Teilnehmer zum Thema Digitalisierung fortgebildet. "Jegliche technische Neuerung wird ja qualifiziert, das ist eine Selbstverständlichkeit", sagt Personalleiterin Stefanie Ulrich.

Der Digital Shift dagegen ist etwas Besonderes. Hier wurden zwölf Mitarbeiter mit besonderen Fähigkeiten gesucht. ",Wer ist von euch der Nerd?", haben wir gefragt", erzählt die Personalerin, und das Wort sollte nicht despektierlich verstanden werden.

Wechsel in anspruuchsvolle neue Bereiche

Seit April werden die ausgesuchten Teilnehmer nun weitergebildet am SAP-System, in der Datenanalyse, Softwareentwicklung oder an der Netzwerk- und Server-Infrastruktur. "Das sind allesamt Zukunftsthemen", sagt Ivan Jukic, Leiter der IT am Standort Neckarsulm.

Die Anforderungen an die Bewerber waren entsprechend hoch. Pascal Butz hatte schon vor fünf Jahren den Techniker gemacht, wollte dahinterschauen, lernte die Programmiersprachen C Sharp und C++. In einem Projekt programmierte er für den Microcontroller Arduino eine Eingreif-Kontrolle, so dass Mitarbeiter in der Logistik gewarnt werden, wenn die Teile aus einer Kiste noch nicht herausgeholt wurden.

Zwölf bis 18 Monate dauert die Maßnahme

"Über meinen Vertrauensmann im Karosseriebau habe ich erfahren, dass Audi so ein besonderes Programm für IT-affine Mitarbeiter anbietet", erzählt Butz. Also bewarb er sich, wie etwa 200 andere, und wurde genommen.

Jetzt ist er auf dem Weg zum SAP Inhouse-Berater, wurde ebenso in Netzwerktechnik geschult wie in den agilen Scrum-Methoden, an der Audi-Akademie oder auch bei SAP in Walldorf. Zwölf bis 18 Monate dauert die Qualifizierung.

Wie viel können die zwölf bewegen?

Doch genügt es wirklich, zwölf von mehr als 12 000 Mitarbeitern aus der Fertigung weiterzubilden? Der scheidende Betriebsratschef Rolf Klotz, der sich ausdrücklich freut, dass die schlummernden Talente der Audianer entdeckt werden, erlaubte sich bei der Infoveranstaltung jüngst auf dem Audi-Gelände eine kritische Anmerkung zur Größenordnung. Zusammenfassend erklärt er: "Das ist also ein guter erster Schritt in die richtige Richtung, auf den weitere folgen müssen."

"Es ist ja erst einmal ein Versuchsballon", sagt Stefanie Ulrich dazu. Und es sei schon entschieden: "Wir werden die Anzahl der Mitarbeiter deutlich vergrößern." Ivan Jukic ergänzt: "Wir müssen das mit unseren 100 Mitarbeitern in der IT ja auch verkraften." Die übliche Klassengröße von zwölf Leuten erschien da passend. "Die können gerade so integriert werden."

Zumal es in diesem Fall kein Weiterbildungsprogramm von der Stange war. Es geht um individuelle Lernbegleitung mit einem Konzept, das sich an den Ideen der Programmierschule 42 orientiert.

Mit den Leitern der 42 in Heilbronn und Wolfsburg, Thomas Bornheim und Max Senges, hat sich Jukic ausgetauscht. Abgeschaut hat sich Jukic etwa die Motivationsschreiben, die im Bewerbungsprozess auch für die 42 entscheidend sind. So kommen Mitarbeiter zum Zug, die für das Thema brennen.

Es geht jetzt zügig weiter

Dass der Automobilbauer das Konzept für gut befunden hat, steht außer Frage. Audi-Personalvorständin Sabine Maaßen steht dahinter und lässt unter dem Projektnamen "Digital Future" nun auch in Ingolstadt 20 Mitarbeiter auf diese Weise qualifizieren. Noch in diesem Jahr soll in Neckarsulm der Aufruf für die nächsten zwölf Plätze erfolgen.

Die Weiterbildung ist auch Teil des "Zielbildprozesses", wie Stefanie Ulrich es formuliert. Es gebe Überhangfelder, wo die Mitarbeiterzahl durch Altersteilzeit, Fluktuation und andere Maßnahmen sinke. Und es gebe Felder wie die IT, wo Personal aufgebaut werden muss. "Wir wollen das zum großen Teil aus eigener Kraft schaffen", sagt Ulrich.

Die im Digital Shift Qualifizierten sollen zudem als Multiplikatoren dienen und im Idealfall auch neue Geschäftsmodelle erschließen. Es ist Transformation in Reinform. "Wir wollen ja, dass Audi auch in 20 Jahren noch am Standort Neckarsulm Fahrzeuge produziert", sagt Ivan Jukic. Um das zu erreichen, müsse man für Veränderungen bereit sein.

Geld von der Arbeitsagentur

Die Kosten einer solch umfangreichen Maßnahme sind nicht zu vernachlässigen. Während Audi das natürlich stemmen könnte, können kleinere Zulieferer kaum ein Jahr oder länger auf mehrere Mitarbeiter verzichten. Die Arbeitsagentur unterstützt das Projekt allerdings finanziell - ebenso wie bei anderen Unternehmen.

Pascal Butz wagte den Schirtt von der Fertigung in die Welt von Bits und Bytes. Künftig wird er an SAP-Systemen arbeiten.
Pascal Butz wagte den Schirtt von der Fertigung in die Welt von Bits und Bytes. Künftig wird er an SAP-Systemen arbeiten.  Foto: Matthias Stark
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