HMG-Geschäftsführer Steffen Schoch: "Wir wollen schnellstmöglich zurück zur Normalität"
Die Gästezahlen sind in der Pandemie zurückgegangen, trotzdem blickt HMG-Geschäftsführer Steffen Schoch zuversichtlich in die Zukunft. Für 2022 plant sein Team allerdings noch parallel: neue Formate und herkömmliche Veranstaltungen.

Heilbronn ist einen Besuch wert. Davon ist Steffen Schoch, Geschäftsführer der Heilbronn Marketing GmbH (HMG), überzeugt. Er sieht große Chancen für den Tourismus und setzt auf die Einheimischen als Multiplikatoren. Im Interview mit stimme.de erzählt er von den Pfründen der Region, den Herausforderungen für den Tourismus und der Unsicherheit in einer Pandemie.
Corona hat der Tourismusbranche große Umsatzeinbrüche beschert. Die HMG hat einige Alternativangebote aus dem Boden gestampft. Was lernt man in einer Pandemie?
Steffen Schoch: Corona hat die Tourismusbranche heftig auf den Kopf gestellt. Wir mussten vielfach umplanen und neu bewerten. Aber es gibt auch Bereiche wie die Digitalisierung, da hat die Pandemie Geschwindigkeit reingebracht.
Wie weh tut eine Entscheidung wie die Absage des Weihnachtsmarktes?
Schoch: Das war sicher eine der schwierigsten Entscheidungen, die wir treffen mussten. Zumal wir freitags noch davon ausgegangen sind, der Weihnachtsmarkt findet statt. Da geht es ja nicht nur um den Markt, sondern auch um die Frequenz in der Stadt. Unser Konzept bot höchstmögliche Sicherheit. Aber dann ist die Inzidenz von Freitag auf Samstag nach oben gegangen, erstmals wurden Intensivpatienten verlegt. Da war klar, es ist eigentlich unverantwortlich.
War es die richtige Entscheidung?
Schoch: Ja.
Was bedeutet das für 2022?
Schoch: Wir wissen nicht, wie sich die Pandemie entwickelt. Selbstverständlich aber wollen wir schnellstmöglich zurück zur Normalität. Corona wird langfristig vieles verändern. Daher planen wir von Veranstaltung zu Veranstaltung. Und wir planen derzeit parallel - herkömmlich und mit alternativen Formaten.
Wie sieht das aus?
Schoch: Momentan gibt es eine große Unsicherheit in Bezug auf das, was möglich sein wird. Auch die Corona-Verordnung des Landes kann hier keinen verlässlichen Rahmen schaffen. Es gibt ein großes Risiko, das ist sehr kräftezehrend. Aber wir wollen mit unseren Aktivitäten für andere auch Mut machen und positives Vorbild sein für das, was geht. Unsere Aufgabe ist es, Plattformen für unsere Partner zu schaffen und die Angebote der Stadt sichtbar zu machen.
Hat sich die Rolle der HMG in der Pandemie verändert?
Schoch: Ja. Tourismus-Werbung beispielsweise muss trotz Absagen wie jetzt mit der CMT weiterlaufen. Wir spüren auch, dass von Heilbronn erwartet wird, im Tourismus eine Führungsrolle im Norden Baden-Württembergs zu übernehmen. Wir haben da eine Verpflichtung. Da hat uns die Buga auch Selbstbewusstsein gegeben

Wie lange kann die Stadt vom Buga-Geist profitieren?
Schoch: Der hält hoffentlich länger an, als wir derzeit denken. Durch die Buga haben wir einen ganz anderen Schwung bekommen. 2019 konnten wir neue Zielgruppen ansprechen und wir haben neue Angebote etabliert. Wir sind jetzt mit unseren Angeboten und der Darstellung auf Augenhöhe mit vielen anderen Städten. Davon profitiert Heilbronn auch weiterhin.
Wie nutzen Sie das?
Schoch: Wir fokussieren uns auf unsere Stärken: Wein, Neckar, Landschaft und Wissenschaft. Der Deutschland-Tourismus ist stark im Fokus. Wandern, Radfahren, Wassertourismus sind explizit im Koalitionsvertrag angesprochen, da sind wir gut aufgestellt. Wein ist ein emotionales Trendthema, bei dem wir viele Weingüter einbinden. Der Weinsommer beispielsweise war eine Antwort nicht erst im Buga-Jahr. Und den wird es auch weiterhin geben.
Trotzdem sind die Übernachtungszahlen nicht auf Vorkrisen-Niveau.
Schoch: Wir haben in diesem Jahr etwa die Hälfte der Übernachtungen von 2019. Damit können wir nicht zufrieden sein. Auch die Hotellerie ist nicht zufrieden, weil die Auslastung nicht stimmt. Aber da ist viel in die Zukunft investiert. Durch Hotelneubauten wurden die dringend notwendigen Kapazitäten für eine Stadt dieser Größe um rund 1000 Betten erhöht. Erfreulich ist es, dass die durchschnittliche Übernachtungsdauer von 1,9 auf 2,6 Nächte gestiegen ist. Wir haben die Zeit sinnvoll genutzt, um mit den Aktionstagen Tourismus die Bürger Heilbronns in die Entwicklungen einzubinden und haben für sie mit dem Wengerthäusle am Wartberg Angebote vor der Haustür geschaffen.
Was ist Ihr Ziel?
Schoch: Das Niveau von 2019 mit über 420.000 Gästeübernachtungen muss unser Ziel sein. Auch das Thema Tagungen wird zunehmen, das hat in Heilbronn noch gar nicht so richtig stattgefunden. Wir wollen aber auch das Angebot für Reisemobilisten steigern. Da müssen wir Gas geben, um den Trend nicht zu verschlafen. Derzeit gibt es Abstimmungen über einen Stellplatz für Reisemobilisten an der Böckinger Viehweide. Und wir wollen Weingüter motivieren, weitere kleinere Übernachtungsangebote zu schaffen, um das bestehende Angebot qualitätsvoll zu ergänzen.
Braucht es große Ideen wie eine Surfwelle?
Schoch: Um eine Stadt im Gespräch zu halten, braucht es immer wieder neue Ideen. Die Diskussion darüber ist wichtig. Ich werde ja auch nicht müde zu sagen, ich hätte gerne eine Weinerlebniswelt in Heilbronn.
Was gehen Sie 2022 noch konkret an?
Schoch: Wir werden touristische Kooperationen stärken, zum Beispiel mit unseren Partnerstädten. Aber auch im Land mit dem Städtekreis der baden-württembergischen Städte, den Partnern der Württemberger Weinstraße und der Burgenstraße. Bei der Marketingvereinigung Boulevard A6 soll Heilbronn eine Führungsrolle übernehmen. Dahinter könnte eine große Chance für die Region stecken. Außerdem wollen wir ein Online-Hotelbuchungsportal initiieren. Und wir müssen uns in der Mehrsprachigkeit aufgrund der zunehmend internationaleren Gäste und Zielgruppen besser aufstellen und unsere Mitarbeiter schulen.
Sie sind also nicht mit angezogener Handbremse unterwegs?
Schoch: Nein, und das stimmt mich auch zuversichtlich. Wir haben jetzt schon merkbar mehr Gäste als zum selben Zeitpunkt im Vorjahr, viele Dinge tragen Früchte. Wir werden nie Heidelberg, Berlin oder Hamburg sein. Aber wenn eine Stadt für eine gute touristische Entwicklung eine Chance hat, dann ist Heilbronn vorne mit dabei. Wir bekommen sehr positives Feedback von Reiseveranstaltern. Wir haben keinen klassischen Städtetourismus, unsere Chance liegt auch in der uns umgebenden Landschaft.
Warum sehen die Heilbronner selbst das oft nicht so?
Schoch: Es ist normal, dass die Bürger die eigene Stadt immer am kritischsten sehen. Aber viele sehen ihre Stadt auch positiv. Viele Einheimische haben gerade in der Pandemie ihre Stadt neu kennengelernt. Das sind jetzt wichtige Multiplikatoren für uns. Wir setzen weiterhin auf unsere Schwerpunktthemen. Und diese sind attraktiv für den Gast. Das Durchhalten lohnt sich.