Die "kleinen" Parteien vor der Wahl
Wer auch immer im Rennen um die Kanzlerschaft die Nase vorn haben wird, er oder sie wird sich einen oder mehrere Koalitionspartner suchen müssen. Die Politologen Ulrich Eith und Rüdiger Schmitt-Beck erklären, welche Merkmale die FDP ausmachen und wofür die beiden Parteien am linken und rechten Rand, Linke und AfD, stehen.
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sind drei Kandidaten um das Amt des Kanzlers oder der Kanzlerin im Rennen: Armin Laschet für CDU/CSU, Olaf Scholz für die SPD und Annalena Baerbock für die Grünen.
Dieses Triell lenkt automatisch viel Aufmerksamkeit auf die drei Parteien. Doch klar ist auch: Egal, welche Partei und welcher Kandidat am 26. September die meisten Stimmen auf sich vereinen, er oder sie wird nach aktuellem Stand der Umfragen nur in einer Koalition mit einer oder zwei anderen Parteien regieren können.
Deswegen hier ein Blick auf die „kleinen“ Parteien, die ebenfalls im Bundestag vertreten sind, aber keinen eigenen Kanzlerkandidaten stellen.
FDP
"Die FDP ist ein starkes Team, aber ich bin auch froh, dass die FDP mich hat." So sprach Christian Lindner beim Stimme-Wahlcheck Anfang August in Heilbronn und erntete dafür einige Lacher vom Publikum. "Die FDP ist schon eine One-Man-Show", sagt der Freiburger Politologe Ulrich Eith. Außer dem Vorsitzenden sei höchstens noch Wolfgang Kubicki präsent, aber dann werde die Zahl der FDP-Politiker, die auch öffentlich wahrgenommen werde, schon sehr gering. "Lindner ist ganz unumstritten die Nummer eins in der FDP."
Bei um die 11 Prozent steht die FDP in aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl, auf 10,7 Prozent brachte sie es 2017. Danach fiel der inzwischen berühmte Satz von Christian Lindner: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren" als Absage an eine angedachte Jamaika-Koalition. Solch ein Manöver sei nicht noch einmal wahrscheinlich, meint Eith. "Die Erwartung ist schon, dass er die Liberalen in die Regierungsverantwortung führt." Wenn das jetzt schief gehe, sei gut vorstellbar, dass Christian Lindner innerparteilich Verantwortung übernehme und womöglich sein Amt räume.
Viele junge Menschen fühlen sich angesprochen von FDP-Inhalten. Und das, obwohl die Partei de facto konservativ aufgestellt ist, was Geschlechtergerechtigkeit angeht. "Die FDP ist schon sehr stark männerdominiert und zugeschnitten auf männliche Rituale. Sie wird als Männerclub wahrgenommen", sagt Eith. Die Beliebtheit bei jungen Wählern erstaunt ihn trotzdem nicht. Junge Leute seien in der Regel politisch nicht so stark sozialisiert und deshalb gut über Stimmungen und Personen zu erreichen. "Das Auftreten von Lindner und die Inszenierung der FDP steht für Jugendlichkeit." Das habe man auch an den schrill-bunten Plakaten zur Landtagswahl in Baden-Württemberg gesehen. Wegen dieses Auftretens sei die Partei gerade bei jungen Männern erfolgreich.
Professor Ulrich Eith ist Politikwissenschaftler an der Universität Freiburg. Er lehrt unter anderem im Bereich Wahl-, Parteien- und Einstellungsforschung.
Linke und AfD
Diese beiden Parteien sollte man gemeinsam betrachten, sagt der Mannheimer Politologe Rüdiger Schmitt-Beck. "Bei beiden Parteien sind populistische Momente ausgeprägt, wenn auch in unterschiedlicher Stärke." Die AfD stehe zudem ideologisch weit rechts im politischen Spektrum, die Linke hingegen ideologisch links. Was die Wähler angeht, fänden "Austauschbewegungen" zwischen beiden Parteien statt, weil einige sich eher von den populistischen Elementen als von der jeweiligen Ideologie angesprochen fühlten. "Deswegen hat die AfD im Osten auch stark von enttäuschten Linke-Wählern profitiert."
Die Linke regiert in einigen Ost-Bundesländern mit, in Thüringen stellt sie mit Bodo Ramelow den Regierungschef. Susanne Hennig-Wellsow, die Co-Chefin der Linken im Bund, kommt ebenfalls aus Thüringen. Im Osten trete die Linke vielfach moderater auf als im Westen und zeige sich eher regierungsfähig, sagt Schmitt-Beck. Für radikalere linke Positionen wie Verstaatlichungen und den Austritt aus der Nato steht die hessische Landtags-Abgeordnete und zweite Parteichefin Janine Wissler.
Aktuelle Umfragen zur Bundestagswahl sehen die Linke im Bereich von 7 Prozent der Wählerstimmen, 2017 hatte sie noch 9,2 Prozent auf sich vereint. Schmitt-Beck sagt, das Problem sei ein fehlendes klares Profil. "Die Linke wir als recht zerstrittene Partei wahrgenommen und zudem ohne klar von den konkurrierenden Parteien abgesetzte Positionierung, das mögen die Wähler nicht." Einerseits versuche sie sich sozio-ökonomisch links von der SPD zu positionieren, aber sie sei gesellschaftspolitisch und mit ihrer starken Betonung des Themas Einwanderung auch nah bei den Grünen. Diesbezüglich sei aber das klassische Arbeitermilieu eher konservativ. "Der klare Standpunkt, um sich von der SPD wie andererseits den Grünen eindeutig abzusetzen, fehlt."
Die AfD liegt bei aktuellen Sonntagsfragen bei Werten um die 11 Prozent. Während populistische Charakteristika in allen Landesverbänden stark ausgeprägt seien, seien die rechten und "echten rechtsextremen" Positionen vor allem in den neuen Bundesländern stark vertreten. "Björn Höcke könnte man als Nationalsozialisten bezeichnen", sagt Schmitt-Beck, denn er vertrete eine völkische Sozialpolitik. "Die AfD vermeidet Stellungnahmen zur Sozialpolitik sehr bewusst, denn diesbezüglich ist sie tief zerstritten." Der Westdeutsche Jörg Meuthen zeige zwar ebenso "voll ausgeprägte populistische Züge", sei aber von der politischen Ausrichtung her eher konservativ-liberal, mit Positionen, die teilweise denen der FDP ähnelten. Deswegen vermeide man öffentliche Auseinandersetzungen zu sozial- und wirtschaftspolitischen Positionen tunlichst, hier "eint die Partei inhaltlich wenig". Wenn Streit nach außen getragen werde, so in der Regel aus strategischen Gründen, es gehe dann zum Beispiel um die Frage des Mitregierens.
Professor Rüdiger Schmitt-Beck ist Inhaber der Professur für Politische Wissenschaft und Politische Soziologie an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim.