„Besitz ist ein sehr kurzfristiges Glück“
Teilen macht einfach glücklich! Zu dem Fazit kommt der Konsumforscher Georg Felser. Im Interview erklärt der Psychologe auch, wie Corona unser Konsumverhalten verändert hat.
Das Haus ist bis unter die Decke vollgestopft - mit Kinderspielzeug, kitschigen Bechern, Fehlkäufen und anderen Dingen, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Doch nicht zuletzt die Werbung macht uns täglich weiß, dass wir genau diese eine Duftkerze noch für einen romantischen Abend mit dem Liebsten benötigen. Sind wir zwischen all dem Zeug aber glücklich? Der Konsumforscher kommt zu einem erstaunlichen Fazit: Besitz macht nicht glücklich. Weshalb nicht zuletzt deshalb seit ein paar Jahren das Teilen immer beliebter wird, erklärt er im Interview mit Stimme-Redakteurin Milva-Katharina Klöppel. Und, warum wir seit der Pandemie anders einkaufen.
Macht Teilen mehr Spaß als Kaufen?
Georg Felser: Es gab mal ein Paper mit der Überschrift: „Falls dein Geld dich nicht glücklich macht, gibst du es vermutlich falsch aus." Es enthielt acht Empfehlungen, und die zweite war: Das Geld, das Sie für andere ausgeben, macht Sie glücklicher als das Geld, das Sie für sich ausgeben. Das lehrt uns auch etwas über das Teilen: Geld für andere auszugeben ist befriedigend.
Fällt es uns schwer, Geld zu teilen?
Felser: Es macht einen Unterschied, wie wir zu dem Geld gekommen sind. Lottogewinn ist eine Sache, etwas, das wir uns sauer verdient haben, eine andere. Dinge werden unterschiedlich bewertet, je nachdem, wo sie herkommen. 1000 Euro sind nicht immer das Gleiche.

Das Erbe von der Großmutter ist beispielsweise emotional stärker behaftet?
Felser: Auf der einen Seite ja. Auf der anderen Seite ist es ja auch unverhofft gekommen und nicht kalkuliert. Das macht einem die Sache leichter, und es ist auch so, dass im Alter die Bereitschaft steigt, etwas an die anderen weiterzugeben – die sogenannte Generativität. Wenn die Erben also selbst schon etwas betagter sind, fällt es ihnen wiederum leichter zu teilen.
Was passiert dann auf der Gefühlsebene?
Felser: Der bloße Besitz, das Gefühl des Besitzens an sich ist ein sehr kurzfristiges Glück. Es ist auch im Rückblick nicht besonders berauschend, verglichen mit etwas, das man erlebt hat. Das Erlebnis beglückt nicht nur im Moment selbst, sondern auch im Rückblick. Manche Besitztümer können beides sein, ein Pool zum Beispiel: Der Rausch des Besitzens hält nicht lange an. Der Pool ermöglicht aber auch Erlebnisse – und die sorgen für Glücksmomente.
Das Teilen ist dann ein erneutes Erlebnis?
Felser: Die Menschen haben das Gefühl, dass ihre Dinge durchs Teilen wieder mehr Wert bekommen. Wenn wir Dinge über eine längere Zeit besitzen, verlieren sie an Wert. Den Restwert, den ein Gut nach längerem Gebrauch für uns hat, sein „Residualwert“ steigt allerdings wieder, wenn die Vorstellung dazu kommt, jemand anders könnte mit dem Gut noch etwas anfangen. Insofern werden die Dinge durch das Teilen tatsächlich wertvoller.
Ein tolles Gefühl, das jeder haben möchte, oder?
Felser: Ich bin überzeugt, dass das Teilen nicht für alle ist. Nicht nur deswegen, weil es Leute gibt, die nicht teilen wollen, sondern auch weil Leute die Nähe, die zu völlig Fremden entsteht, wenn man ein Auto, eine Wohnung teilt, nicht mögen. Hier geht es im weitesten Sinne um Berührungen, die Menschen unterschiedlich gut ertragen können.

Wie hat Corona unser Konsumverhalten im Hinblick auf Teilen verändert?
Felser: Studien aus den USA belegen, dass Einschränkungen im Konsum, auch erzwungene Einschränkungen dazu führen, dass die Leute sich auf das rückbesinnen, was ihnen wichtig ist. Diese Erkenntnis erwies sich in den Studien auch als stabil, ein paar Monate hält sie mindestens. Das zeigt, dass die Leute nach Einschnitten wie Corona dazu bereit sind, ihr Konsumverhalten zu verändern.
Gewinnt Teilen weiter an Bedeutung?
Felser: Das glaube ich auf jeden Fall. Jetzt im Rückblick könnte auch Corona einen großen Beitrag dazu geleistet haben. Vieles hat sich ins Private verlagert – ein persönliches Beispiel: Wir mussten im Lockdown eine Wohnung einrichten. Da konnten wir nicht in jedes Möbelhaus, jeden Baumarkt gehen und so haben wir Ebay-Kleinanzeigen abgeklappert.
Zur Person
Markt- und Konsumpsychologie sowie nachhaltiger Konsum sind die Forschungsschwerpunkte von Professor Dr. Georg Felser. Der 56-jährige Psychologe ist seit 2001 Professor an der Hochschule Harz, Wernigerode im Studiengang Wirtschaftspsychologie.