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Schausteller wollen nicht länger Däumchen drehen

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Der Landesverband der Schausteller und Marktkaufleute wirbt bei Kommunen für Pop-up-Parks, also für mobile Vergnügungsparks in Innenstädten. Heilbronn ist offen. Es habe sich aber noch kein Veranstalter gemeldet.

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2019 gab es für (von links) Florian Diefenbach, Franziska Fischer und Uwe Mosthaf in Erlenbach ungetrübte Festfreude.
2019 gab es für (von links) Florian Diefenbach, Franziska Fischer und Uwe Mosthaf in Erlenbach ungetrübte Festfreude.  Foto: Veigel

Weidensterne, Silberkometen, Flimmerfunken: Pyrotechnische Kreationen der Firma Zink aus Cleebronn hätten am Sonntag gegen 23 Uhr den Nachthimmel über dem Neckarkanal verzaubern sollen - und damit den Ausklang des Heilbronner Volksfestes markiert. Doch von Raketen war nichts zu sehen, von Böllern nichts zu hören. Wegen Corona musste der größte Rummel der Region wie schon 2020 ausfallen. Während hie und da angesichts niedriger Inzidenzwerte wieder kleinere Events stattfinden, sind große Feste weiterhin tabu.

Corona-Impfstelle mit Bus und Zelten

Auf der Theresienwiese, wo 100 Schaustellerbetriebe mit 500 Mitarbeitern heute eigentlich unter Hochdruck Karussells, Scooter und allerhand andere Attraktionen abbauen würden, herrscht gähnende Leere, genauer: Pendler parken ihre Autos, zudem stehen unweit des Hochbunkers Zelte des Impfzentrums und zeitweise der neue weiße Impfbus.


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Kommentar zu Schaustellern: Ein Kulturgut steht auf dem Spiel


Mehr möglich als mancher denkt

Bei Inzidenzwerten unter zehn sind in Baden-Württemberg immerhin sogenannte Pop-up-Parks möglich, im Prinzip also mobile Freizeitparks mit bis zu 1500 Besuchern - unter Einhaltung der AHA-Regeln und mit Maskenpflicht ab 300. "Allgemein herrscht große Unsicherheit", weiß Werner Burgmeier. Als Präsident des Landesverbandes der Schausteller und Marktkaufleute ist er dieser Tage oft in Video-Konferenzen mit Kommunen, betreibt Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, "was alles möglich ist". So werde etwa in Göppingen am 30. Juli ein solcher Pop-Up-Park eröffnet, kurz danach in Kirchheim/Teck und in Südbaden. "Weitere werden hoffentlich folgen."

Die eineinhalbjährige Durststrecke hätten die Kollegen meist mit Instandhaltungsarbeiten überbrückt. Insgesamt gehe die Situation "an die Psyche, schließlich sind wir freiheitsliebende, tatkräftige Menschen, die nicht am Tropf hängen wollen". Das weiß auch Johannes Bräuchle. Der Schausteller-Pfarrer äußerte sich am Dienstag in einem Stimme-Interview zuversichtlich, dass sich die Branche erholt.

Staatliche Hilfen

Rund ums Heilbronner Rathaus wird 2021 nicht in Massen gefeiert, wie 2020 gibt es die "Weindorf Auslese".
Foto: Archiv/Seidel
Rund ums Heilbronner Rathaus wird 2021 nicht in Massen gefeiert, wie 2020 gibt es die "Weindorf Auslese". Foto: Archiv/Seidel  Foto: Seidel

Bisher habe es vom Staat 80, dann 90, im Einzelfall 100 Prozent Fixkostenersatz als Überbrückungshilfe gegeben, "aber das reicht natürlich nicht", betont Burgmeier. Baden-Württemberg habe deshalb als einzigen Bundesland Zahlungen aufgestockt. "Das ist vorbildlich." Wie viele der landesweit 700 Schaustellerbetriebe und 1200 Marktkaufleute dadurch und durch eigene Rücklagen die Krise überleben werden? Das sei wegen des allgemeinen Insolvenzaufschubs schwer zu sagen.

Heilbronn offen für Pop-up-Parks

Wenn Schausteller auf die Stadt zukommen, sei man dafür "aufgeschlossen" und werde sich nach einem passenden Platz in der Innenstadt umschauen. Zu dieser Aussage stehe Oberbürgermeister Harry Mergel nach wie vor. Man sei sogar bereit, die Theresienwiese zumindest in Teilen günstig zur Verfügung zu stellen. Doch laut Steffen Schoch von der Heilbronn Marketing GmbH (HMG) habe bislang kein Schausteller angeklopft, was er angesichts der schwankenden Inzidenzwerte und der damit variierenden, "im Detail ziemlich komplizierten" Regelungen auch verstehe. Und: "Man braucht zum Organisieren ja auch immer eine gewisse Vorlaufzeit." Gleichzeitig weiß Schoch von anderen Veranstaltern - vom Stadttheater über die großen Orchester und der Reihe Heilbronn ist Kult - dass mit der Öffnung "nicht automatisch auch genügend Besucher kommen".

Göckelesmaier blickt nach vorne

Er stehe angesichts der unsicheren Corona-Lage zur Volksfest-Absage, auch wenn sie ihm "sehr schwergefallen" sei, sagt Göckelesmaier-Chef Karl Maier, zumal er schon alles komplett durchgeplant und 100 Schausteller verpflichtet hatte. Nun hofft der Festveranstalter für seine Kollegen, dass wenigstens die Weihnachtsmärkte stattfinden. Darauf setzten auch Marktkaufleute, "die sich derzeit so gut es geht über Wasser halten." Eine Entscheidung darüber müsse spätestens im Oktober fallen. Trotz allem wollen sich Maier & Co. nicht unterkriegen lassen. "Die Verträge für das Fest in Heilbronn laufen weiter, das motiviert uns, im nächsten Jahr wieder durchzustarten." Der Termin für den Fassanstich steht schon fest: 8. Juli, früher denn je.

Die Sprecherin der Heilbronner Schausteller, Hanne Schröter, ist optimistisch. Sie hofft, dass zum Saisonauftakt beim Pferdemarkt (26. bis 28. Februar) Normalität zurückkehrt, - und dass das Publikum Märkten und Festen die Stange hält. Schließlich stünden mit ihnen viele Existenzen, aber auch die heimische Festtradition auf dem Spiel.

Große Traditionsfeste gehen unterschiedliche Wege

Von den großen Festen in Unterland und Hohenlohe genießen manche Kultstatus. Zum Beispiel der Bad Wimpfener Talmarkt, der am 24. bis 29. Juni bereits zum 1055. Mal über die Bühne hätte gehen sollen. Wegen Corona hatte ihn Bürgermeister Claus Brecher am 5. Mai abgesagt. Ziel sei nun, für 2022 "einen Talmarkt in entspannter Atmosphäre zu organisieren". Ähnlich identitätsstiftend ist das Original Erlenbacher Weinfest, das Ende August zum 43. Mal hätte gefeiert werden sollen. Es wird - wie viele andere Stadt- oder Dorffeste - von Vereinen auf die Beine gestellt, genau 16. Ihnen bricht mit den Einnahmen ein Großteil ihres Jahresetats weg, "die Haupteinnahmequelle", mit der Übungsleiter, Dirigenten und allerhand Material finanziert werden, weiß Weinfest-Sprecher Florian Diefenbach.

Kleiner Trost: Weil zu Corona-Zeiten sowieso vieles ausgefallen sei, hätte man auch weniger Ausgaben. Als Ersatz fürs Weinfest soll es anders als 2020 keine Online-Proben geben. Vereine und Weingüter dürften unter dem Motto "Weingenuss daheim" kleinere Veranstaltungen anbieten. Die Alternative zum 25. Hohenloher Weindorf stand vom 1. bis 4. Juli unter dem Motto Wein Freude Hohenlohe. Winzer und Gastronomen stellten rund um Öhringen dezentrale Veranstaltungen auf die Beine. Ein regelrechtes Festival-Konzept verfolgt das Heilbronner Weindorf, das 2020 sein 50-jähriges Jubiläum gehabt hätte. Viele der 50 Beschicker werden vom 9. bis 19. September wie im Vorjahr unter dem Titel Weindorf Auslese über 200 Events bieten: in Gütern, Gastronomien, an den Ausschankpavillons der Wein-Villa am Neckar und auf dem Wartberg sowie bei besonderen Proben an besonderen Orten. Das Programm wird bereits an diesem Donnerstag vorgestellt.

 
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