Stimme+
Motherhood Lifetime Penalty
Lesezeichen setzen Merken

Was es Frauen tatsächlich kostet, Mutter zu werden

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Für Frauen hat die Entscheidung für Kinder gravierende Folgen. Eine Betrachtung der lebenslangen Einkommen zeigt ein Ungleichgewicht für Mütter – im Vergleich zu Männern und kinderlosen Frauen. Was der "Motherhood Lifetime Penalty" bedeutet.

von Christine Tantschinez
   | 
Lesezeit  4 Min
Frauen haben finanzielle Einbußen, wenn sie ein Kind bekommen. Mütter stehen gegenüber Männer und kinderlosen Frauen schlechter da.
Frauen haben finanzielle Einbußen, wenn sie ein Kind bekommen. Mütter stehen gegenüber Männer und kinderlosen Frauen schlechter da.  Foto: Pexels

„Weniger Freizeit, weniger Platz, weniger Schlaf, weniger Geld – aber dafür einige Pfund pures Glück“ lautet ein beliebter Text auf Glückwunschkarten für ein neugeborenes Baby. Das mit dem Schlaf und der Freizeit pendelt sich glücklicherweise früher oder später wieder ein. Das mit dem Geld leider nicht, zumindest nicht laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung vom Juni 2020 – und zumindest nicht für Mütter.

Als wäre das bestehende Ungleichgewicht in den Erwerbseinkommen zwischen Frau und Mann, der sogenannte Gender Pay Gap, nicht schon genug, gibt es laut der Studie „Beschäftigung im Wandel“ innerhalb der Gruppe der Frauen ebenfalls klaffende Einkommensunterschiede. Der sogenannte „Motherhood Lifetime Penalty“ beschreibt die Einkommenseinbußen im Laufe des Erwerbslebens einer Frau mit Kindern im Vergleich zu einer kinderlosen Frau. Die Zahlen der Studie sprechen dabei eine mehr als deutliche Sprache: Entscheidet sich eine Frau für Kinder, muss sie mit durchschnittlichen Einbußen von rund 40 (bei einem Kind) bis zu fast 70 Prozent (bei drei oder mehr Kindern) rechnen. Dieser Nachteil hat laut der Studie für jüngere Mütter im Laufe der Zeit sogar zugenommen.

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

 

Gender Pay Gap: Generelles Gehaltsgefälle bei den Geschlechtern

Die Studie* betrachtet dazu die durchschnittlichen Einkommen, die man im Laufe des Lebens hat. Haben Männer des jüngsten betrachteten Geburtenjahrgangs 1985 durchschnittlich rund 1,5 Millionen Euro Lebenseinkommen, liegen die Frauen dieses Geburtsjahres bei 830.000 Euro. Sie verdienen also im Durchschnitt nur etwas mehr als die Hälfte. Damit liegt die Geschlechterlücke in den Lebenserwerbseinkommen – der Gender Lifetime Earnings Gap – für die Generation der Frauen, die heute Mitte Dreißig sind, bei 670.000 Euro bzw. 45 Prozent (im Westen Deutschlands).

 

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

 

Diese Lücke zwischen den Geschlechtern wird über die Jahrgänge betrachtet nicht kleiner. Lediglich kinderlose Frauen können annähernd so viel verdienen wie Männer. Frauen mit Kindern dagegen verdienen deutlich weniger als Männer mit Kindern. Kinder beeinflussen also insbesondere die Erwerbseinkommen der Frauen und deutlich weniger  diejenigen der Männer– und das gilt für ältere wie jüngere Geburtsjahrgänge gleichermaßen.

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

 

Nach wie vor scheint die Familiengründung mit einer klassischen Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen einher zu gehen. Frauen arbeiten dann häufiger in Teilzeit, ziehen sich länger für die Erziehung der Kinder aus dem Berufsleben zurück oder bleiben ganz zuhause. Sie übernehmen oft in höheren Anteilen unbezahlte Fürsorgearbeit, also die Pflege von Haushalt, Kindern und Angehörigen. Reduzierte Arbeitszeiten auf dem Arbeitsmarkt bedeuten aber auch weniger Einkommen – und weniger gute Aussichten auf Karriere und gutbezahlte Posten. Zudem sind Frauen in Krisenzeiten öfter von Jobverlust oder einem geringeren Kurzarbeitergeld betroffen, weil sie in gefährdeten Branchen wie Hotellerie, Gastronomie oder haushaltsnahen Dienstleistungen arbeiten. Und sie arbeiten deutlich häufiger in sozialen Berufen, die ohnehin weniger gut entlohnt werden. Klatschen alleine bezahlt leider keine Gehälter.

Motherhood Lifetime Penalty: Die Lücke im Einkommen von Müttern

Die Studie der Bertelsmann Stiftung definiert die "Motherhood Lifetime Penalty" als Lücke der Lebenserwerbseinkommen von Müttern im Vergleich mit kinderlosen Frauen. Frauen haben demnach zwar in den letzten Jahrzehnten mehr Chancen auf ein höheres Erwerbseinkommen, auch durch das rasant angestiegene Bildungsniveau weiblicher Arbeitskräfte. 

Allerdings können sie sich nur dann überhaupt dem Niveau der Männer annähern, solange sie kinderlos bleiben. Kinderlose Frauen beispielsweise, die 1982 geboren wurden, verdienen in Westdeutschland im Schnitt im Laufe ihres Lebens 1,3 Millionen Euro. Im Kreis gleichaltriger Mütter führt ein Kind zu durchschnittlichen Einbußen von rund 43 Prozent des Lebenseinkommens. Ein zweites Kind reduziert dieses Einkommen um weitere 11 Prozentpunkte und bei drei Kindern sind es 68 Prozent Einbuße.

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

 

Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Nette Versprechen in Wahlkampf und Stellenanzeige

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein gern genutztes Versprechen in Wahlkämpfen und Stellenanzeigen. Die Realität in deutschen Unternehmen sieht aber nach wie vor ganz anders aus. Oft heißt es nach wie vor für Frauen: Kind oder Karriere. Immer noch bekommen besonders hoch qualifizierte Frauen in Deutschland weniger Kinder, als sie sich ursprünglich vorgenommen hatten. Qualitative hochwertige Kinderbetreuung und Ganztagesschulen sind weiterhin rar gesät, auch fehlen oft institutionelle und kulturelle Rahmenbedingungen für eine wirklich konsequent gerechte Aufteilung der Arbeit für den Lebensunterhalt und Fürsorge.

Wenn Männer sich für die Betreuung der Kinder aus dem Job zurückziehen wollen, sind zu oft noch hochgezogenen Augenbrauen in den Chefetagen zu sehen. Und wenn Mütter wieder arbeiten gehen wollen, stehen oft genug nur schlecht bezahlte Jobs zur Verfügung. Die Autoren der Studie schlagen neben dem Ausbau der Kinderbetreuung auch eine Reform des Ehegattensplittings und der Mini-Job-Regelungen vor, damit Mehrarbeit für verheiratete Frauen mit Kindern finanziell attraktiver wird. Eine bessere Entlohnung der systemrelevanten Berufe in der Pflege und Erziehung, in der vorwiegend Frauen arbeiten, gehört auch dazu. 

Ungleichgewicht in der Kinderbetreuung: Corona-Pandemie hat negative Auswirkungen auf Verhältnis zwischen Männern und Frauen

Dieses bereits jetzt bestehende Ungleichgewicht wird durch die Corona-Pandemie noch verstärkt. Auch hier zeichnet sich bereits ab, dass insbesondere Mütter mit jüngeren, betreuungsintensiveren Kindern das Nachsehen haben werden. Es sind öfter die Mütter, die sich während der Pandemie für die Kinderbetreuung oder Pflege Angehöriger konsequenter aus dem Arbeitsleben zurückgezogen haben – ebenfalls mit finanziellen Konsequenzen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund warnt bereits vor den negativen Auswirkungen der Corona-Krise für die Gleichstellung von Männern und Frauen. „Oft bleiben jetzt die Mütter zu Hause und kümmern sich um die Kinderbetreuung. Damit drohen sich tradierte Rollenbilder wieder zu verfestigen“, sagte DGB-Vize Elke Hannack.

Auch der DIW sieht besonders junge Mütter als Leidtragende der Krise. In einer weiteren Studie, in der mehr als 10.000 Personen nach ihrer Lebenszufriedenheit befragt wurden, sind es vor allem Mütter, die im Vergleich zu Daten von 2018 besonders stark leiden. Das gilt besonders für Mütter mit einem höheren Bildungsgrad. Interessanterweise hat sich die allgemeine Lebenszufriedenheit der Väter während der Corona-Krise nicht signifikant verändert.

 

*Die Studie betrachtete dazu nicht empirische Daten aus einem einzigen Erhebungsjahr, sondern nutzt repräsentative Haushaltsbefragungen, die seit 1984 die jährlichen Erwerbseinkommen der Befragten erfassen. Diese Langzeitbetrachtung der Einkommen in Verbindung mit den Daten über Kinder im Haushalt ermöglicht laut der Autoren eine umfassendere Beschreibung der Realität auf dem Arbeitsmarkt.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben