Brauchen wir noch den Muttertag? Pro & Contra
Jahr für Jahr steht er am zweiten Sonntag im Mai im Kalender: der Muttertag. Für kleine Kinder, die Tage zuvor für Mama gemalt und gebastelt haben, eine nette Sache. Doch den allerbesten Ruf scheint er nicht zu haben. Längst wird dieser Ehrentag von der Blumen- und Geschenkeindustrie instrumentalisiert. Brauchen wir noch den Muttertag?

Pro von Alexander Klug
Abgesehen davon, dass der Muttertag auf die Frauenbewegung in Großbritannien und den USA im späten 19. Jahrhundert zurückgeht: Warum soll es ein Problem sein, an dem Tag namens „Muttertag“ speziell an die Mütter zu denken? Vielleicht erinnert sich ja der eine oder andere just an diesem Tag daran, dass er sich schon lange nicht mehr bei seiner Mutter gemeldet hat und nimmt das Telefon zur Hand. Ältere Kinder kochen vielleicht etwas zusammen für ihre Mutter, ein jüngeres Kind schreibt eine Karte, mit dem Kleinsten malt Papa ein Bild für Mama. Es wird doch niemand zu etwas gezwungen, weder im kommerziellen noch im ideologischen Sinn: Kein Blumenstrauß oder Geschenk muss gekauft, kein Restaurantbesuch (ja, früher gab es so etwas noch) erzwungen, keine feministische Errungenschaft diskreditiert werden. Wer sich, aus welchem Grund auch immer, nicht für seine Mutter oder all das, was sie im Laufe der Jahre so alles für ihr Kind getan hat, interessiert, kommt ja vielleicht an diesem Tag auf die Idee. Und wenn nicht, passiert ihm auch nichts.
Sicher, die Kommerzialisierung ist nicht zu übersehen. Aber deswegen der netten Idee den Garaus zu machen, halte ich für überzogen. Am Ende kommt noch jemand auf die Idee, das Muttertags-Pendant an Christi Himmelfahrt in Zweifel zu ziehen – nur, weil ihn wahrscheinlich Brauereiunternehmern bei Berlin ins Leben gerufen haben: den Vatertag. Das wäre ja noch schöner.
Contra von Sarah Arweiler
Mal ehrlich: Wer seine Mama liebt und sich ihr dankbar zeigt, braucht der dafür wirklich einen offiziellen Tag im Kalender? Oder anders gesagt: An 364 Tagen im Jahr wird es als selbstverständlich hingenommen, dass Mama nie eine Bitte ausschlägt und jederzeit bereit ist, zu unterstützen und zu helfen. Und plötzlich am Muttertag kommt man morgens mit einem Strauß Blumen von der Tankstelle um die Ecke – bei jenen darf doch die Ernsthaftigkeit dieser Geste bezweifelt werden. Wer die liebevolle Fürsorge seiner Mutter als Geschenk wertschätzt und ihr Tag für Tag Gleiches zurückgibt, der braucht diesen Tag so dringend wie den Tag des Butterbrotes am 25. September. Die Kommerzialisierung kurz vor Muttertag ist kaum noch zu ertragen. Von sämtlichen Blumen- und Kitschläden winken Herzchen und Bärchen, die uns daran erinnern: Bald ist Muttertag. Hast du schon das passende Geschenk? Am Muttertag wird angeblich weltweit mehr Geld für Schnittblumen ausgegeben als am Valentinstag.
Betrachtet man den geschichtlichen Hintergrund des Muttertags, also jene Zeit, in der sich die Mütter ganz und gar für Kinder und Familie abrackerten und das als ihre persönliche Erfüllung sahen (eigene Bedürfnisse - Fehlanzeige), da will der Muttertag doch auch nicht mehr so recht in unsere Zeit passen. Der Alltag moderner Familien, in denen sich Mütter und Väter gleichermaßen für die Fürsorge ihrer Kinder verantwortlich fühlen, ist mit diesem altbackenen Rollenbild kaum noch vergleichbar. Soziologen fordern schon länger einen Elterntag statt dem Muttertag. Das wäre heute zutreffender. Übrigens: Die Nazis verstanden es bestens, den Muttertag zu glorifizieren und besonders kinderreiche Mütter zu feiern – ein weiterer Grund, diesen Tag aus dem Kalender zu streichen.