Weindorf wird an vielen Orten in der Region gefeiert
Zum zweiten Mal fällt das Heilbronner Weindorf rund um den Marktplatz der Pandemie zum Opfer. Weil Masken und Abstand Pflicht sind, setzt die HMG erneut auf dezentrale Veranstaltungen. Los geht es am 9. September.

Hätte, hätte, Fahrradkette: Tatsächlich hätte das Heilbronner Weindorf nach der Mitte August modifizierten Landes-Corona-Verordnung doch noch im üblichen Rahmen stattfinden können: rund ums Rathaus mit 30 Ständen und bis zu 250.000 Besuchern an elf Tagen, aber mit Abstand und Maske, also ohne die typische Weindorf-Atmosphäre. „Ein Weindorf wie wir es kennen, mit dichtem Gedränge und Menschen, die sich wie in einem Fluss fröhlich rund um das Rathaus bewegen, wäre das mit Sicherheit nicht geworden“, gibt Steffen Schoch, Geschäftsführer der Heilbronn Marketing GmbH (HMG), zu bedenken.
Man habe im Vorfeld mehrere Alternativen geprüft, jedoch hätten die diskutierten Varianten entweder dem Festcharakter nicht entsprochen, oder wären wirtschaftlich nicht umsetzbar gewesen. Gleichzeitig habe sich die Weindorf-Auslese 2020 als Alternative bewährt, mit dem positiven Nebeneffekt, dass die Menschen neben den zentralen Veranstaltungen in der Innenstadt auch dorthin geleitet wurden, wo der Wein entsteht und ausgebaut wird: auf Weingüter, Genossenschaften, in die Natur.
Hierdurch sei eine „neue Weinerlebnisqualität geschaffen worden“, erklärt Daniel Drautz als Geschäftsführer der Genossenschaftskellerei und neben Justin KIrcher und Martin Heinrich Wengerter-Sprecher. An eben dieses Konzept knüpfen die Veranstalter HMG und Verkehrsverein mit 45 Festbeschickern 2021 an.
240 Veranstaltungen, aber keine Eröffnungsfeier
Mehr noch: Waren es zur Premiere im Vorjahr 130 dezentrale kleinere Veranstaltungen mit 30.000 Besuchern, sind im zweiten Pandemie-Jahr vom 9. bis 19. September sage und schreibe 240 Veranstaltungen geplant: bei 45 Genossenschaften, Gütern, Gastronomen, Händlern und anderen Partnern in Heilbronner Land und Hohenlohe. Überall gelten die aktuellen Hygiene-Regeln.
Besondere Neuerung: Am Kiliansplatz macht der architektonisch ansprechende Stand der Weingärtner Lauffen auf das Weinfestival aufmerksam. Donnerstags bis sonntags, 14 bis 20 Uhr, werden dort 20 Tropfen aus allen klassischen Weindorf-Ständen angeboten: am Rande des temporären Kiliangartens, direkt am Komödiantenbrunnen, zwischen Sonnensegeln und Sitzgelegenheiten. Eine weitere ständige Anlaufstelle bildet der Pavillon der Wein-Villa an der Neckarbühne beim Stadtbad. Zumindest wochenends – immer wenn dort die großen Stadtfahnen wehen – ist außerdem die neue Ausschankhütte plus Außenanlage am Wasserhochbehälter auf dem Wartberg geöffnet.

Eine Eröffnungsfeier mit ausschließlich geladenen Gästen, die 2020 vor allem auf Facebook teils ätzende Kritik geerntet hatte, wird es diesmal nicht geben, auch aus Kostengründen. Offiziell eröffnet wird der Reigen stattdessen am Donnerstag, 9.September, 18.30 Uhr, bei einer Premiumweinprobe mit einem Menü von Marcel Küffners Küchenteam im Wilhelm-Maybach-Saal der Harmonie. Dabei werden neben Moderatorin Natalie Lumpp unter anderem Oberbürgermeister Harry Mergel und die Württemberger Weinkönigin Tamara Elbl aus dem Pfedelbach-Untersteinbach programmatische Worte sprechen.
Einen weiteren Höhepunkt bildet am zweiten Auslese-Samstag die bundesweite „Riesling-Championship“ des Weinmagazins Vinum mit Siegerehrung, öffentlicher Präsentation im Parkhotel und einem abendlichen Galamenü im zehnten Stock mit Panoramablick auf die Weinstadt und ins Umland.
In der Harmonie, im Schießhaus und im Deutschhof (Thema Bibel und Wein am 13. September) sind weitere buchbare Proben angesagt, etwa mit Burgunderweinen (12. September), Schokolade und Wein (14. September), „Easy Drinking Weinen“ (10. September) für junge Leute, Kabarett (15. September).

Neu aufgestellt wird die verdeckte Weinprobe, bei der der schwäbische Trollinger mit seiner Südtiroler Bruderrebe Vernatsch verglichen wird. Als Moderatoren wirken bei diesen besonderen Proben unter anderem Dr. Dieter Blankenhorn (Staatsweingut Weinsberg), Sommeliere Lisa Neubauer und Oliver Adler (Wald und Schlosshotel Friedrichsruhe) mit.
Dezentrale Veranstaltung findet bundesweite Nachahmer
Die 45 beteiligten Betriebe bieten neben Proben Hoffeste oder Führungen sowie etliche andere touristisch-genussvolle Angebote. Vielerorts klinken sich Gastronomen ein, in Heilbronn unter anderem Geiger, Pfeffer und Ratskeller (mit einer Pop-up-Weinbar auf dem Marktplatz) sowie der Wochenmarkt mit dem Thema Käse und Wein.
Im Grunde stehen die halbe Region und fast die ganze Stadt im Zeichen des Weins. Dieses Konzept eines dezentralen Weinfestivals hat schon 2020 bundesweit für Interesse und Nachahmer gesorgt, so etwa auch beim Stuttgarter Weindorf 2021.
Wie es mit dem eigentlichen Heilbronner Weindorf weitergeht? Wenn Großveranstaltungen wieder ohne große Einschränkungen möglich sind, soll es möglichst 2022 wieder im bisherigen Rahmen rund ums Rathaus stattfinden, sagt HMG-Chef Schoch. „Wir müssen dann sehen, wie es angenommen wird.“ Fest stehe: Dezentrale und kleinere Angebote werde es künftig zur Weindorf-Zeit verstärkt geben, aber weiterhin auch in der Hauptsaison – so wie seit zwei Jahren unter der Dachmarke „Heilbronner Weinsommer“.
So werde die urkundlich älteste Weinstadt Baden-Württembergs, die im Lorscher Kodex vor genau 1255 Jahren erstmals mit Reben in Verbindung gebracht worden war, ihrem Titel zunehmend gerecht. „Das älteste Kulturgut der Stadt ist heute vielfältig in der Innenstadt und im Umfeld der Weinberge erlebbar“, erklärt Schoch. Er glaubt sich mittlerweile von seinem beim Amtsantritt 2016 geäußerten Wunsch nicht mehr weit entfernt: „dass unsere Region wie die Mosel, die Pfalz oder die Wachau als attraktives weintouristisches Reiseziel wahrgenommen wird“, als eine Gegend, „wo man übers Wochenende hinfährt, Wein probiert, kauft, die Weinberge zu Fuß und mit dem Fahrrad erkundet, Lokale besucht, übernachtet“.
Traum von der Wein-Experimenta
Und Schoch hat noch Träume: Mit Blick auf das Science Center Experimenta und die Cité du Vin in Bordeaux schwebt ihm eine Art Wein-Experimenta vor, die ein internationales Publikum anspricht und mit Hochschulen und Staatsweingut zum Treffpunkt von Weinfreaks und der Weinfachwelt wird.