Wein verbindet die Region
Wein verbindet Branchen, Orte und Menschen. Nirgendwo lässt sich das besser ablesen als im Heilbronner Weindorf. In unserer Serie "Wer wir sind" werfen wir einen Blick auf das größte Wein-Schaufenster der Region.

In der Weindorf-Zeit ist die 125.000-Einwohner-Stadt tatsächlich Oberzentrum der Region. Bis zu 300.000 Besucher aus dem weiten Umfeld fühlen sich rund ums Rathaus wie zu Hause. Heilbronn zeigt sich dann tatsächlich als Weinstadt, mit allem, was man sich darunter vorstellt: nette Menschen, schmucke Wengerterhäuschen, heimelige Lauben, Wein- statt Biergärten. Und über allem scheint ein Schleier der Glückseligkeit zu schweben − wenn in den Randbereichen nicht gerade junge Leute die Gratwanderung zwischen Genuss und Absturz ausloten.
Kommunikation
Die Veranstalter sprechen gerne von der größten Kommunikationstheke weit und breit. An Fässern und Ständen tauen auch maulfaule Schwaben auf. Gassen werden zum Laufsteg, alte Freundschaften werden aufgewärmt, neue geknüpft. Selbst Partnerschaften haben sich hier angebahnt − bis zur Ehe von Heidrun und Hermann Hohl, dem Präsidenten des Weinbauverbandes. Natürlich wird im Dorf auch Standes-Politik gemacht. Bei Fusionen wirkt das Fest mitunter als Katalysator. Auch im öffentlichen Bewusstsein dreht sich alles um die Rebkultur.
Außerhalb dieser zehn, elf Tage ist der Wein in der Stadt nicht so sichtbar. In der Innenstadt sieht es mau aus, Spätfolge der Zerstörung und der Aussiedlung vieler Betriebe an den Stadtrand. Immerhin: Die natürliche Rebenarena im Osten der Stadt gibt Touristen eine Ahnung vom hohen Stellenwert des Weins. Er prägt die Stadt und ihre Region von je her: Die Ersterwähnung des Weinbaus in Württemberg? Anno 766 auf Heilbronner Markung. Die Großstadt mit der größten Rebfläche? Heilbronn. Sitz einer der größten Weingärtnergenossenschaften überhaupt? Natürlich Heilbronn. Die Liste solcher Superlative ließe sich fortsetzen − bis hin zum Titel Weinhauptstadt Württembergs.
Schaufenster

Das Weindorf ist das größte Wein-Schaufenster der Region. Die hier vertretenen Betriebe bewirtschaften zusammen rund die Hälfte des 11 300 Hektar umfassenden Anbaugebietes. Man trifft hier fast alles, was in der Branche Rang und Namen hat − auch wenn sie keinen der begehrten Stände stellen "dürfen". So bekommt der Wein im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht.
Die Reihen der Beschicker wurden im Lauf der Jahre bewusst so erweitert, dass heute nicht nur Unterländer Wengerter Wein ausschenken, sondern auch Kollegen aus Hohenlohe und Kraichgau. Die Weinkellerei Hohenlohe deckt dabei inzwischen Teile des Kochertals ab. Die Heuchelberg-Weingärtner Schwaigern erfassen gar Trauben aus dem einst badischen Eppingen, genauer gesagt aus dem württembergischen Stadtteil Kleingartach.
Qualität

Ambitionierte Besucher mögen sich an der Dominanz der Genossenschaften stören und einige Top-Betriebe vermissen. Das Weindorf spiegelt aber die regionale Realität wider: 70 Prozent von jährlich 115 Millionen Liter Württemberger verkaufen WGs, 25 Prozent Güter, nur fünf Prozent Privatkellereien. Nicht zuletzt befruchtet das Fest auch das Qualitätsstreben der Wengerter: Was die Vielfalt der insgesamt 300 ausgeschenkten Tropfen betrifft, kann es das Weindorf mit mancher Messe aufnehmen.
Das klassische Rebsortenspektrum wird laufend durch Raritäten und Exoten bereichert. Interne Wettbewerbe für Lemberger, Riesling und Trollinger halfen mit, das allgemeine Qualitätsniveau zu heben. So finden sich gerade im Premiumsegment oft preiswürdige Weine, die Außenstehende auf einem Fest nicht vermuten würden, bis hin zu Siegern des Deutsche Rotweinpreises.
Vom frischen Wind, der die ausgesprochen dynamische Branche durchweht, zeugen Produkte, mit denen die Wengerter nicht nur auf dem Markt bestehen können und ihr Image jenseits der Landesgrenzen aufpolieren, sondern auch die regionale Identität auf eine zeitgemäße Ebene heben. So nach dem Motto: Wir können nicht nur Trollinger, sondern auch Barriques und Winzersekt bis hin zu Secco, Rosé-Variationen und Cocktails.
Inspirierend wirken nebenbei Studenten der Weinbetriebswirtschaft, die Projektflaschen ausschenken, die sie in Kooperation mit der Weinbauschule Weinsberg entwickelt haben.