Bewegungsstall in Neuenstein: Viel Freiheit für Pferde bei jedem Wetter
Im Bewegungsstall der Familie Baumann in Neuenstein-Kirchensall erleben Pferde viel Freiheit. Das ganze Jahr über stehen ihnen Allwetter-Ausläufe mit computergesteuerten Futterstationen zur Verfügung. Stuten und Wallache leben in getrennten Gruppen.

Licht, Luft, Bewegung: Dies sind Kriterien bei der Pferdehaltung, gepaart mit gutem, artgerechtem Futter, um gesunde und ausgeglichene Rösser zu haben. Den derzeit neun Stuten und 15 Wallachen, die getrennt nach Geschlecht in zwei Gruppen auf dem Hof der Familie Baumann nahe Kirchensall als Pensionspferde leben, wird dies geboten.
Futterrationen für jedes Pferd berechnet
Friedlich grasen einige von ihnen an diesem Sommernachmittag auf den weiten Koppeln. Zwei Stuten haben sich in den rund 200 Quadratmeter großen Ruhebereich im Stutenstall zurückgezogen und dösen, der gegenüber liegende gleich große Ruhebereich der Wallache ist gerade leer. Sie sind lieber draußen. Vier von ihnen stehen um eine große Heuraufe und fressen.Ein Brauner hat Zutritt zu einer der jeweils zwei Futterstationen auf der mit Kunstrasen bedeckten zweigeteilten Freifläche vor den Ruheställen erhalten, zu der die Pferde das ganze Jahr über Zutritt haben.
Nun lässt er sich dort einen Teil seiner Kraftfutterration schmecken. Sie ist wie bei jedem Pferd passend zu seiner Größe, Gewicht, Gesundheitszustand und Alter berechnet. Ebenso gibt es in den Stationen Heu aus dem Schieber. Computergesteuert über einen Transponder, den alle Pferde über dem Fesselgelenk tragen, erhalten die Tiere hier mehrmals am Tag Zutritt, bis sie die ihnen zustehende Ration gefressen haben. Pferde, die unbegrenzt Heu fressen dürfen, haben zudem Zugang zur Ad-Libitum-Heuraufe - ebenfalls computergesteuert. Und der Computer bestimmt auch, wann sich für die Tiere von Frühjahr bis Spätherbst die Tore zu den Koppeln öffnen. Denn nicht alle Pferde dürfen sich aus gesundheitlichen Gründen den ganzen Tag über am Wiesengrün laben.
Betrieb mit jeder Menge Arbeit

Mit ihrem Bewegungsstall, wie sich die moderne Form dieser Art der Pensionspferdehaltung nennt, hat sich Silvia Baumann (52) am Ortsrand von Kirchensall 2019 einen Traum erfüllt. Unterstützt wird die gelernte Pferdewirtin und Bereiterin von ihrer Familie - ihrem Mann Jochen (51), promovierter Landwirt, und zeitweise von Sohn Jonas (26) und Tochter Sophia, die selbst gerade in der Oberpfalz eine Lehre zur Pferdewirtin klassische Reitausbildung macht. Und von Pferdewirtin Susan Röder, die Baumann seit Juni 2020 mehrere Tage die Woche von 8 bis 13 Uhr bei der Stallarbeit hilft und Pferde der Einsteller bereitet.
Denn auch in einem Bewegungsstall gibt es jede Menge zu tun. Morgens ab 8 Uhr werden zunächst die beiden Ruheräume von Hand abgeäppelt. Draußen sind die Frauen mit der Kehrmaschine zugange. Am Computer im Technikraum wird kontrolliert, ob jedes Pferd die ihm zugeordneten Portionen gefressen hat. Silvia Baumann hat jedes Pferd im Blick. Das Kraftfutter in den vier Futterstationen, Heu und Stroh müssen nachgefüllt, die Tränken kontrolliert werden. Nachmittags gibt Silvia Baumann auf dem Außenreitplatz Unterricht. Nicht nur diesen können die Einsteller nutzen. In einer Longierhalle können sie ihre Tiere ebenfalls bewegen.
Hilfestellung in der Eingewöhnungszeit

Zieht ein neues Pferd im Bewegungsstall ein, spielt sich das Herdenverhalten schnell ein, hat Silvia Baumann erfahren. "Die zwei Eingewöhnungsboxen musste ich noch nie benutzen." Komme ein neuer in die Wallachgruppe, verlaufe dies ganz unspektakulär. "Die kommen alle her, sagen Hallo und gehen dann zur Tagesordnung über." Die Stuten seien zu Beginn eher mal zickig. Am ersten Tag sei manchmal etwas Theater, aber hinterher gebe es keine Streitigkeiten mehr. Bisswunden von Rangeleien oder vom Spielen, räumt Baumann ein, könne es schon mal geben. "Wenn das Pferd gar keine Macken haben darf, ist es hier nichts."
In der Eingewöhnungszeit, in der die Eisen des neuen Pferdes hinten abgenommen werden, bekommt der oder die Neue auch Hilfestellung von Silvia Baumann. Nicht nur, dass sie beobachtet, mit wem der Neue am besten klar kommt und ihn beim Koppelgang einer Gruppe zuteilt. Sie zeigt dem neuen Bewohner auch, wie man an das begehrte Futter in den Stationen kommt und übt mit ihm solange, bis er die Wege kennt.
"Ich bin von der Haltungsform überzeugt", sagt Baumann nach zwei Jahren Erfahrung mit dem Bewegungsstall, der auf dem System der Firma Schauer aus Österreich basiert. "Meines Erachtens ist jedes Pferd dafür geeignet. Die Pferde können selbst entscheiden, was sie machen wollen und stehen nicht 23 Stunden am Tag in der Box."


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