Warum es in Erlenbach mehr Lokale gibt als anderswo
Bei der Anzahl an gastronomischen Betrieben pro 1000 Einwohner liegt die Gemeinde Erlenbach ziemlich weit vorne. Doch auch hier ist die gastronomische Welt nicht nur rosig. Die Sorgen der Branche kennt man auch in Erlenbach - und viele beliebte Gaststätten sind auch hier verschwunden.
In diesem Sommer war etwas anders in Erlenbach. Normalerweise ist schier der ganze Ort im Einsatz, wenn an einem August-Wochenende das Weinfest ansteht. Die Corona-Pandemie verhinderte die Veranstaltung mit sonst bis zu 25.000 Besuchern. Das sorgte für Wehmut, klar, aber auch für ein bisschen Freiraum. "Die, die sonst vier Tage lang nur am Arbeiten sind, konnten die Zeit ein bisschen für sich gestalten", sagt Florian Diefenbacher, Vorsitzender des Festvereins. Und so trafen sich die Erlenbacher in Grüppchen, um unter sich anzustoßen. Möglichkeiten diesbezüglich gibt es viele. Denn in puncto Gastronomie ist die Gemeinde besser aufgestellt als viele andere Kommunen.
Das zeigen Zahlen des Dehoga Baden-Württemberg über die Gastronomiedichte. Die neuesten beziehen sich auf das Jahr 2017. Mit 3,76 Betrieben pro 1000 Einwohner liegt Erlenbach im Landkreis Heilbronn auf Platz zwei, nur vom touristisch frequentierten Bad Wimpfen (4,58 pro 1000 Einwohner) übertroffen. "Wir haben das große Glück, noch viel Gastronomie zu haben", sagt Bürgermeister Uwe Mosthaf und verweist auf den Neubau mit Lokal, der gerade am Marktplatz entsteht. Das bekannteste Weinfest der Region, viele gastronomische Angebote - ist Erlenbach die Insel der Bier- und Wein-Seligen?
Geselliges Beisammensein nach der Übungsstunde
"Das Vereinsleben wird bei uns ganz groß geschrieben", sagt Ute Weik, die mit ihrem Mann Uli die Gaststätte "Zum guten Trunk" betreibt. "Es gibt viele, die nach dem Training, der Singstunde oder der Probe vorbeikommen." Und natürlich spiele auch die Lage in den Weinbergen eine Rolle, der Weinbau und die Besenwirtschaften. Auch Roland Roth vom Adler in der Ortsmitte sagt: "Gemeinschaft wird groß geschrieben in den Vereinen. Bei den Lokalen, die sie besuchen, können sie durchwechseln." Hinzu kämen beiderorts die Stammtische an unterschiedlichen Tagen.
Doch auch in der Gemeinde mit der vergleichsweise großen Gastronomiedichte hat sich einiges verändert. "In Binswangen hat es allein acht bis zehn Wirtschaften gegeben, jetzt bin ich die einzige", sagt Renate Grosser von der Gaststätte Ludwig. Auch die anderen Wirte können eine ganze Reihe von Lokalen aufzählen, die es nicht mehr gibt: Ochsen, Brunnenstüble, Post, Sulmtal, Schanzenbach. Hinzu kommt, dass sich auch bei den Öffnungszeiten etwas getan hat. Nicht jedes der übriggebliebenen Lokale hat durchgängig geöffnet.
Auch die Erlenbacher Wirte kennen die Probleme der Branche
"Zum guten Trunk" hat in der Regel zweimal fünf Tage im Monat auf. "Vor ein paar Jahren, als regelmäßig offen war, haben wir gemerkt, dass es nicht so läuft", sagt Ute Weik. "Da ist man irgendwie nicht so interessant." Nach der Umstellung auf die reduzierten Öffnungszeiten "wusste man nicht, wo der Weg hinführt", ergänzt Uli Weik. Inzwischen ist das Ehepaar zufrieden. Ute Weik sagt: "Eine Zeit lang haben wir die Gefahren gesehen: Dass es viele ältere Stammgäste gibt, dass es Stammtische gibt, die kleiner werden. Und was ist mit der Jugend? Doch es ist gut gelungen, auch die anzulocken."

Was sich bei den drei Lokalen ähnelt: Es handelt sich um Familienbetriebe. "Gut ist, dass man mal auf die Familie zurückgreifen kann", sagt Roland Roth, der den Adler mit Ehefrau Sandra führt. "Man findet sonst niemanden." Auch Uli Weik kennt diese Problematik. "Nur mit Fremdpersonal wäre es arg schwer."
Und so kennen auch die Wirte in der Weinbaugemeinde die Schwierigkeiten, die die Branche überall begleiten - genauso wie den Wandel, der stattgefunden hat. Das Binswanger Original Renate Grosser erinnert sich: "Wenn früher, als mein Vater die Gaststätte noch führte, bis halb 4 Uhr morgens Karten gespielt, geschimpft und beschissen wurde, dann hat die Mutter von oben runtergeschrien, dass man es in Weinsberg noch gehört hat. Heute spielt keiner mehr Karten, das würden die anderen Gäste am Nebentisch auch nicht wollen."
Erinnerungen an alte Stammtisch-Zeiten
Jürgen Mosthaf vom Hotel-Restaurant Wildeck in Abstatt erinnert sich in einer Zuschrift an die Stimme an seine Kindheit und Jugend in Erlenbach. "Einer der wichtigsten Orte zum Austausch mehr oder weniger wichtigen Informationen und Neuigkeiten für die maskuline Bevölkerung aller Altersklassen waren die Stammtische", schreibt der bekannte Küchenchef, der Wirtschaften ebenfalls nicht nur von außen kannte. "Diese Welt war, bis auf die zum reibungslosen und störungsfreien Ablauf sehr wichtige Wirtin, fest in Männerhand." Dabei habe es "den gemeinen Erlenbacher" gegeben, der einen festen Stammtisch in nur einer Gaststätte hatte und "nicht davon wegzubewegen war". Andere, die Netzwerker unter den Stammtischlern, wie Mosthaf sie nennt, hatten mehrere Anlaufstellen. Auch Mosthafs Vater, so die Schilderungen, suchte einen Stammtisch auf, vorrangig im Züchterheim. Klar, dass man dabei das eine oder andere erfuhr. "Da auch mein Klassenlehrer und der Pfarrer ab und an am Stammtisch anzutreffen waren, konnte die abendliche Heimkehr meines Vaters für mich schon einmal schmerzhaft ausfallen."