Als gleich zwei Brauereien die Mühlbacher mit Bier versorgten
Am Beispiel von Eppingen-Mühlbach zeigt sich, wie sich zu früheren Zeiten mehrere gastronomische Betriebe um die Kundschaft kümmerten. Heute ist von ihnen nur noch eine Anlaufstelle übrig: das Gasthaus zum Ochsen.
Wären die Zeiten nicht von Krieg, anderem Unheil und körperlicher Arbeit geprägt gewesen, könnte man leichtfertig sagen: Vor etwas mehr als 100 Jahren hatten es die Mühlbacher gut. Gleich zwei Brauereien versorgten die Einwohner und die Arbeiter, die in den Steinbrüchen schufteten. "Vor dem Ersten Weltkrieg herrschte Hochkonjunktur bei den Steinhauern", weiß Thomas Rott vom Mühlbacher Heimatverein. "Hier schafften bis zu 700 Arbeiter aus der ganzen Umgebung" - bei damals laut Ortschronik rund 1400 Einwohnern wohlgemerkt. "Am Anfang wurden die Bierfässer sogar direkt zu den Steinbrüchen hochgefahren, das wurde dann irgendwann, weil's zu gefährlich war, verboten."
Weniger Arbeit, weniger Bierkonsum

Neben der Brauerei Rudy und der Brauerei Geiger (später Café Geiger gegenüber des Ochsens) sorgten sich mehrere Gaststätten um die Kundschaft. Die konjunkturelle Blütezeit fand ein Ende. "Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte keine Vollbeschäftigung mehr, man versuchte billiger zu bauen und nicht mehr den Sandstein aus Mühlbach zu verwenden", berichtet Rott.
Weniger Arbeit(er), weniger Bierkonsum: Das war ein Zäsur für die Braustätten, die daraufhin zu gewöhnlichen Gasthäusern wurden. Im Fall der Brauerei Rudy mit Besitzer- und Namenswechsel: aus ihr wurde der Kühle Krug. Beide Brauerei-Nachfolger existierten laut Aktenlage des Eppinger Stadtarchivs bis Anfang der 1960er-Jahre.
Schon zuvor, Ende des 19. Jahrhunderts, waren zwei Traditionswirtschaften eingegangen, die im Mühlbacher Heimatbuch Erwähnung finden: Das Gasthaus zum Goldenen Lamm und das Gasthaus zur Rose, wie Petra Binder vom Eppinger Stadtarchiv bestätigt.
Informationen gab es nicht mehr nur im Wirtshaus

Mehrere Entwicklungen hatten die verbleibenden Lokale zu verkraften. Thomas Rott berichtet, wie einst Kinoabende in den Sälen der Krone oder des Ochsens stattfanden, bald tauchten neue Informationsquellen auf. "Als das Fernsehen in die Gaststätten kam, da war es abends ein, zwei Stunden gerammelt voll. Irgendwann hat man sich selbst einen anschaffen können, dann sind die Wirtshäuser leer gewesen."
Hinzu kam, dass die Vereine irgendwann eigene Heimstätten haben wollten. "Ich erinnere mich noch, wie sich die auswärtigen Fußballer im Nebenzimmer des Ochsen umgezogen haben. Dann sind sie zum Sportplatz gelaufen und haben nach dem Spiel im Ochsen noch ein Bier getrunken." Heute gibt es Umkleidekabinen und Vereinsheime.
Sonne, Krone, Schwarzer Adler - auch das sind Traditionshäuser, die nach und nach verschwanden, spätestens um das Jahr 1970. Auch erst nach dem zweiten Weltkrieg eröffnete gastronomische Betriebe wie das Café Nehring, der Landgasthof Seeblick oder die zeitweise mit einem Stern versehene Klosterstube existieren nicht mehr. Einzig der Ochsen ist mit - außerhalb von Corona-Zeiten - durchgängigen Öffnungszeiten noch übrig. Immerhin. "Gerade für die ältere Generation ist es recht wichtig, dass man sich hier austauschen kann", hat Ochsenwirt Karl Öchsner beobachtet. Nachdem die erste Corona-Hochphase abgeflaut war, habe er festgestellt, dass gerade die 75- oder 80-Jährigen "unter die Leut' gehen wollten".

Sie und Karl Öchsner haben noch ganz andere Zeiten erlebt in den Wirtschaften. "Früher sind sonntagmorgens 20, 30 Leut' am Stammtisch gesessen. Und obwohl montags Ruhetag war, ist der Stammtisch trotzdem abends gekommen", erzählt der 62-Jährige, der das Traditionshaus Anfang/Mitte der 1980er-Jahre von seinem Vater übernommen hat.
Bedeutung des Essens hat zugenommen
Auch wenn es bei ihm im Ochsen noch Stammtische gebe, sei dies mit den Jahren abgeflaut. Zugenommen hat hingegen die Bedeutung des Essens. In Öchsners Kindheit sah es noch so aus: "Die Leute sind abends gekommen, haben geschwätzt, etwas getrunken und ihr Vesper selbst mitgebracht." Gekocht wurde eigentlich nur bei Hochzeiten und beim Kuckucksholen, dem Mühlbacher Brauch zur Kirchweih. "Dazu wurden dann Schweine geschlachtet."
"Mit der Zeit sind die Leute auch zum Essen in die Wirtschaft kommen. Das ging Mitte/Ende der 1960er-Jahre mit Kleinigkeiten oder einem Vesper los", sagt Öchsner. Auch mit privaten Festen sei es in den vergangenen Jahren im Vergleich zu damals mehr geworden, trotz neu entstandener Konkurrenz durch Vereinsheime oder Dorfgemeinschaftshäuser. "Früher war es mal eine Hochzeit oder ein runder Geburtstag, den man in der Wirtschaft beging. Jetzt geht man auch mal anlässlich der Einschulung des Kindes essen." Karl Öchsner ist's recht, auch wenn er als Wirt inzwischen Einzelkämpfer im Ort ist. "Man weiß ja, was die Woche über ansteht. Bei anstehenden Feiern kann man entsprechend planen." Nur in Corona-Zeiten nicht. Da fehlt diese Planungssicherheit den Wirten allerorts.

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