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Wie Martina Heyder wieder schmerzfrei laufen lernte

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Schmerzhafte Knieprobleme hatten Martina Heyder zu einer längeren Laufpause gezwungen. Obwohl die Ärzte ihr wenig Hoffnungen machten, läuft die 55-Jährige nach einem schwierigen Jahr wieder. Eine besondere, aber doch einfache Bewegungstherapie brachte sie zurück auf den Weg, der jetzt in einem Bergmarathon am Matterhorn gipfeln soll.

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Ohne Laufen geht es nicht: Martina Heyder fühlt sich frei, wenn sie ihrer Leidenschaft nachgehen kann.
Ohne Laufen geht es nicht: Martina Heyder fühlt sich frei, wenn sie ihrer Leidenschaft nachgehen kann.  Foto: privat

In Zermatt am Fuße des Matterhorns soll sich der Kreis schließen. In der imposanten Bergkulisse soll die Leidensgeschichte von Martina Heyder am ersten Juli-Wochenende endlich enden. Abgeschlossen sein, das gute Gefühl endgültig zurück sein. Vor einem Jahr erlebte die leidenschaftliche Läuferin aus Sulzbach an der Murr in der Schweizer Idylle ihren sportlichen Tiefpunkt.

Mit ihrer Laufgruppe, zu der auch ihr Mann Jürgen gehört, wollte die 55-Jährige am Zermatt-Marathon teilnehmen, die Halbstrecke in Angriff nehmen. Von der kleinen Gemeinde aus immer bergauf, den "schönsten Berg der Welt" hoch, wie die Veranstalter das Matterhorn auf ihren Internetseiten anpreisen. Bis ins Ziel an der Bergbahnstation Riffelberg. 21,1 Kilometer. 1000 Höhenmeter. Doch es kam anders. 

Die Knieschmerzen dominieren auch den Alltag von Martina Heyder

Nicht nur, weil der Bergmarathon 2020 wegen Corona hatte abgesagt werden müssen. "Wir sind trotzdem hingefahren", sagt Martina Heyder. Nicht, um die Aussicht zu genießen, zumindest nicht nur. Sondern um zu Laufen. Die Knie hatten da schon gezwickt, trotzdem lief sie ein gutes Stück mit. Elf Kilometer. Es waren ihre letzten für lange Zeit.


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Natürliches Laufen lernen


"Danach ging nichts mehr", beschreibt die 55-Jährige. Laufen sowieso nicht. Aber auch im Alltag dominierten die Schmerzen: "Ich konnte kaum noch gehen, kam kaum die Treppen hoch und runter." Und auch ihr Schlaf war stark beeinträchtigt. Der Arzt schickte sie in die Röhre, ordnete eine Magnetresonanz-Tomografie, kurz MRT, an. Das Ergebnis: "Vom Knorpel war nichts mehr zu sehen", sagt Heyder.

Ihre Befürchtungen hatten sich bestätigt, und es kam noch dicker: Alles lief auf eine Operation hinaus. Und: "Der Arzt sagte mir, dass ich nicht mehr zum Laufen gehen könnte." Ein Schock. Denn auch wenn die Sulzbacherin eine Spätberufene war und erst durch ihren Mann mit Ende Vierzig zum Laufen kam, war das unvorstellbar. Alles wehrte sich in ihr. "Ohne Laufen kann ich nicht sein, das wäre nicht ich", sagt sie.

Der Heilungsprozess gerät mächtig ins Stocken

Mit speziellen Übungen überwand Martina Heyder ihre Knieschmerzen, die sie über Monate nicht nur beim Laufen Probleme bereitet hatten.
Mit speziellen Übungen überwand Martina Heyder ihre Knieschmerzen, die sie über Monate nicht nur beim Laufen Probleme bereitet hatten.  Foto: privat

Hoffnung kam auf, als ein anderer Arzt ihr sagte, dass es auch ohne operativen Eingriff wieder werden könnte. Der konservative Weg war mit vielen Übungen verbunden - doch auch die halfen nicht. Heute weiß Heyder: "Es waren keine gescheiten Übungen." Der erhoffte Heilungsprozess geriet mächtig ins Stocken. Doch so schnell wollte Martina Heyder nicht aufgeben.

Doch erst der Zufall brachte Linderung. Eine Einladung von Laufcoach Matthias Heibel kam zur rechten Zeit. Der Bewegungs- und Schmerzspezialist hatte eigentlich Heyders Mann Jürgen zu einem Online-Training eingeladen, den er einst als Marathonläufer betreut hatte. Auf dem Bildschirm aber sah Heibel dann immer Martina Heyder. "Sie hat seit November jede Trainingseinheit mitgemacht", sagt er.

Er folgt mit seinem Coaching einem besonderen Ansatz, entwickelt von den Schmerzspezialisten Liebscher und Bracht. Dabei werden zwar die üblichen Muskeln, Bänder und Sehnen gedehnt - aber intensiver und deutlich länger. Haibel arbeitete sich mit seinen Online-Teilnehmern zunächst durch den ganzen Körper. "Gerade bei Knieproblemen können die Ursachen auch ganz woanders liegen", sagt er. Oft kommen die Schmerzen wie im Fall von Martina Heyder auch nicht vom Laufen selbst.

Ein Großteil der Schmerzen entsteht durch eine Überspannung der Muskulatur und Faszien

Daher müsse auch eine Diagnose, wie sie Martina Heyder erhalten hatte, lange nicht das Ende sein. "Der Großteil solcher Schmerzen entsteht durch eine Überspannung der Muskulatur und Faszien." Nichts, was auf MRT- oder Röntgenbilder dargestellt werden kann. Vor allem in Faszien, eine Art netzartiges Bindegwebe, stecke viel Potenzial. Entstehen Verklebungen, kann es mitunter schmerzhaft werden.

Lösen lassen sich diese nur durch die richtigen Übungen, die richtige Ausführung - und Disziplin. Bei Schmerzen müssen die Übungen am besten täglich gemacht werden. "15 bis 20 Minuten pro Schmerzzustand", sagt Heibel, der auf eine hohe Eigenverantwortlichkeit setzt. Bei Martina Heyder jedenfalls war die Motivation hoch. "Sie konnte ja nicht mehr schmerzfrei sitzen oder in den Fersensitz gehen", beschreibt der Lauftrainer die Probleme.

Das Gefühl von Freiheit ist zurück

Nach einer Woche waren die ersten Erfolge zu sehen: Martina Heyder konnte immerhin schon wieder schmerzfrei gehen, eine Erleichterung. Mit der Zeit kramte sie auch die Laufschuhe wieder hervor, wagte erste, vorsichtige Versuche. "Als wir uns im Januar online wiedergesehen haben, hat sie schon wieder Läufe über acht Kilometer gemacht", sagt Heibel. Nach nur drei Monaten.

Inzwischen sind viele Kilometer hinzugekommen, längere Läufe sind ohne weiteres wieder drin, die Zeiten besser geworden. "Ich fühle mich wieder frei, habe mich sehr schnell wieder wohl gefühlt", sagt Martina Heyder. Ihre Übungen macht sie weiter. Ohne Bandage geht es auch nicht. Aber besser so, als gar nicht laufen. Anfang Juli fährt sie wieder in die Schweiz und wird in Zermatt den Halbmarathon laufen. Es ist ihr persönliches Gipfelglück nach einem schwierigen Jahr.

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