Wie China deutschen Autobauern elektrisch davonfährt
Die chinesische Führung hat sich entschieden: Elektrisches Fahren soll die Zukunft sein. Die Autobauer im Reich der Mitte und die Chinesen machen mit und kaufen massenweise E-Autos und Hybrid-Fahrzeuge. Was bleibt für Audi, Daimler und BMW?

Die Zukunft des Autos könnte in China entschieden werden. In keinem anderen Land werden mehr Autos produziert, nirgendwo sind Menschen so aufgeschlossen gegenüber technischen Entwicklungen. Dazu kommt das jahrelange Wirtschaftswachstum, das viele Chinesen in Arbeit gebracht hat.
Wenn China also ein entscheidender Markt ist, dann ist die Zukunft des Verbrennungsmotors ungewiss. Seit 2013 subventioniert die Führung in Peking den Kauf von Elektroautos stark. Mit dem Ergebnis, dass die Verkäufe elektrischer Fahrzeuge bis zum Jahr 2018 rapide anstiegen. Seitdem baut die chinesische Regierung die Zuschüsse sukzessive ab, wegen der Corona-Krise wurden sie zu Jahresanfang nun um weitere zwei Jahre verlängert.
Wer elektrisch fährt, muss nicht am Kennzeichen-Lotto teilnehmen
Dazu kommen weitere Vorzüge: So müssen Käufer konventioneller Fahrzeuge in der Hauptstadt Peking an einer Art Lotterie teilnehmen, um ihr Auto zuzulassen. Der Prozess kann Jahre dauern – Hybrid- und E-Fahrzeuge sind davon ausgenommen. Im Jahr 2025 soll ein Viertel aller neu zugelassenen Autos entweder ein E-Auto, ein Plugin-Hybrid oder ein Wasserstoff-Fahrzeug sein.
Ob die Chinesen sich auch ohne solche Anreize für neue Antriebstechnologien entscheiden, muss sich noch zeigen: Die üppigen staatlichen Zuschüsse werden künftig nur noch für Autos bis umgerechnet 39.000 Euro gezahlt. Viele Premium-Modelle liegen teils deutlich darüber. Marktführer Tesla, der mit seinem in Schanghai produzierten Modell 3 knapp oberhalb rangierte, reagierte mit einem Preisschnitt um rund zehn Prozent und verkauft das Modell nun für etwa 32.834 Euro.
Dass die deutschen Hersteller in den vergangenen Jahren auf der Erfolgsspur fuhren, verdanken sie vor allem einer Fahrzeugklasse: dem Stadt-Geländewagen, kurz SUV. 2019 löste er die Kompaktklasse an der Spitze der Produktionszahlen aller deutschen Hersteller ab. Gut eine Million Autos dieses Typs wurden innerhalb eines Jahres mehr hergestellt – auf der anderen Seite schrumpften die Produktionszahlen für Kompaktklasse, Mittelklasse und Kleinwagen um zehn bis 20 Prozent. Zwar legten auch Oberklasse- und Sportwagen zu, aber sie gehören zu den kleinsten der verschiedenen Typen.
Wie reagieren die deutschen Hersteller darauf? „Bei der E-Mobilität sind die chinesischen Hersteller sehr stark“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. „Jetzt ist auch noch Tesla dazugestoßen, da muss man jetzt Gas geben.“
Er glaubt, dass das Elektroauto in China gute Zukunftschancen hat, die jedoch politisch gewollt sind: „Der Markt wurde bislang politisch sehr stark geschaffen. Wenn man die Chinesen gefragt hätte, hätten sie wohl lieber einen guten Verbrenner gekauft.“ Doch Regierung, Hersteller und andere Unternehmen hätten bei der Elektromobilität vieles richtig gemacht. Entlang der Autobahnen zwischen großen Städten wie Peking und Schanghai ist ein dichtes Netz aus Ladestationen entstanden.
China plant schon den Superschnelllader
Neben den Ladepunkten der staatlichen State Grid Corporation of China konzentrieren sich private Anbieter vor allem auf Netze in großen Städten. Ein Anschluss fürs Schnellladen mit 237,5 kW ist in China indes für alle Hersteller Pflicht. Derzeit wird ein neuer Standard entwickelt, der das Laden mit 1500 kW ermöglichen soll. „In einem autoritären System kann man so ein breites Ladenetz natürlich einfacher aufbauen“, gibt Stefan Bratzel zu bedenken.
Dennoch hätten Deutschland und Europa viel Zeit verloren. „Die Ladeinfrastruktur ist für mich das zentrale Element für den Markthochlauf. Da hat man sich in Deutschland große Ziele gesetzt, aber zu wenig getan, um sie zu erreichen.“ Derzeit plant die Bundesregierung, für zehn Millionen E-Autos im Jahr 2030 eine Million Ladepunkte zu installieren. Derzeit gibt es rund 20.700 davon in Deutschland. Wer die restlichen Hunderttausenden Säulen aufstellen und betreiben soll, ist unklar.
Tesla habe das laut Bratzel von Anfang an richtig aufgezogen, mit einem eigenen und exklusiven Superladenetz. Für alle anderen brauche es in der Breite verlässliche Möglichkeiten, zu Hause und beim Arbeitgeber zu laden. Danach kämen Schnellladepunkte entlang der Autobahnen.
In Deutschland hakt es bei der Stromverteilung
Urlaubsreisen über viele hundert Kilometer seien noch ein Spezialfall. „Der Regelfall ist, dass man zu Hause lädt.“ Und auch dort gibt es laut dem Experten Hürden: Damit die E-Mobilität für alle möglich wird, müssen die Netzbetreiber ihre Verteilnetz ertüchtigen. Das geht nur, indem neue Kabel verlegt werden. „Und dann wird es richtig teuer. Das ist ein Thema, das relativ bald auf uns zukommt.“
Eine weitere Herausforderung sieht Bratzel bei der Batterieproduktion. Derzeit entsteht in Erfurt eine Fabrik des chinesischen Konzerns CATL für Batteriezellen. „Die Batterie ist ein ganz wichtiger Wertschöpfungsbestandteil des Elektroautos. Das können wir uns nicht entgehen lassen!“
Der Marktbeobachter Roland Berger sieht das ebenso. Aus technologischer Sicht seien die deutschen Autobauer nach wie vor an der Spitze. Doch bei der Batteriezellen-Produktion hätten China, Japan und Südkorea die Nase vorn. „Dieser Markt wird auch künftig stark von wenigen asiatischen Playern dominiert werden.“
Südkorea und Japan sind 2019 noch am besten durch die Schwäche der Autobranche gekommen: In diesen beiden Ländern gingen die Produktionszahlen der dortigen Hersteller wie Hyundai, Kia, Toyota, Mazda und Honda, am geringsten zurück. Deutschland und China erlitten die stärksten Einbußen, während die USA, Frankreich, Spanien und Großbritannien mäßige Rückgänge verzeichneten. Deutschland geriet damit unmittelbar in den Sog der Flaute in China, da nach wie vor viele Modelle deutscher Produktion ins Reich der Mitte verschifft werden, obwohl auch dort Autofabriken deutscher Konzerne bestehen.
Berger schlägt deshalb vor, andere Geschäftsmodelle zu fokussieren, wie etwa Miet-Batterien („battery as a service“). Die Batterie für das E-Auto wird also nicht mitgekauft. Durch Wartung und Recycling könnten neue Geschäftsmodelle entstehen, meint Berger.
Ein solches Modell hat etwa der Autozulieferer Bosch entwickelt: Eigene oder fremde Batteriezellen werden aus der Ferne ausgelesen. Die Anwendung soll den Zustand der Batterie im Auge behalten und mögliche Schäden frühzeitig erkennen.
Nicht die billigste Batterie, sondern die passgenauste
Jürgen Fleischer, Leiter des WBK-Instituts für Produktionstechnik am Karlsruher KIT sieht das anders. Er fordert, dass die deutsche Autoindustrie in großem Stil ins Batteriegeschäft einsteigt. „Wir sollten nicht die billigste Batterie bauen, sondern die, die optimal ist für ein bestimmtes Autokonzept.“
Chinesische Unternehmen würden sich darauf konzentrieren, Standard-Batteriezellen in möglichst großer Stückzahl herzustellen. VW, Daimler und BMW müssten den starken Maschinenbau in Deutschland nutzen, um für jede Art Auto die beste Batterie zu bauen, für den Kleinwagen wie für SUVs. „Wir genießen in China ein hohes Ansehen für unsere Premiumprodukte. Deshalb muss unser Ansatz auch bei der E-Mobilität sein, das Premiumsegment zu bedienen“, meint Fleischer.
Er leitet am KIT den Kompetenzcluster „Intelligente Batteriezellproduktion“. Dieser soll herausfinden, wie solche unterschiedlichen Batterien für verschiedenste Fahrzeuge hergestellt werden können. Viele solcher Forschungsvorhaben liefen schon, sagt Fleischer, „der Prozess beginnt“.
Batterie der Zukunft soll nachhaltig sein
Natürlich müssten künftige Batterien nachhaltiger produziert werden als heute, sagt der Experte. In Karlsruhe arbeite man bereits an einer Batteriezelle, die ohne Lithium auskommt. „Und es geht nicht nur um bessere Rohstoffe, sondern auch um Reparatur und Rückbau von Batterien.“ In Stuttgart tüftelten Forscher an Produktionsanlagen, die Batterien zerlegen und Bestandteile austauschen. „Andere legen darauf keinen Fokus. Unsere Batterien müssen sozusagen vordenken, dahingehend, dass sie nach ihrer Verwendung im E-Auto noch einen Nutzen haben. Das wird ein bisschen mehr Geld kosten.“
Noch sei offen, wie die E-Mobilität der Zukunft aussehe, meint Fleischer. Nur Stillstand könne sich die deutsche Autoindustrie nicht leisten. „Wenn wir nicht mehr daran glauben, dass wir gute Autos bauen, für die andere viel Geld bezahlen, dann sollten wir gar nichts mehr tun.“
Audi verzeichnet Rekord-Verkäufe in China
Von Stillstand dürfte indes trotz zeitweisen Shutdowns wegen der Corona-Pandemie nichts zu spüren sein. Daimler hat bereits im Juli eine strategische Partnerschaft mit dem chinesischen Batterie-Hersteller Farasis Energy bekanntgegeben. Die Chinesen sollen künftige E-Autos von Mercedes ausstatten und wollen eine Fabrik mit 2000 Mitarbeitern in Bitterfeld bauen. VW plant, noch bis Ende des Jahres den elektrischen SUV ID.4 in China vom Band laufen zu lassen und möchte bis 2028 insgesamt 11,6 Millionen E-Autos in China produzieren.
Audi hat vor wenigen Tagen angekündigt, zusammen mit dem chinesischen Partner FAW ab 2024 gemeinsam mehrere E-Autos bauen zu wollen. Bis September konnte Audi laut eigenen Angaben 512.081 Fahrzeuge an chinesische Kunden ausliefern – laut dem Konzern ist das in China das beste Ergebnis der vergangenen 30 Jahre.
Die Deutschen fangen an, bei E-Autos zuzugreifen
Auch in Deutschland steigt die Zahl der verkauften Autos wieder, nachdem Corona eine Tiefe Delle verursacht hatte. Und der Trend zu alternativen Antrieben ist erkennbar: Im September wurden laut Kraftfahrtbundesamt 21.188 E-Autos zugelassen, was einem Zuwachs von 260 Prozent entspricht. Bei den Plug-In-Hybriden lag das Plus mal bei 463,5 Prozent (20.127 Fahrzeuge).