Warum Most im Aufwind ist und mehr Aufmerksamkeit verdient
Der vergorene Apfel- und Birnensaft ist eine bekömmliche Alternative zu Bier und Wein. Saftereien und Vereine halten das Traditionsgetränk heute noch in Ehren. Doch nicht überall genießt Most hohes Prestige.
Während der Wein als Getränk und Kulturgut nicht nur zur derzeit beginnenden Hauptlese in aller Munde ist, führt ein weiteres Getränk, das Landwirte, Handwerker und Händler seit Jahrhunderten kultivierten, inzwischen ein Schattendasein: der vinum mustum. Die alten Römer nannten so den jungen Wein, den Traubenmost. Der Name wurde aber früh auf den gekelterten Saft aus Äpfeln und Birnen übertragen.
Schon die Kelten tranken den Most aus meist gerbstoffreichen Birnen, die häufig zusammen mit Mostäpfeln, Wirtschafts- der Tafeläpfeln, teils auch mit Quitten und den Früchten des Speierlingbaumes gekeltert und vergoren wurden. Jahrhundertelang war der Most der Wein des kleinen Mannes und das Nationalgetränk in Deutschland schlechthin. Bier gab es in der Regel nur sonntags und auch nur dann, wenn man sich das Gebraute im Wirtshaus leisten konnte.
Ein Getränk für die breite Masse
Der Most war dagegen für die breite Masse der Menschen überall verfügbar, zumindest für die, die auf dem Land lebten. So berichten Ortschroniken von der schwäbischen Alb aus dem 19. Jahrhundert davon, dass Erwachsene in der Regel täglich zwei Liter Most tranken. Feldarbeiter erhielten während der Ernte sogar vier Liter täglich, Frauen die Hälfte. Geschadet hat es den Bauern offenbar nicht, ganz im Gegenteil.
Most gilt auch heute noch als eines der bekömmlichsten Getränke, zumindest unter denen, die Alkohol enthalten. "Ein Birnenmost hat eine tolle Aromatik und ist ein klasse Produkt, wenn er gut gemacht ist", schwärmt beispielsweise Joachim Beil. Der Geschäftsführer der Beil Fruchtsaft GmbH in Neckarsulm stellt jährlich rund 50.000 Liter Apfel-Birnen-Most und Kirschmost her, der in der Region und darüber hinaus auch seine Abnehmer findet. Inzwischen führen auch wieder einige Gaststätten in und rund um Heilbronn Most auf ihrer Getränkekarte.
"Jahrelang hat man sich nicht mehr um das Getränk gekümmert, das ist schade, aber in den letzten Jahren ist Most wieder im Kommen", betont Beil. Der 51-Jährige ist davon überzeugt, dass der Most in der Öffentlichkeit viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. "Das Getränk hat nur rund 5,5 Prozent Volumenprozent Alkohol, ist im Gegensatz zum Bier eher ein Wachmacher, ist dabei sehr bekömmlich und hat viel weniger Kalorien als Bier und Wein", zählt Beil die Vorteile auf.
Auch die Entstehung der Streuobstkultur in Deutschland mit rund 600 Sorten Äpfeln und 200 Sorten Birnen ist eng mit der historischen Bedeutung der Mostproduktion verknüpft. "Das Obst war früher entsprechend wertvoll und teuer, heute fehlt diese Wertschätzung", klagt Beil, der befürchtet, dass viele alte Obstsorten, die gerade im Most ihren Geschmack und ihre Qualität entfalten, bald aussterben werden. "Es wäre schön, wenn sich die Menschen wieder verstärkt solchen Produkten zuwenden würden", hofft er. Erfreulich ist für den Neckarsulmer daher, dass der Most in den vergangenen Jahren zumindest eine gewisse Renaissance erfahren hat.
Most prämieren und gemeinsam verkosten

Das zeigen auch einige Entwicklungen im Landkreis Heilbronn und im Hohenlohekreis. So gibt es in Eppingen seit 2016 alljährlich einen Most-Besen, bei dem die "Streuobstler" im renovierten historischen Bauernhof der Stadt Most, Apfelsaft und Schnaps aus Äpfeln, Birnen und Quitten von Früchten aus den umliegenden Wiesen anbieten. Auch die Mostprämierung, die seit 2001 im Rahmen des Dörzbacher Pferdemarktes stattfindet, hat inzwischen schon eine Tradition entwickelt.
Im Künzelsauer Teilort Nagelsberg gibt es sogar seit über 20 Jahren einen Mostverein, der im September und Oktober jeden Samstag in der Alten Kelter inmitten des Ortes Most herstellt und anbietet. Überhaupt ist das ländlich geprägte Hohenlohe mit seinen zahlreichen Streuobstwiesen auch heute noch eine Hochburg der Mostherstellung.
Auch Otto Umbach schwört auf die gesundheitsfördernde Wirkung des Getränks. Der Pfedelbacher Landwirt, der auch Wein anbaut, schwärmt vor allem für die alten Obstsorten. Besonders die Balduffer-Birnen haben es dem 72-Jährigen und seinen Freunden angetan, die sich in der 2009 ins Leben gerufenen Höfler-Umbach-Stöckig-Stiftung für die Natur und für überlieferte landwirtschaftliche Traditionen einsetzen.
Birnen entwickeln wenig Gerbsäure
Einige dieser mächtigen Birnbäume, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts gepflanzt wurden, stehen noch am Lindelbergsweg in Pfedelbach-Windischenbach. Aus den Früchten der Bäume hat der Landwirt im vergangenen Herbst wieder einen traditionellen Saft gekeltert. Inzwischen ist ein wohlschmeckender gut verträglicher Most herangereift.
"Die Birnen entwickeln wenig Gerbsäure, das macht den Most so verträglich und gesund und auch qualitativ so gut", schwärmt Umbach von dem Produkt, das inzwischen trinkfertig in seinem Keller auf dem Hofgut Stöckig lagert. "Der Most hat fast soviel Öchsle-Grade wie der Wein", betont Umbach. Nach der Gärung hat er eine goldgelbe Farbe entwickelt und schmeckt kräftig und fruchtig mit einem geringen Gerbsäureanteil. "das gibt dem Most einfach noch eine wohlschmeckende Restsüße", betont Umbach. Wer sich davon überzeugen will, kann den edlen Saft direkt ab Hof probieren.
Das soll auch in den kommenden Jahren so bleiben. Denn Otto Umbach hat vor wenigen Wochen zusammen mit Sabine Ungerer zwei Balduffer-Setzlinge in Windischenbach gepflanzt. Sie sollen garantieren, dass es die besonderen Mostbirnen auch noch in mindestens 150 Jahren in Pfedelbach gibt.