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Der Gemmrigheimer Rundwanderweg hält auf seiner Nordschleife einige Überraschungen bereit

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Asphalt, Schotter, Waldboden: Wer auf dem nördlichen Teil des Gemmrigheimer Rundwanderweges unterwegs ist, benötigt festes Schuhwerk. Wer den Weg zudem an der richtigen Abzweigung verlässt, steht kurze Zeit später vor den Toren des Kernkraftwerks Neckarwestheim – und wird auf Wunsch über das GKN-Gelände geleitet.

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Achtung: Gefahr durch fliegende Bälle! Mehrfach kreuzt der Wanderweg um Schloss Liebenstein auch die dortige Golfplatz-Anlage. Hier sind Ruhe und Umsicht gefragt.
Achtung: Gefahr durch fliegende Bälle! Mehrfach kreuzt der Wanderweg um Schloss Liebenstein auch die dortige Golfplatz-Anlage. Hier sind Ruhe und Umsicht gefragt.  Foto: Nils Buchmann

Theoretisch ließe sich diese Wanderung mit einem zünftigen Essen beginnen, doch in Anbetracht dessen, was noch kommen soll, empfiehlt sich das Restaurant „Am Wasen“ in Gemmrigheim erst einmal lediglich als Ausgangspunkt der Tour.

Zwei, drei Richtungswechsel ins Wohngebiet „Scheidwegle“ und in den „Niedernbergweg“, danach eine Unterquerung der Kreisstraße 1625 und schon wartet zur Einstimmung ein leichter Anstieg parallel zu den Weinbergen. Oben angekommen ist bereits die erste – und vorerst letzte – Sitzgelegenheit erreicht: die „Kalb Brücke“.

Von nun an gilt es bis auf weiteres dem Rundwanderweg zu folgen. Vorbei an Riesling-Reben und Sonnenblumen-Feldern, dem blau-weißen Wanderweg-Symbol des Schwäbischen Albvereins folgend. 


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Zwischen Fluss und Maisfeldern 

Kurz nachdem aus dem ausgebauten Asphalt- ein wirtschaftlich genutzter Schotterweg wird, ist erhöhte Aufmerksamkeit gefragt: Denn die ausgeschilderte Abzweigung in den Wald ist nur nach sehr genauem Hinsehen erkennbar. Aufmerksamkeit erfordert auch der teilweise nur wenige Zentimeter breite Trampelpfad, der den Wanderer bergab durch das Waldstück führt. Wer diesen Dschungel durchquert hat, steht vor einem Schild mit der Wegvariante „Untere Au“. Dieses ignorierend folgt man nach einer Links-Rechts-Kombination stattdessen der Variante „Hauptweg“.

Ein Leinpfad mit traditionsreicher Geschichte

Am nördlichsten Punkt der Strecke fließt der Neckar direkt neben dem Wanderweg. Immer wieder ist der Blick frei Richtung Kirchheimer Weinterrasse.
Fotos: Nils Buchmann
Am nördlichsten Punkt der Strecke fließt der Neckar direkt neben dem Wanderweg. Immer wieder ist der Blick frei Richtung Kirchheimer Weinterrasse. Fotos: Nils Buchmann  Foto: Nils Buchmann

In diesem Teil schmiegt sich der Wanderweg der Neckar-Schleife zwischen Kirchheim und Neckarwestheim an. Dem Fluss mit einem schmalen Strandabschnitt zur Linken und breiten Mais-Feldern zur Rechten folgend, geht es in ein Waldstück am Ufer. Rund anderthalb Stunden ist man bis hierhin unterwegs. Im Wald wird Wanderern auf einem Schild schließlich erklärt, wo sie sich befinden: Auf einem „Teilstück des Leinpfades entlang des Neckars“.

Wenig später biegt der Rundwanderweg nach rechts ab; Treppenstufen und ein blaues Gehweg-Zeichen sind nicht zu übersehen. An dieser Stelle bietet sich jedoch die Möglichkeit, dem Leinpfad, auch Treidelpfad genannt und gerade breit genug für eine Person, am Ufer entlang weiter zu folgen.

Wer dies tut, wird nach rund 250 Metern von einem schweren Stahltor, einer piependen Sodar-Anlage und einem Hinweisschild empfangen: „Benutzer des Uferweges bitte läuten!“, steht neben einer Klingel-Anlage. Kein Zweifel, hier steht man vor dem Gelände des Kernkraftwerks Neckarwestheim.

Kein Weg? Kein Kraftwerk!

Gut versteckt endet der Uferweg am Zaun des Kernkraftwerks. Wer weitergehen möchte, muss klingeln.
Gut versteckt endet der Uferweg am Zaun des Kernkraftwerks. Wer weitergehen möchte, muss klingeln.  Foto: Nils Buchmann

„Wir bewerben ihn nicht offensiv, doch bei den Alteingesessenen im Ort ist der Pfad bekannt“, sagt Jochen Winkler, Bürgermeister von Neckarwestheim. Einst waren parallel zum Neckar die motorlosen Schiffe von Mensch und Tier flussaufwärts gezogen worden, so dass sich durch dieses „Treideln“ genannte Prozedere der Pfad bildete.

Die Initiative zur Erhaltung und weiteren Nutzung sei jedoch im Zuge der Planungen des Kraftwerkes 1971 von Gemmrigheimer Seite ausgegangen, berichtet Jochen Winkler. Sein dortiger Amtskollege Dr. Jörg Frauhammer bestätigt dies.

Sein Vor-Vor-Vorgänger, Bürgermeister Helmut Klass, hatte sich seinerzeit für den Erhalt eingesetzt. Ansonsten sei die Datenlage zum Sachverhalt „recht dünn“. Belegt sei die Antwort des GKN vom 1. Dezember 1972 auf eine Protokollnotiz des Bürgermeisters von Neckarwestheim zum Erschließungsvertrag, nach der „[...] bei der Einfriedung des Kraftwerkgeländes darauf Rücksicht genommen wird, dass entlang dem Neckarufer für die Anlage eines Fußgänger- und Fahrwegs Platz bleibt [...]“.

Diese Zusicherung habe sich letztlich in einer nachträglichen Auflage des Wirtschaftsministeriums niedergeschlagen, so dass bis heute für Wanderer ein Wegerecht auf dem jahrhundertealten Pfad besteht.

Die spannendsten Meter des Uferweges führen über das GKN-Gelände

Während also im Hintergrund der Kühlturm Wärme in die Atmosphäre entlässt, meldet sich nach dem Klingeln eine freundliche Frauenstimme. Dem Wunsch des Wanderers, den Uferweg zu nutzen, wird entsprochen. Nach rund fünf Minuten erscheint eine Frau des Wachdienstes: Weißes Hemd, dunkelblaue Hose, Pistole im Holster, Ray-Ban auf der Nase, Schäferhund an der Leine. Per Funkgerät hält sie ständig Kontakt mit der Sicherheitszentrale.

Dann wird das Tor geöffnet und der Wanderer unter dem Nato-Draht hindurch über das Kraftwerkgelände geleitet. Film- und Fotoaufnahmen sind nicht erlaubt, Nachfragen werden freundlich, aber bestimmt, abgewiesen.

Keine 500 Meter lang ist der Weg, der am äußersten Rand des Geländes fast korridorartig und weiträumig abgezäunt vom Rest der Anlage verläuft. Am Ende wird man durch ein weiteres Stahltor wieder in die Natur entlassen. Noch ein Sprung über den kleinen Liebensteiner Bach und man ist zurück in Freiheit.

Stilllegung des Reaktorblocks soll keine Auswirkungen auf den Treidelpfad haben

Wie viele Wanderer das GKN-Gelände im Jahr überqueren, kann Lutz Schildmann, Sprecher des Kraftwerkbetreibers EnBW, nicht sagen. „Es kommt ab und an vor, ist aber keine Massenbewegung.“ Probleme seien ihm nicht bekannt, auch wenn vor Ort weder Personalien erfasst, noch Taschen durchsucht werden. „Es ist einfach ein Wegerecht, das damals wichtig war“ und das aufrechterhalten werde.

Einschränkungen gebe es lediglich, wenn „betriebliche Gründe“ dagegen sprächen; aktuell herrscht zudem Maskenpflicht. Größere Gruppen werden geteilt. Auch nach der Stilllegung von Reaktorblock II im nächsten Jahr und während des anschließenden Rückbaus soll der Weg weiterhin nutzbar sein.


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Über den Golfplatz wandern

Nach dem GKN-„Besuch“ entfernt man sich an der nächsten Weggabelung nach rechts vom Neckar weg und wagt sich kurz den Weinbergen entgegen. Danach bietet sich vor der Querung der K2081 ein Blick auf Neckarwestheim, ehe man wieder zurück auf die Hauptweg-Variante des Rundwanderweges gelangt.

Von nun an geht es steil bergauf, hoch zu Schloss Liebenstein. Als Orientierung dient vor allem der Golfplatz, der meist rechter Hand liegt. Mit etwas Glück lässt sich hier der ein oder andere (Ab-)Schlag beobachten.

Achtung: Gefahr durch fliegende Bälle! Mehrfach kreuzt der Wanderweg um Schloss Liebenstein auch die dortige Golfplatz-Anlage. Hier sind Ruhe und Umsicht gefragt.
Achtung: Gefahr durch fliegende Bälle! Mehrfach kreuzt der Wanderweg um Schloss Liebenstein auch die dortige Golfplatz-Anlage. Hier sind Ruhe und Umsicht gefragt.  Foto: Nils Buchmann

Auf den Aufstieg folgt der Abstieg: Quer über den Golfplatz, nach rechts in ein Waldstück und anschließend links unter der K1625 hindurch. Nach der Unterquerung lädt ein Besen zur Einkehr ein. Wer bereits gestärkt ist, folgt den Wanderweg-Symbolen, lässt eine Gärtnerei rechts liegen und entscheidet sich an der nächsten Weggabelung nicht für den links ausgeschilderten Rundwanderweg, sondern für den landwirtschaftlich genutzten Weg rechts.

Es endet, wo es begonnen hat

Mitten in den bald folgenden Schwarzriesling-Flächen befindet sich der Gemmrigheimer Häckselplatz, der als Orientierung zum Rechtsabbiegen dient. Wer sich danach links hält und an der T-Einmündung rechts bleibt, gelangt an der nächsten Kreuzung wieder zurück auf die Hauptroute des Rundwanderweges.

Nach dem Wegpunkt „Heimatblick“ geht es schließlich zurück ins Tal und parallel zur K1625 wieder ins Wohngebiet „Scheidwegle“, wo eine wohl einzigartige Wanderroute vor rund vier Stunden ihren Ausgang nahm.

Wanderprofil
Wechselnde Bodenbeläge, Trampelpfade, Höhenunterschiede: Festes Schuhwerk, angemessene Kleidung und ein stabiler Stand sind zu empfehlen. Die Wanderstrecke ist durch den Gemmrigheimer Rundwanderweg größtenteils ausgeschildert, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick sichtbar. Eine (Wander-)Karte schadet daher nicht. Mit kleineren Pausen lässt sich die Strecke in rund vier Stunden bewältigen.

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